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Die Multimedialen

Eran Schaerf und Michaela Melian - zwei Vertreter der Multimedialität, zwei Künstler, die souverän das Radio nutzen, aber auch hinausgehen und ihre Werke im Raum ausstellen. Melian hat ihr Werk "Speicher" auch als Videoinstallation konzipiert - nun wurde es zum "Hörspiel des Jahres 2008" gekürt. Auch Eran Schaerf hat mit Gattungsgrenzen nicht viel im Sinn.

Von Frank Olbert | 20.02.2009
    Er hat Architektur studiert, fand jedoch als bildender Künstler internationales Ansehen, unter anderem auf der dokumenta und der Biennale in Venedig. Nun gibt es Neues von Eran Schaerf, und zwar zum Hören. "Nichts wie Jetzt" klingt wie ein Show-Format aus einer gar nicht fernen Medienzukunft. Schaerf nimmt unsere modernen Kommunikationsformen wie Internet und Blogs unter die Lupe und auf die Schippe; in diesem globalen und scheinbar grenzenlosen Raum des Gesprächs lösen sich die Identitäten auf. Was ist hier eigentlich real, und was pure Fiktion?

    Eran Schaerfs Hörspiel "Nichts wie Jetzt" stellt der Bayerische Rundfunk am Freitag, den 27. Februar um 20.30 Uhr vor.

    Wie Eran Schaerf präsentiert sich Michaela Meliàn als Multitalent: Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Thomas Meinecke spielt sie in der Band FSK. Michaela Melián zeichnet, und zwar auf durchaus ungewöhnliche Weise, wie sie im Interview erzählt. Sie dreht Filme und baut Installationen. Ach ja: Hörspiele produziert sie auch, und zwar sehr erfolgreich: ihr Erstling "Föhrenwald" gewann den Hörspielpreis der Kriegsblinden, der Nachfolger "Speicher" wurde von der Jury der Akademie der Darstellenden Künste zum Hörspiel des Jahres 2008 gewählt.
    Wie sind Sie eigentlich zum Hörspiel gekommen, Frau Melián?
    Eigentlich, ganz einfach, weil ich ja auch Musik mache und mich für Sound interessiere. Es gab den Kontakt zur Redaktion Hörspiel- und Medienkunst beim Bayerischen Rundfunk, die ja auch immer wieder mit bildenden Künstlern wie Eran Schaerf oder Dieter Roth zusammengearbeitet haben. Wir haben dann mit FSK die Musik zu dem Hörspiel "Bambiland" von Elfriede Jelinek gemacht. Und als ich vor hatte, eine Arbeit mit Audio zu machen, habe ich beim BR nachgefragt, ob sie koproduzieren wollen. Das war dann "Föhrenwald". Ich verstehe ich das Broadcasting-Medium so, dass man Leute erreicht, die in Kunstinstitutionen nicht unbedingt besuchen.

    In "Föhrenwald" geht es um eine Siedlung, die nach dem Zweiten Weltkrieg zwölf Jahre lang als Lager für Displaced Persons diente. Ihre neue Arbeit "Speicher" ist ganz anders gelagert. Sie beruht auf einem multimedialen Projekt von Edgar Reitz, Alexander Kluge und Josef Anton Riedl aus dem Jahr 1965. Wie sind Sie darauf gestoßen?

    Ich war eingeladen im Ulmer Museum eine Ausstellung zu machen und bin in das Archiv der Ulmer Hochschule für Gestaltung gegangen, denn die HfG, die 1968 geschlossen wurde, ist das erste, was mir von meiner Interessenlage her zu Ulm einfällt. Edgar Reitz und Alexander Kluge haben dort die Filmabteilung aufgebaut und sie haben das Siemens-Studio für elektronische Musik aus München nach Ulm geholt. Dieses Studio war gemeinsam mit dem Kölner WDR-Studio das erste elektronische Studio in der Bundesrepublik. Im Archiv der HfG bin ich dann auch auf "Varia Vision - unendliche Reise" gestoßen, eine Multimedia- Installation, die aus Filmen von Edgar Reitz, Texten von Alexander Kluge und Sound von Josef Anton Riedl bestand. "Speicher" ist im weitesten Sinne eine Hommage oder eine Coverversion mit heutigen Mitteln zu dem Thema "unendliche Reise".
    "Speicher" ist nicht nur ein Hörspiel, sondern auch eine Installation. Was gibt es denn da zu sehen?
    Ich habe das Hörspiel für den Ausstellungsraum weiterverarbeitet zu einem Soundtrack für eine filmische Installation. Es gibt eine sehr abstrakte Filmebene dazu, die auch mit der Idee des Reisens arbeitet. Es wechseln sich Kamerafahrten ab, zum einen aufgenommen in einem Schneegestöber und das andere ist eine Makrofahrt über eine abstrakte Zeichnung von mir, die nicht aus gezeichneten oder gemalten Linien, sondern aus Nähmaschinennähten besteht. Diese beiden Kamerafahrten wechseln sich ab. Dazu ist der Soundtrack zu hören.
    Die Videoinstallation "Speicher" war in Ulm und in Köln zu sehen und geht als nächstes nach Linz. Eine englischsprachige Version war in London und ist jetzt in New York in einem Kunstverein aufgebaut.
    Das Hörspiel "Speicher" von Michaela Meliàn wiederholt der Bayerische Rundfunk am Freitag, den 10. April um 20.30 Uhr