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Die Musik darf nicht nerven

Filmmusik ist das traditionelle Thema des Kongressfestivals SoundTrack_Cologne, das morgen zum achten Mal in Köln startet. Seit einiger Zeit spielt dort auch die Videospielbranche zum Tanze. Soundtracks für Games und Film sind verwandt, es gibt aber auch entscheidende Unterschiede.

Von Christian Schiffer | 02.11.2011
    Die Titelmelodie aus "Super Mario", gespielt von einem australischen Symphonieorchester: Kaum ein Stück aus einem Videospiel wurde wohl so oft, auf so unterschiedliche Weise interpretiert: Es gibt unter anderem E-Gitarren- , A-Kapella- und Orgelvarianten. Filippo Beck Peccoz hat in Boston Filmmusik studiert und sich mittlerweile auf Videospielmusik spezialisiert. Das Wichtigste: Die Musik darf nicht nerven:

    "Gewisse Dinge, die man einmal hört und von denen man sagt, das ist eine schöne Melodie oder ein interessanter Klang, hören sich nervig an, wenn man sie dann 50-mal hört. Man muss versuchen diese nervigen Elemente herauszufiltern und trotzdem eine schöne klangliche Unterstützung für das Spiel zu liefern."

    Nervige Gamesmusik, wie hier aus dem Spiel "Streets of Rage", wurde früher stoisch ertragen oder einfach abgeschaltet. Heute dagegen macht Musik in Computerspielen einen wichtigen Teil der Atmosphäre aus. In unbekannten Gebieten soll sie unheimlich und mystisch klingen, in hektischen Passagen die Spannung erhöhen und wenn mal gerade nichts passiert, den Spieler wohlig umschmeicheln. Eine ähnliche Funktion hat die Musik auch im Kino. Mit einem wichtigen Unterschied: Es fehlt das zeitliche Element. Filippo Beck Peccoz:

    "Als Videospielkomponist muss man sich darauf einlassen, dass man nicht weiß, wann gewissen Dinge geschehen. Denn der Spieler selbst entscheidet oder kommt je nach Fähigkeit in ein neues Level. Aus musikalischer Sicht ist das interessant, weil man trotzdem einen musikalischen Flow hinbekommen muss."

    Im Film weiß der Komponist, dass in Minute 32 der Held das erste Mal die schöne Piratentochter küsst und es in Minute 98 zum Showdown zwischen ihm und dem fiesen Nebenbuhler kommt. Anders in Computerspielen: Hier muss sich die Musik dem Spieler anpassen. Einem Spieler, der möglicherweise das Spiel sehr schnell durchspielen möchte, oder sich Zeit lässt, oder sich vielleicht sogar versehentlich verläuft. Wichtig ist: Auch wenn sich die Musik immer mit der Situation auf dem Bildschirm verändern muss, darf es keine krassen Brüche geben, die Melodien müssen immer flüssig bleiben. Filippo Beck Peccoz erklärt das an dem Beispiel "Astroslugs", einem Puzzlespiel für das iPad:

    "Hier machen wir einen Sprung in das Weltmenü. Das ist ein Moment des Auswählens für den Spieler. Er sieht die ganz Weltkugel und kann dann in verschiedene Ebenen hineinsteigen ... jetzt gehen wir zum Beispiel in die Weltebene: Hier haben wir mit der Akustikgitarre ein Element, das vorher nicht dabei war."

    Videospielkomponisten haben verschiedene Tricks, wie sie Übergänge sanft gestalten, oft helfen ihnen auch Computerprogramme dabei. Was den Einsatz von Musik anbelangt, stehen Computerspiele noch am Anfang, bisher mussten sie vor allem was für Auge hermachen, immer öfter wollen die User jetzt aber auch etwas fürs Ohr. Wie groß das Potenzial wäre, hat zuletzt Björk mit ihrem Album "Biophilia" gezeigt, von dem es eine iPad-Version gab, eine Mischung aus Musikalbum und Computerspiel. Bei einem Song etwa muss man Kristalle sammeln, erst wenn man genügend zusammen hat, ertönt der befreiende Refrain. Vieles ist also denkbar und demnächst vielleicht auch hörbar.