Montag, 29. April 2024

Archiv


"Die Musik gehört mir endlich wieder"

Der ehemalige Bassist von New Order und Joy Division, Peter Hook, hat ein neues Album veröffentlicht: "Peter Hook and the light". Gemeinsam mit der britischen Sängerin Rowetta interpretiert er alte Joy-Division-Songs. Derweil touren seine Bandkollegen von New Order ohne ihn.

Peter Hook im Gespräch mit Amy Zayed | 10.12.2011
    Peter Hook: Ich bin mal mit The Clone Rose getourt. Das ist eine Stone Roses - Coverband. Alle dachten, das wären tatsächlich die Stone Roses, was ich total komisch fand. Und ich meinte zu meinem Kumpel: Ich sollte mal so was wie The Salford Joy Division gründen. Er sagte daraufhin, klar, aber Du kannst nicht in Deiner eigenen Coverband spielen. Ich wollte das Gegenteil beweisen, und so kam mir die Idee, The Light zu gründen. Ich finde nämlich, man kann sehr wohl in seiner eigenen Coverband sein- damit ehrt man doch seine eigene Musik.

    Amy Zayed: Tony Wilson sagte mal zu mir, dass er das ziemlich albern fand, als New Order mit dem Album "Get ready" rauskam. Er meinte, die covern doch nur sich selbst und feiern die alten Zeiten. Wie sehen Sie das?

    Hook: Er darf so was auch denken, ohne dass ich sauer werde. Aber es ist tatsächlich komisch. Man weiß von Anfang an, dass es Leute gibt, die so etwas super finden, und andere, die damit überhaupt nicht glücklich sind. So ist die Welt nun mal. Genau das macht es ja so interessant. Man kann nicht alle glücklich machen.

    Zayed: Ich habe von einigen Leuten gehört, dass Sie das Projekt "Peter Hook and the Light" deshalb nicht gut finden, weil sie das Gefühl haben, Sie wollen damit nur Geld machen. Wie reagieren Sie auf so etwas?

    Hook: Ich finde solche Argumentationen immer ziemlich schwierig. Solche Leute sagen einem immer, was man nicht machen darf. Aber nie, was man machen soll. Wenn man fragen würde, was soll ich Eurer Meinung nach machen, würde man wahrscheinlich sehr verschiedene Antworten bekommen. Was ich dabei nicht verstehe: Wenn ich es nur wegen des Geldes mache, warum habe ich dann 30 Jahre damit gewartet und es nicht getan als New Order noch Nummer-1-Hits hatten? Das hat keinen finanziellen Wert. Ich hatte noch Glück, dass ich es gemacht habe, bevor ich in Rente gehe. Wahrscheinlich kommen solche Argumentationen vom Irrglauben der Leute, dass man als Musiker Tonnen von Geld verdient. Ich habe schon einiges verdient. Aber nur, weil ich erfolgreich war, habe ich noch lange nicht die Massen an Geld, von denen einige Leute ausgehen. Der eigentliche Grund war, dass ich mich endlich frei fühlen wollte. Zum ersten Mal nach 30 Jahren hatte ich das Gefühl, die Musik gehört mir endlich wieder. Als Ian starb, hatte ich hingegen das Gefühl, nicht nur unser Sänger war weg, sondern man hatte uns auch irgendwie unsere Musik genommen. Als wir dann im vergangenen Jahr am 18. und 19. Mai Ians 30. Todestag gefeiert haben, konnte ich sie endlich wieder spielen und es genießen. Ich fühlte mich auf einmal so befreit.

    Wenn ich übrigens von jedem ein Pfund verlangt hätte, der hinterher auf mich zugekommen ist und gemeint hat, wie großartig er das findet, dann müsste ich nie wieder in schäbigen Klubs spielen. Ich könnte sofort in Rente gehen. Aber es macht mir einfach Spaß, die Songs zu spielen. Und es freut mich auch sehr, dass mein Sohn Jack dabei ist. Er ist genau so alt wie ich, als ich damals mit Joy Division unterwegs war. Schon komisch: Mein Sohn spielt Joy Division Songs im gleichen Alter wie ich damals und sieht auch noch genau so aus wie ich damals, als ich 20 war. Manchmal muss ich schon zweimal hinsehen, weil es so surreal ist.

    Zayed: Was meinen Sie, würde Ian Curtis sagen, wenn Sie ihn im Jenseits besuchen könnten, und nach seiner Meinung dazu fragen würden?

    Hook: Der würde sagen, wo sind meine 25 Prozent an Deinen Auftritten, Alter? Ich weiß es wirklich nicht. Was würde Tony Wilson sagen, was würde Martin Hannet sagen, was würde Rob Gretton sagen? Wir werden es nie wissen. Aber wichtig ist, es mit den besten Absichten zu tun, und mit einem guten Gewissen. Wir haben unsere Konzerte am 18. und 19. Mai komplett zwei Wohltätigkeitsorganisationen gewidmet. Es ist schön, etwas Gutes zu tun, und dabei noch Spaß zu haben. Seitdem habe ich einfach aus Spaß an der Freude weitergemacht.

    Zayed: Ist die Zeit mit Joy Division eine Zeit, an die Sie gern zurückdenken? Es gibt so viele Leute, die dazu eine Meinung haben. Sie waren ja nun dabei. Finden Sie, dass diese Ära zu sehr glorifiziert wird?

    Hook: Es ging damals ums Erwachsenwerden. Wir gingen durch eine sehr intensive und wichtige Phase unseres Lebens. Wir waren Anfang 20 und wurden in die Punkbewegung hineingeworfen. Davor waren wir ganz normale Teenager, und das wollten wir nun mal nicht mehr sein. Man wurde ein Punk, nicht um sich musikalisch auszudrücken, sondern um sich überhaupt auszudrücken. Ganz allgemein. Musik war nur ein Nebenprodukt davon. Wir wussten nicht, ob wir gute Musiker waren oder nicht, und es war auch egal. Hauptsache, wir hatten Igelfrisuren und konnten alle Leute anspucken. Es ging um die Rebellion. Allerdings hatten Bernard und ich Glück, dass wir beide nebenbei auch noch gute Musiker waren, und dass wir Ian und Steve getroffen haben, die auch gute Musiker waren.

    Zayed: Als Sie Ian bei den Sex Pistols getroffen und ihn gefragt haben, ob er bei Ihrer Band mitmachen wolle, dachten Sie sich: Mann ist der arrogant, oder war es eher Sympathie auf den ersten Blick?

    Hook: Er war der einzige Sänger, den wir getroffen hatten. Er war irgendwie total abgerockt. Heruntergekommen und schüchtern. Er war nicht so wie Bernard und ich. Er war zerbrechlich und schüchtern, und wir waren einfach freche normale Teenager. Ich glaube, wir haben Ian manchmal ganz schön verunsichert. Aber wir hatten alle etwas gemeinsam: Wir dachten, wir Punks kämpfen gegen die Welt! Denn alle haben gegen die Punks gekämpft. Man hat versucht, die Sex Pistols und The Clash aufzuhalten! Wir waren in der Minderheit. Aber wir fanden es toll, in der Minderheit zu sein. Es war einfach cool. Und cool sein bedeutet viel, wenn man jung ist.

    Zayed: Sie sind ja schon umgeben von Ihrer Vergangenheit. Sie schreiben ein Buch über den legendären Hacienda Club, Sie touren mit Ihren alten Joy-Divison-Songs, möchten Sie nicht manchmal etwas ganz Neues machen ausprobieren, was nichts damit zu tun hat? Vielleicht minimalistische Elektro-Musik, die niemand vorher gemacht hat, die vielleicht auch keinen interessiert, aber wenigstens neu ist?

    Hook: Ich glaube, darum geht’s nicht. Ich glaube, am wichtigsten ist es, seinen eigenen Stil zu haben. Dann kann man immer etwas Neues machen! Immer! In den 90ern dachte ich, dass das ein Fehler sei, seinen eigenen Sound zu haben. Jetzt denke ich das nicht mehr. Ich war immer zutiefst traurig und verängstigt, wenn man zu mir gesagt hat, ich sei so wiedererkennbar. Jetzt finde ich, dass das mein Talent ist, und wenn ich etwas Neues mache, wird man mich trotzdem wiedererkennen. Ich weiß nicht, ob und wann ich etwas ganz anderes machen werde, aber zumindest habe ich jetzt das Selbstbewusstsein, meine eigenen Stärken zu erkennen und sie anzunehmen.

    Zayed: Was ist nun eigentlich mit New Order? Finden Sie es nicht bedauerlich, dass, während sich ihre alten Freunde von den Stone Roses wieder zusammengetan haben, New Order diesen Blödsinn veranstaltet? Sie hetzen gegen Bernard Sumner und Bernard Sumner gegen Sie?

    Hook: Ich dachte, als New Order verkündet haben, dass sie ohne mich touren, dass die Fans einfach nicht hingehen würden. Die mögen mich doch viel zu sehr, dachte ich. Und natürlich haben alle Tickets gekauft und die Konzerte waren sofort alle ausverkauft. Aber mittlerweile denke ich, wenigstens hören sie sich die alten New Order - Sachen an, auch wenn ich nicht dabei bin. Das ist besser, als wenn sie unsere Musik gar nicht mehr hören würden. Es hat mich sehr viel Zeit gekostet, das zu akzeptieren. Aber irgendwann kommt man dahin. Die Stone Roses haben das sehr freundschaftlich gemacht. Die haben sich irgendwann hingesetzt, und alle Streitigkeiten ausgeräumt, und haben jetzt wieder Spaß, zusammen spielen zu dürfen. Und sie haben sich aus den richtigen Gründen wieder zusammengetan und waren in der richtigen Stimmung. Bei New Order artet das in so eine Art Kindergartenkampf aus, den ich mittlerweile leider schon vor Gericht führen muss. Und das macht mich traurig.