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Die Nachkommastellen des Pi

Die Zahl Pi ist dafür bekannt, Bauchschmerzen zu verbreiten - zumindest bei Schülern, die der Mathematik weniger zugeneigt sind. Wenn man bedenkt, dass von Pi über 1,24 Billionen Kommastellen bekannt sind, kann man das sogar ein bisschen verstehen. Jetzt haben Mathematikfreunde aus Gießen im Mathematikum der Stadt einen Weltrekord aufgestellt, indem sie 108.000 Kommastellen der Wunderzahl verlasen.

Von Britta Mersch |
    Rund vierzig Kinder und Erwachsene schieben sich vor die Bühne im Hinterhof des Gießener Mathematikums, als Albrecht Beutelspacher am Freitag um Punkt achtzehn Uhr den Vorleseweltrekord der Zahl Pi eröffnet, die als 3,14 bekannt ist. Fünf Minuten hat der Mathematikprofessor Zeit, um die ersten 300 Zahlen nach dem Komma inklusive der Drei vor dem Komma vorzulesen. Eine Minute länger als vorgesehen braucht er dafür, doch Albrecht Beutelspacher, Leiter des Mathematikums und Organisator des Wettbewerbs, ist mit seiner Leistung zufrieden.

    " Es war sehr eindrücklich. Ich hab noch nie 300 Ziffern am Stück gelesen und das hat dann doch einen einnehmenden Rhythmus, der einen dann doch gefangen nimmt. Ich bin zufrieden mit der Zeit, ich hab dann doch etwas überzogen, aber der Präsident der Universität wird das wieder aufholen. "

    Stefan Hormuth, Präsident der Universität Gießen, liest die Ziffern 301 bis 600 der insgesamt 108.000 Nachkomma-Stellen von Pi, die bei diesem Weltrekordversuch vorgetragen werden. Und tatsächlich liest Stefan Hormuth mit mehr Tempo vor als Albrecht Beutelspacher. Er ist sogar so schnell, dass er schon eine Minute zu früh fertig ist und eine Pause macht, bei der er fast den Faden verliert. Am Ende seiner fünf Minuten ist Stefan Hormuth erleichtert, dass er die Aufgabe doch noch fehlerfrei gemeistert hat.

    " Es ist eine recht verantwortungsvolle Tätigkeit, denn die Befürchtung, wenn man etwas falsch macht, dann ist natürlich der ganze Rekordversucht dahin, deswegen muss man sich ziemlich konzentrieren. Es hat im Großen und Ganzen geklappt. Ich hab mich einmal verzählt, aber am Schluss habe ich versucht, in der Zeit zu bleiben und bin etwas langsamer geworden und dann habe ich plötzlich auf das Blatt geguckt und wusste nicht mehr, wo ich war. Aber Gott sei Dank, durch Zuruf aus dem Publikum wurde mir geholfen. "

    Über 300 Teilnehmer machen mit bei dem Versuch, die ersten 108.000 Nachkomma-Stellen von Pi vorzulesen. 30 Stunden lang, von Freitagabend bis Samstagnacht um vierundzwanzig Uhr, lesen die Weltrekordler ununterbrochen. Jeder Teilnehmer hat ein Blatt bekommen mit seiner eigenen Zahlenreihe von Pi, die aus je dreihundert Ziffern besteht. Koordiniert haben das die 18-jährigen Gießener Schülerinnen Lisa Grieb und Svenja Häuser.

    " Wir haben aber im vorhinein die Zettel per E-Mail verschickt, so dass die Leute nicht ganz unvorbereitet darauf zugehen können, sondern sie können es sich schon mal vorher angucken. Die sind auch in Viererblocks eingeteilt, damit das ein bisschen übersichtlicher wirkt und eigentlich sollen sie es sich nur angucken und einfach vorlesen. "

    Die Veranstaltung dient nicht allein dazu, einen neuen Weltrekord aufzustellen. Nebenbei gelingt es Albrecht Beutelspacher und seinem Team, auch das Interesse für das Fach Mathematik zu steigern, das auf der Beliebtheitsskala nicht immer ganz oben steht. Schüler, Erwachsene und Senioren erlernen beim Pi-Weltrekord und auch beim Rundgang durch das Mathematikum in Gießen, einem mathematischen Mitmach-Museum, einen spielerischen Umgang mit Zahlen. Die rund dreihundert Teilnehmer beim Pi-Weltrekord sprechen dafür, dass das Konzept aufgeht, sagt Albrecht Beutelspacher:

    " Die Zahl Pi ist einfach so attraktiv, so geheimnisvoll, dass es ganz automatisch ist, dass sich viele Leute dafür interessieren und natürlich ist das ein Rekord, der völlig nutzlos ist. Das ändert die Welt nicht zum Besseren, auch nicht zum Schlimmeren, aber es macht einfach unglaublich viel Spaß und ich hab das hier schon im Vorfeld gemerkt. Die Organisation des ganzen Ereignisses, die Anfragen, die wir von außen haben, die sich jetzt noch in den letzten Tagen enorm gesteigert haben, das scheint einfach etwas ganz Tolles zu sein. "

    Samstagnacht um vierundzwanzig Uhr ist es dann geschafft: Die Organisatorinnen Svenja Häuser und Lisa Grieb lesen die letzten sechshundert Ziffern vor. Ein neuer Weltrekord ist damit allemal erreicht. Ob dieser Rekord auch Chancen hat, ins Guinness Buch der Rekorde zu kommen, darüber entscheidet in den kommenden Wochen eine Kommission, die den Lesemarathon auswertet. Albrecht Beutelspacher rechnet sich aber gute Chancen aus, dass der Weltrekord ins Guinness Buch der Rekorde aufgenommen wird:

    " Der hat unbedingt Chancen. Also es gibt die längste Leberwurst der Welt, da können wir gut mithalten. "