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Die Nada und der Prozess gegen Stefan Schumacher

Die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) will mit dem geständigen Doper Stefan Schumacher zu Gesprächen zusammenkommen und feiert den Betrugsprozess gegen den Radprofi als Erfolg. Doch wie glaubwürdig ist ein aktiver Sportler, der jahrelang log und erst kurz vor seinem Prozess reden will?

Christian Bartlau | 07.04.2013
    Im Dopingfall Stefan Schumacher stehen möglicherweise neue Enthüllungen bevor. Der Radprofi hatte in einem Interview vor einer Woche die Einnahme von Dopingmitteln gestanden. Gleichzeitig hatte er angekündigt, er wolle sein Wissen um das Doping im Radsport teilen. Die Nationale Anti-Doping-Agentur NADA hat sofort reagiert. NADA-Vorstand Lars Mortsiefer:

    "Also wir haben direkt Kontakt aufgenommen über seinen Rechtsbeistand und hoffen, dass wir jetzt in Kürze auch zu Gesprächen zusammenkommen."

    Die Doping-Bekämpfer erhoffen sich Aufschluss darüber, wie vor fünf bis zehn Jahren gedopt wurde. Außerdem will die NADA wissen, ob und wie die seither ergriffenen Maßnahmen wirken- vor allem das Trainings-und Wettkampfkontrollsystem. Allerdings bleibt die Frage: Wie glaubwürdig kann ein aktiver Radprofi sein, der jahrelang Doping abgestritten hat - und erst jetzt reden will, kurz vor einem Gerichtsprozess? Lars Mortsiefer:

    "Sicherlich begrüßen wir, dass ein Athlet diesen Schritt geht, sich öffnet, auf der anderen Seite sehen wir natürlich auch die Begleitumstände jetzt im Vorfeld eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Deswegen werden wir uns sicherlich kritisch damit auseinandersetzen, aber: Wir werden das Gespräch suchen, wir wollen das Gespräch suchen, um einfach dort auch Erkenntnisse zu gewinnen, die uns weiterhelfen können."

    Die NADA selbst hatte das Verfahren mit einer Anzeige ins Rollen gebracht. Am Mittwoch beginnt der Prozess vor dem Landgericht Stuttgart. Dabei handelt es sich um einen Präzedenzfall: Zum ersten Mal steht in Deutschland ein überführter Doper vor Gericht. Angeklagt ist Schumacher wegen Betrugs. Er soll im Juni 2008 in Diensten von Team Gerolsteiner seinem Chef Michael Holczer die Einnahme von Dopingmitteln verschwiegen haben. Als Schumacher im Oktober 2008 positiv getestet wurde, kündigte Gerolsteiner den Vertrag – in den drei Monaten dazwischen hatte das Team seinem Star 150.000 Euro Gehalt überwiesen, und um genau die geht es jetzt.
    Die Doping-Beichte Schumachers so kurz vor dem Prozessbeginn lässt die Vermutung zu: Ohne Prozess hätte der Radprofi nicht ausgepackt. Die Anzeige gegen Schumacher: für die NADA rückblickend eine richtige Maßnahme.

    "Das ist ein Erfolg der Dopingbekämpfung, und sicherlich auch ein maßgeblicher Schritt für die NADA. Wir sehen, dass wir einen geständigen Dopingsünder haben, und wir sehen, dass jemand darlegt wie vor einer bestimmten Zeit Dopingmittel eingesetzt wurden, und ich glaube das ist ganz wichtig dass wir diese Erkenntnisse nutzen. Und deswegen ist es sicherlich auch ein Erfolg für die NADA."

    Ein wertloser Erfolg, meint Stefan Schumachers Anwalt Dieter Rössner. Überführte Doper würden durch die Sportgerichte ausreichend bestraft, sagte er vor einer Woche im Deutschlandfunk. Mit dem Strafrecht - hier konkret §263, also Betrug - könne Doping nicht bekämpft werden. Rössner weiter:

    "Die sportlichen Werte, die ich schützen will, Fairness, Chancengleichheit, die sind von diesem Paragraph 263 gar nicht erfasst und werden es auch in Zukunft nicht. Wenn ich davon ausgehe, dass wir ein marodes System haben, das auf dem Schweigen beruht, dann weiß jeder darum ohne es offen zu sagen, und dann kann man nicht am Ende einen des Betrugs bezichtigen und die anderen als die Ehrenmänner dastehen lassen."

    Stefan Schumacher verbüßte nach seinem positiven Doping-Befund eine Zwei-Jahres-Sperre. Seitdem fährt er für unterklassige Teams. Ein tiefer Fall für den letzten Deutschen im Gelben Trikot des Gesamtführenden der Tour de France.
    Außerdem verlor Schumacher vor einigen Wochen einen Zivilprozess gegen einen einstigen Sponsor, muss nun Schadensersatz zahlen. Genug Strafe also? NADA-Vorstand Mortsiefer wägt ab.

    "Ich glaube schon, dass das Sportrecht, der NADA-Code, ein effektives Werkzeug ist um den Dopingsünder zu bestrafen. Der Athlet wird zwei Jahre gesperrt, er verliert zwei Jahre die Grundlage seines Sports. Wir sehen selbst bei Armstrong, der darüber hinaus lebenslang gesperrt ist, der sagt das komme einer Todesstrafe gleich. Ich glaube also schon dass sportrechtliche Schritte greifen. Nichtsdestottrotz halte ich es für wichtig, dass auch staatliches Recht eingreifen muss, um systematisches Doping mit Ärzten, mit Hintermännern, zu sanktionieren."

    Deswegen komme dem Prozess große Bedeutung zu – egal, wie die Richter am Ende entscheiden.

    "Bei einer Verurteilung hätte man zum ersten Mal eine Einschätzung dass auch nach bestehenden strafrechtlichen Tatbeständen Doping als Straftatbestand – oder Sportbetrug in dem Sinne – sanktioniert werden kann. Auf der anderen Seite, sollte es zu keiner Verurteilung kommen, haben wir sicherlich auch weitere Erkenntnisse was gegebenenfalls geschärft werden muss um auch Doping mit staatlichen Gesetzen oder noch stärker zu sanktionieren."