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Die nächste Eiszeit kommt bestimmt - nur wann?

Klimaforschung. - Riß, Würm, Mindel und Günz, so hießen Eiszeiten, die unser Klima in den vergangenen 2,5 Millionen Jahren bestimmt haben. Die Warmphasen dazwischen waren meist kurz. Mit immerhin schon 11.000 Jahren hält hingegen die aktuelle Warmperiode, das Holozän, schon vergleichsweise lange an. Wie lange noch, das erörtern Klimaforscher derzeit auf einer Konferenz im Rahmen des Deutschen Klimaforschungsprogramms DEKLIM und des internationalen Paläoklima-Programms PAGES in Mainz.

Von Volker Mrasek | 09.03.2005
    Eigentlich, sollte man meinen, ist die nächste Eiszeit längst überfällig.

    " Die letzten Zwischeneiszeiten waren halt relativ kurz, so gut und gerne, Pi mal Daumen, 10.000 Jahre. Und das heißt, dann wäre unsere schon zu Ende, statistisch gesehen."

    Die Erde habe aber auch schon viel längere Wärmephasen erlebt, sagt Martin Claußen, der geschäftsführende Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. So etwa vor rund 400.000 Jahren:

    " Genau zu diesem Zeitpunkt gab es damals eine sehr lange Warmzeit, die ungefähr 30.000 Jahre gedauert hat."

    Dass sich der Meteorologe gerade diese Zwischeneiszeit herauspickt, hat seinen Grund. Denn wie andere Forscher auch glaubt Claußen, dass die jetzige Wärmephase am ehesten mit der vor 400.000 Jahren vergleichbar ist und dass die nächste Eiszeit deshalb noch Jahrtausende auf sich warten lassen dürfte.

    Tatsächlich gibt es auffällige Parallelen zwischen damals und heute. Sie haben zu tun mit der Strahlungsenergie, die die Erde von der Sonne empfängt. Ihr Betrag schwankt nämlich - genauso wie die Umlaufbahn unseres Planeten um die Sonne. Sie ist im Normalfall leicht elliptisch, ab und an aber auch fast kreisrund:

    " Wenn man sich das anschaut, wird man feststellen, dass die Einstrahlung die Eiszeiten anstößt. Und dann kommt es drauf an, wie jetzt die Einstrahlung verläuft. Da haben wir jetzt die interessante Situation, dass die Erdbahn um die Sonne fast kreisförmig wird. In 20.000 Jahren ist sie tatsächlich fast kreisförmig."

    Genau so sah der Orbit der Erde auch vor 400.000 Jahren aus.

    " Dann könnte es so sein, weil die Situation heute ähnlich ist, dass wir auch eine lange Warmzeit haben."

    Von einer solchen Entwicklung geht auch André Berger aus. Der Belgier gilt als weltweit führender Experte, wenn es um die Eiszeiten und ihren Strahlungsantrieb geht. Berger ist Professor für Klimatologie an der Katholischen Universität von Louvain und forscht schon seit drei Jahrzehnten auf diesem Gebiet:

    " Nach unseren Modellen kommt es erst in 50.000 Jahren zu einer Abkühlung. Dann dauert es weitere 25.000 Jahre, bis die Temperatur auf ein Minimum fällt und wir wirklich in eine Eiszeit eintreten. Sie wird ihren Höhepunkt ungefähr in 100.000 Jahren erreichen. Also, das liegt alles noch sehr weit in der Zukunft."

    Es handele sich zwar nur um ein grobes Computer-Rechenmodell. Die Abkühlung, das räumt Berger selbst ein, könne auch viel früher in Gang kommen, vielleicht schon in 30.000 Jahren. Doch auch das sei ja noch lange hin. Und wenn jemand behaupte, man könne die derzeitige Klimaerwärmung ruhig ignorieren, da die nächste Eiszeit ja unmittelbar vor der Tür stehe, dann sei das Unfug.

    " Schon heute ist die Umlaufbahn der Erde um die Sonne nur noch ganz schwach elliptisch. Bald wird sie wirklich nahezu kreisrund sein. Dann gibt es praktisch keinen sonnennächsten und keinen sonnenfernsten Punkt mehr in der Umlaufbahn, und die Einstrahlung wird gleich bleibend hoch sein. Deshalb bin ich absolut davon überzeugt, dass unsere jetzige Warmzeit außerordentlich lange andauern wird."

    Doch man muss auch sagen: Nicht alle Wissenschaftler teilen diese Meinung. Frank Sirocko etwa hält auch andere Entwicklungen für möglich. Der Geologe ist Professor an der Universität Mainz und Sprecher des Paläoklima-Verbundes im Deutschen Klimaforschungsprogramm:

    " Klima wird nicht nur von der Einstrahlung gemacht. Klima wird genauso von den Meeresströmungen gemacht, von der Vegetationsbedeckung, von der Trübung der Atmosphäre mit Staub, vom CO2 und ähnlichem."

    So könne eine Eiszeit auch durch starke Vulkanausbrüche eingeläutet werden, meint Sirocko. Denn die ausgeworfene Asche schirme die Sonnenstrahlung ab; auch dadurch kühle die Erde ab.

    Allerdings muss man fragen, wie realistisch ein solches Szenario ist? Denn es bräuchte schon eine Serie Dutzender Vulkanausbrüche binnen weniger Jahrzehnte, um die Temperaturen am Erdboden nachhaltig abzusenken. Und das klingt doch eher unwahrscheinlich.