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Die neue Bühne Senftenberg

Wenn ein ostdeutsches Theater die Theaterversion eines Olsenbanden-Filmes in den Spielplan nimmt, dann geht es mit offenen Armen auf sein Publikum zu. Denn das kennt jedes Wort und jede Geste der Figuren aus diesen Filmen mit den liebenswerten und stets mit ihren Sehnsüchten scheiternden Gaunern. Sie waren zu DDR-Zeiten Kult. Die Neue Bühne Senftenberg hat in den letzten Jahren gleich zwei Olsenbanden-Stücke gespielt, aber sie hat sich bei ihrem Publikum dabei weder mit nostalgischer Verharmlosung noch mit politischer Satire angebiedert. Das kleine Theater in Senftenberg nimmt auch die Unterhaltung ernst und präsentiert auf diese Weise ganz locker Theaterkunst. Hier steht "Nathan der Weise" neben dem "Weißen Rößl" im Spielplan, hier werden beide Teile des Faust ebenso gespielt wie die Antigone des Sophokles, Falladas "Kleiner Mann, was nun" steht neben Franz Wittenbrinks Liederstück "Sekretärinnen", Shakespeares "Macbeth" neben dem Kinderstück "Funkelhai", "Schneeweißchen und Rosenrot" neben den "Disco Pigs". Das ist kein beliebiges, buntes Potpourri-Programm, sondern ein dramaturgisch wie ästhetisch durchdachter Spielplan. In Senftenberg ist jede Inszenierung mindestens ansehbar, zumeist sogar ungemein sehenswert. Weil hier Theater mit Absichten und Ansichten für ein Publikum gemacht wird, das die Theatermacher kennen.

Ein Beitrag von Hartmut Krug |
    Die Neue Bühne Senftenberg hieß zu DDR-Zeiten Theater der Bergarbeiter Senftenberg. Als das Theater 1990 seinen Neubau unter dem neuen Namen eröffnen konnte, sah seine Zukunft düster aus. Denn mit dem hier seit einhundert Jahren betriebenen Braunkohlebergbau war es vorbei, und von den 1989 hier lebenden 31.000 Einwohnern sind bereits fast 5000 fortgezogen.

    Einst hatten sich in Senftenberg ganze Absolventenjahrgänge der Berliner Schauspielschule an Inszenierungen umstrittener zeitgenössischer Dramatik versucht. Auch Frank Castorf war hier Dramaturg und legte in Senftenberg seine erste Inszenierung vor.

    Doch als Heinz Klevenow 1990 zum Intendanten berufen wurde, war das Theater im brandenburgischen Senftenberg, das in der Niederlausitz nahe der Grenze zu Sachsen zwischen Cottbus und Dresden liegt, von der Abwicklung bedroht. 1993 musste die Musiktheatersparte abgewickelt werden, und der Intendant benannte seine Bühne zum "Kinder- und Jugendtheater" um. Mit diesem Trick konnte er die Bühne ideologisch bei den Politikern behaupten, und mit der Gründung eines Zweckverbandes Neue Bühne Senftenberg - Niederlausitzer Städtebund konnte er sie in der Region auch ökonomisch verankern:

    Mit nur zwanzig Schauspielern, die oft nach zwei, drei Jahren an größere Bühnen wechseln, wird hier ein beeindruckender Spielplan gemacht. Ästhetisch ist er von einem spielerischen Realismus bestimmt, bei dem gesellschaftliche Positionen und emotionale Haltungen nie plakativ ausgestellt, sondern immer kunstvoll auseinander entwickelt werden. In Senftenberg wird kein Feinschmecker-Theater gemacht, sondern ein Theater, das sein Publikum zugleich bedient wie fordert. Zum Beispiel auch mit Musicals und musikalischen Abenden, die von hohem musikalischen wie ästhetischem Niveau sind:

    Es ist beeindruckend, wie in Senftenberg mit geringen Mitteln wirklich gutes Theater gemacht wird. Selbst im Amphitheater, das am Senftenberger See neben einem Campingplatz gebaut wurde, zeigt das Theater nie Klamauk, sondern immer niveauvolle Unterhaltung. Wenn man hier eine Musicalversion von Shakespeares "Ein Sommernachtstraum" zu sehen bekommt, dann schwebt auch die mit Spiellust und Geschmack über allen Unterhaltungsniederungen. In Senftenberg weiß man noch, warum man Theater macht. Und so strahlt die Neue Bühne Senftenberg nicht nur in die brandenburgische Region, sondern bis nach Sachsen hinaus aus.

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