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Die neue Frankfurter Altstadt
"Fake-Ästhetik" im öffentlichen Raum?

Am 9.Mai fallen in der sogenannten neuen Frankfurter Altstadt die Bauzäune - eines der aktuell größten Rekonstruktionsprojekte Europas. Das "Dom-Römer-Projekt" sei Ausdruck eines konservativen Zeitgeistes, sagte der Architekturtheoretiker Philipp Oswalt im Dlf.

Philipp Oswalt im Gespräch mit Ludger Fittkau |
    Philipp Oswalt ist Professor für Architekturtheorie und Entwerfen an der Universität Kassel und war Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau
    Philipp Oswalt ist Professor für Architekturtheorie und Entwerfen an der Universität Kassel und war Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Für mehr als 200 Millionen Euro wurde ein Teil der mittelalterlichen Altstadt der Mainmetropole nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg nun wieder aufgebaut: auf dem Areal zwischen dem Frankfurter Rathaus "Römer" und dem Dom der Stadt - deswegen "Dom-Römer-Projekt" genannt. "Es ist einfach absurd, für so wenig Wohnung 200 Millionen Euro öffentliche Gelder auszugeben", so Philipp Oswalt. "Wir haben es ja mit einer Wohntypologie aus dem Mittelalter zu tun. Es geht gar nicht um die Frage, wie kann man da eine Stadt bauen, die heute gut brauchbar ist - es geht darum, ein Bild einer Stadt zu generieren." Es sei eben auch eine Touristenattraktion.
    Bewusstes Umgehen von Volksentscheiden
    Es gebe natürlich immer die Frage des Bewahrens, gerade in einer Stadt wie Frankfurt, die sich auch als eine Stadt der Globalisierung und der Moderne verstehe. Er sei auch nicht grundsätzlich gegen Rekonstruktion, es komme auf das "Wie" an. Die Rekonstruktion an der Westseite (*) des Römerbergs schätze er sehr, so Oswalt. Andere Städte wie Dresden oder Potsdam praktizierten das auch: "Das ist dem Zeitgeist geschuldet. Man tut immer so, als ob das Volkes Wille sei. In meiner Wahrnehmung ist das nicht so." Die Politik umgehe hier auch bewusst Volksentscheide, denn oft würden die wohl eher abgelehnt werden.
    "Da schreiben sich Perspektiven der Rechten ein"
    Man müsse sich immer fragen, was an dem Ort angemessen wäre. Und dabei dürfe es nicht nur um die Touristen gehen, die sich eine deutsche Stadt mit mittelalterlichem Kern vorstellen. Wenn die Motivation für eine historische Rekonstruktion wie in Frankfurt von jemandem wie Claus Wolfschlag komme, dann sei das "pikant", denn der sei ein "ursprünglich rechter Ideologe". Vielleicht gehe es hier auch um einen bestimmten Begriff von Heimat, den die Rechte propagiere, meint Oswalt, denn es gehe hier auch um die Rekonstruktion des ehemaligen Krönungsweges der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. "Da schreiben sich Perspektiven der Rechten ein."
    Die städtischen Bühnen sind in gleichem Maße repräsentativ
    Um welchen Heimatbegriff geht es also? Für ihn gehe es dabei zum Beispiel auch um die städtischen Bühnen, "ein sehr markantes Gebäude", das auch eine architektonische Idee im Nachkriegsdeutschland symbolisiere. Die Sanierung und der Erhalt dieses Ensembles werde aber permanent in Frage gestellt – und zwar von den gleichen Leuten, die dieses "Heile-Welt-Bild" der neuen Altstadt propagierten.
    (*) Anmerkung der Redaktion: In einer ursprünglichen Version wurde eine falsche Seite genannt. Die Audioversion enthält noch den Fehler.