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Die neue WADA-Verbotsliste für 2010

Die Weltantidoping-Agentur Wada hat dieser Tage ihre geänderte Verbotsliste für 2010 vorgelegt. Der Index der verbotenen Wirkstoffe und Methoden ist Bestandteil des Wada-Codes und enthält einige aufschlussreiche Neuerungen.

Von Grit Hartmann | 18.10.2009
    Einer der brisantesten Dopingfälle dieses Sommers, der von gleich fünf jamaikanischen Sprintern, liegt nicht mehr komplett im Dunkeln. Nach wie vor ungeklärt sind die Hintergründe. Es bleibt auch bei den milden Dreimonats-Sperren für die Athleten, unter ihnen zwei Trainingskollegen des Wundersprinters Usain Bolt. Dennoch darf der Fall nun als erster kollektiver Berührungspunkt der dominierenden Sprintnation mit dem Pharmabetrug gelten.

    Für diese Einordnung sorgte die Weltantidopingagentur Wada, und zwar mit der aktualisierten Liste der verbotenen Wirkstoffe und Methoden für 2010. In ihr findet sich explizit die Substanz Methylhexanamin - der Stoff, der im Urin der Jamaikaner auffiel. Wer sich künftig damit einen Adrenalinschub verpasst, wird für zwei Jahre gesperrt.

    Das alljährliche Update der Wada-Liste ging auch diesmal still über die Bühne. Was gut daran liegen kann, dass die Inventur mehr verrät, als manchem lieb ist - über die Relevanz aufgedeckter Dopingpraktiken und über Bedrohliches, das sich anbahnt.

    Methylhexanamin fällt in beide Kategorien: Zur Überraschung der Analytiker, sagt der Kölner Laborleiter Professor Wilhelm Schänzer, tauchte die Stimulanzie Anfang des Jahres massiv in Nahrungsergänzungspräparaten auf. Ein erstes Indiz dafür, dass auch die Hochleistungs-Branche ein Schlupfloch entdeckt hatte und für die Wada Warnung, ihre Verbots-Liste zu präzisieren.

    Ähnlichen Bedarf ermittelten die Dopingjäger für einige anabol wirkende Substanzen und für das Amphetamin Benflorex. Spektakulär ist vor allem letzteres, denn Benflorex verursacht schwerste Gesundheitsschäden und wurde fast weltweit vom Markt genommen. Dass es nun in die Beispielliste rückt, deutet auf größere Beliebtheit in der Szene. Offiziell erwischt wurde nur Marta Bastianelli, die italienische Straßenrad-Weltmeisterin von 2007.

    Eine weitere Neuerung für 2010 attestiert dem Elitesport ganz unverblümt Entschlossenheit zur Grauzone: Pseudoephedrin zählt wieder zu den Dopingsubstanzen. Der Wirkstoff, der in Erkältungsmitteln enthalten ist, war 2003 vom Index gestrichen worden und seither nur noch im Überwachungsprogramm der Analytiker. Das ergab indes Urinproben mit exzessiven Konzentrationen des Muntermachers - laut Wada "klare Beweise für Missbrauch".

    Bei dieser Mentalität kann verwundern, dass Athleten für das Asthmamittel Salbutamol ab Januar keine medizinische Ausnahmegenehmigung mehr benötigen. Der Gebrauch ist nur noch anzuzeigen und bis zu einem Grenzwert erlaubt. Kapituliert nun auch die Wada vor einer kuriosen Realität? In der ist der Spitzensport ja schon länger ein Reservat für Asthmakranke, die ihre Lungenkapazität nur medikamentös auf Normalmaß halten können.

    Dopingforscher Schänzer prophezeit größeren Diskussionsbedarf allein für die vielen neuen Wachstumsfaktoren in der Wada-Liste. Untersagt sind nicht nur Manipulationen, die Muskeln aufpumpen, Fasern umwandeln oder den zellulären Energieschub ankurbeln. Auf dem Index stehen ab 2010 auch Substanzen, die lokal auf Bänder oder Sehnen wirken und den Heilungsprozess nach Verletzungen beschleunigen sollen. Schänzer zweifelt, ob die ein Dopingproblem sind. Wenn er recht hat, dann würde die Liste von gesteigerter Nervosität der Betrugsbekämpfer künden. Die wiederum wäre Beleg für das, was in der Pipeline lauert.