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Die neue Zeitrechnung

Eine große Uhr über einem Hörsaal auf der ersten Seite der neuen Ausgabe der Hochschulzeitung der TU Darmstadt soll die neue Zeitrechnung symbolisieren: Seit 2005 ist das TUD-Gesetz in Kraft getreten, mit dem die TU Darmstadt in die Autonomie entlassen wurde: Professoren werden von der Uni selbst berufen und nicht mehr in ein Beamtenverhältnis, sondern als Angestellte. Die Uni darf Grundstücke selbst verkaufen und Fachbereiche eröffnen und schließen und vieles mehr - ab jetzt ohne auf grünes Licht aus dem Ministerium im Wiesbaden warten zu müssen.

Von Ludger Fittkau |
    Ich freue mich sehr darüber, dass wir über diese vielen Jahre des Kampfes um mehr Autonomie das jetzt endlich erreicht haben. Das ist im Grunde schon eine Sensation, dass das so weit gekommen ist.

    Karsten Wilke, Vizekanzler der TU Darmstadt, kann es manchmal noch nicht so richtig fassen, dass die Darmstädter Hochschulautonomie nun seit Jahresbeginn in Kraft getreten ist. Nach einstimmigem Beschluss des hessischen Landtags hat die Darmstädter Hochschule nun seit 1. Januar Kompetenzen, die keine andere deutsche Hochschule hat. Sie kann beispielsweise bis zur Summe von fünf Millionen Euro selbstständig Gebäude kaufen und verkaufen, ohne das dies von der Landesregierung abgesegnet werden muss. Theoretisch könnte sich die Hochschule sogar am umstrittenen "Cross-Border-Leasing" beteiligen. Das heißt, einige der über hundert Uni-Gebäude an amerikanische Investoren verkaufen, um sie dann zurückzumieten. Vizekanzler Karsten Wilke:

    Sie müssen sich ja überlegen, dass es auch Kommunen und andere Einrichtungen gegeben hat, die hier schon Straßenbahnen und Schienen und Straßen und ich weiß nicht was verkauft haben und sie dann zurückgemietet haben. Ich weiß nicht, ob das so glückliche Modelle sind.

    Während die TU Darmstadt die neue Freiheit also wohl nicht für windige transatlantische Geschäfte nutzen wird, soll die Finanzautonomie jedoch sehr schnell dazu dienen, sich an Firmengründungen zu beteiligen. Das durfte die Hochschule bisher mit öffentlichen Mitteln nicht. Seit dem 1.1.2005 ist das anders, freut sich Uni-Vizepräsident Reiner Anderl:

    Ich denke, da bietet uns das TU-Gesetz eine große Chance, die wir vorher nicht hatten, und zwar dergestalt, dass wir quasi ab diesem Jahr in der Lage sind, uns selbst an Firmengründungen, beispielsweise, zu beteiligen. An Spin-offs zu beteiligen und darüber können wir eine Chance eröffnen, um zusätzliche Einnahmen zu generieren, die auch sicherlich nicht gleich im nächsten oder übernächsten Jahr fließen werden, aber über die Zeit gerechnet doch durchaus eine große Chance für uns eröffnen wird.

    Doch die neue Autonomie weckt auch Ängste, Statusängste nämlich. Dass neu berufene Hochschullehrer an der Darmstädter TU nach dem 1.1.2005 nicht mehr Beamte werden können, sondern einen Angestelltenvertrag bekommen, hat kurz vor dem Jahreswechsel noch zu einem "Run" auf die letzten Beamtenjobs geführt, berichtet Karsten Wilke. Der Beamtenstatus besitzt offenbar immer noch ein hohen Symbolwert, stellt der Darmstädter Vizekanzler fest.

    Und da war eine gewisse Sorge, eine gewisse Angst zu spüren. Das heißt, wir haben einen ziemlichen Druck erlebt, alles noch schnell vor Weihnachten durchführen zu wollen und zu sollen. Das war schon heftig. Aber nun ist der 1. Januar und nun ist es so weit und die Nächsten werden angestellt.

    Im Darmstädter Fachbereich Maschinenbau, der regelmäßig in den Hochschulrankings bundesweit Spitzenplätze belegt, hat man keine Sorge, dass die in der Regel gut dotierten Angestelltenverträge hochkarätige Wissenschaftler wirklich von einer Bewerbung an der TU abhalten werden. Die Autonomie gibt dem Fachbereich die Möglichkeit, noch stärker als bisher Schwerpunkte in Forschung und Lehre zu fördern, so Maschinenbau-Dekan Rainer Nordmann:

    Für uns bringt das noch eine ganze Reihe von großen Chancen. Wir können in Zukunft unsere Mittel entsprechend verteilen, wie es leistungsbezogen am sinnvollsten ist, wir haben ja mehrere Fachgebiete an einem Fachbereich. Wir werden in Zukunft sehen, dass wir die leistungsstarken Fachgebiete fördern werden, im Rahmen der Autonomie und unsere Mittel, die wir zugewiesen bekommen, entsprechend auch für die Forschungsförderung, für Geräte, Re-Investitionen und so weiter einsetzen werden. Wir haben viel mehr Spielraum als vorher.

    Die Darmstädter Hochschul-Autonomie wird Schule machen -- da ist sich Vizepräsident Reiner Anderl schon wenige Tage nach ihrer Einführung sicher:

    Ich bin sehr stark davon überzeugt, dass andere Universitäten in anderen Bundesländern dieses Modell genau umsetzen werden wie wir hier in Darmstadt auch. Denn die Vorteile, die in der Eigenverantwortung liegen, die sind einfach so groß, das man sie als Chance begreifen muss, und diese Chance natürlich auch umsetzen muss.