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Die Niederlande im Rembrandtrausch

Österreich feiert in diesem Jahr Mozart und die Niederländer? Rembrandt! Am 15 Juli 1606 wurde er als neuntes von zehn Kindern geboren. Sein Vater Müller, seine Mutter Bäckerstochter und was aus ihm wurde ist bekannt: Der wichtigste niederländische Maler des 17. Jahrhunderts. Seine Werke: Gemälde, Radierungen und Zeichnungen fallen in eine Periode, in der die holländische Kultur, Wissenschaft und der Handel ihren Höhepunkt erreichten. Es war das holländische goldenen Zeitalter. Und auch heute will man Rembrandts Kunst im Angesicht des Jubiläums vergolden. Kerstin Schweighöfer berichtet:

    Ein malerisches Backsteinhaus im Grachtengürtel der alten Universitätsstadt Leiden: An den Wänden hängen Poster mit Rembrandtgemälden, in den Regalen liegen Rembrandtbücher und -Kataloge. Auch Rembrandt-Notizbücher, - Briefpapier und Kugelschreiber fehlen nicht. Hinterm Schalter stehen die beiden Kunstgeschichtsstudentinnen Esther und Marleen: Sie weisen Besuchern aus aller Welt in diesem Rembrandt-Informationszentrum den Weg:

    Das Rembrandtjahr sei eine einzigartige Chance für Leiden, aus dem Schatten Amsterdams herauszutreten, sagt Esther. Immerhin sei Leiden die Geburtsstadt des alten Meisters, der zu den ganz Grossen der europäischen Kunstgeschichte gehöre.

    Im Rembrandt-Informationszentrum erfahren Besucher alles, was Leiden im Jubiläumsjahr an Manifestationen, Festivals und Ausstellungen zu bieten hat. Und hier beginnen auch die Rembrandtspaziergänge:

    Am Stadtplan von Leiden habe sich seit dem 17. Jahrhundert kaum etwas geändert, erklärt der Organisator dieser Spaziergänge Bart in het Veld. Man könne noch heute sehen, was Rembrandt damals sah. Und sich mit etwas Fantasie vorstellen, wie er als Kind die Grachten entlang zur Schule lief oder mit seinem Freund Jan Lievens spielte.

    Das Geburtshaus von Rembrandt wurde vor 100 Jahren zwar respektlos abgerissen - was ganz Leiden heute zutiefst bedauert. Nur eine schlichte Gedenktafel erinnert noch daran, dass hier am 15. Juli 1606 die nationale Ikone der Niederlande geboren wurde.

    Die Lateinische Schule hingegen, wo Rembrandt Lesen und Schreiben lernte, steht noch. Ebenfalls besichtigt werden können die Pieterskirche mit dem Grab von Rembrandts Eltern und das alte Universitätsgebäude, wo der Maler zwei Semester studierte, bevor er mit 25 Jahren nach Amsterdam umzog. Auch das Haus seines ersten Lehrers Isaak Swanenburg an der Lange Brug ist erhalten geblieben: Bei ihm griff Rembrandt erstmals zum Pinsel und lernte sein Fach. Jan van Goyen, Jan Steen und auch Feinmaler Gerrit Dou wohnten gleich um die Ecke. Denn Leiden war damals ein blühendes kulturelles Zentrum - und aufgrund seines Tuchgewerbes auch das zweitgrößte Wirtschaftszentrum von Westeuropa, gleich nach der französischen Stadt Lyon.

    Selbstverständlich hat sich der Kommerz längst auf das Rembrandtjahr eingestellt: Restaurants bieten Rembrandt-Menus und Rembrandt-Broodjes an. Selbst eine Rembrandt-Anziehpuppe zum Ausschneiden wurde auf den Markt gebracht. Es gibt Rembrandt-Kühlschrankmagneten, Rembrandt-Wein, Rembrandtkekse und Rembrandtpralinen.

    Zum Beispiel im Rembrandt-Geschenkladen in der Pieters-Chor-Gasse: Hier gibt’s auch den Rembrandtregenschirm - einfach aufspannen, und schon kann man sich unter der Nachtwache wohlfühlen.

    Auch Amsterdam wartet mit Rembrandt-Souvenirs auf, Ausstellungen, Spaziergängen und einem Rembrandtfilm vom britischen Regisseur Peter Greenaway. Und damit nicht genug: Schon bald kann man einen Rembrandttag sowohl in Leiden als auch in Amsterdam gebührend abschließen mit einem Rembrandt-Musical.

    Drehbuchautor in Leiden ist niemand Geringeres als Professor Ernst van de Wetering - einer der renommiertester Rembrandtexperten weltweit und Leiter vom Rembrandt-Research Projekt, das in den letzten Jahrzehnten immer wieder mit spektakulären Zu- und Abschreibungen in die Schlagzeilen geraten ist. In seinem Musical will van de Wetering zeigen, wie Rembrandt in Leiden das Licht entdeckte und ein Genie geboren wurde: Kaum jemand wisse, dass das Fundament seines Ruhms in Leiden gelegt worden sei:

    Dass ihm Amsterdam mit einem zweiten Musical Konkurrenz macht, lässt den Professor kalt: Dort gehe es ganz populistisch um Rembrandts Frauen - und an solchen Unsinn würde er nie seine Zeit verschwenden. Ausschlaggebend für die Bedeutung eines Künstler sei seine Kunst - und sonst nichts. Mit Sicherheit nicht seine Frauen.