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Die Oase trocknet aus

Nach fast 15 Jahren Unterklassigkeit darf Fortuna Düsseldorf auf eine Rückkehr in die Fußballbundesliga hoffen. Doch die Sportvielfalt in der Stadt scheint unter dieser Entwicklung zu leiden.

Von Daniel Theweleit |
    Es ist derzeit ein recht besonderes Erlebnis, ein Heimspiel von Fortuna Düsseldorf zu besuchen. Zwar spielt der Zweitligist wie Schalke, Köln oder Leverkusen in einer High-Tech-Arena. Doch in Düsseldorf fühlt sich der Fußball noch ein bisschen ursprünglicher an, als an den etablierten Bundesligastandorten. Die große Tradition ergibt in Verbindung mit dem Zauber des Neuen eine unwiderstehliche Mixtur. Über 30.000 Menschen kommen im Schnitt zu jedem Heimspiel. Leute, von denen viele zum Eishockey gegangen sind, als die Fortuna fast ein Jahrzehnt im Amateurfußball herumdümpelte. Oder zum Handball. Oder zum Basketball. Nordrhein-Westfalens Landeshauptstadt war eine fußballfreie Oase für kleinere Sportarten. So spielte die Düsseldorfer EG regelmäßig um den deutschen Meistertitel im Eishockey mit. Borussia Düsseldorf war lange der beste Tischtennisklub Europas. Ein Handball-Bundesligist, ein renommiertes Tennisturnier und sogar ein Langlauf-Weltcup hatten auch noch Platz in dieser 560.000-Einwohner-Stadt. Doch diese Zeit scheint mit dem Aufblühen der Fortuna zu Ende zu gehen. Elmar Schmellenkamp, der Geschäftsführer des Eishockeyklubs, spürt die neue Konkurrenz.

    "Bei den Zuschauern muss man sicherlich auch sehen, dass der Zuschauerschwund, der viele differenzierte Ursachen hat, ein Stückchen mitbewirkt werden kann, durch die Freude daran, dass auf der anderen Seite ein Hype entstanden ist."

    Mit der anderen Seite meint er die Fortuna. Nachdem der Hauptsponsor seinen Rückzug angekündigt hat, ist noch nicht einmal gewiss, dass die DEG auch im kommenden Jahr in der obersten Spielklasse spielen kann. Die Handball-Sport-Gemeinschaft Düsseldorf hat gerade Insolvenz angemeldet. Dem Tennis-World-Team-Cup drohte nach dem Ende eines Sponsorenvertrages lange das Aus. Die Zukunft des Langlauf-Events ist offen.Und die Basketballer sind schon vor eineinhalb Jahren in die zweite Liga abgestiegen.

    "Es ist natürlich toll, hier zu sehen, wenn es dem Fußball gelingt, hier bei uns einem alteingesessenen von vielen geliebten, weit über die Grenzen von Düsseldorf bekannten Klub, wenn es ihm gelingt, wieder an seine alte Geschichte und jetzt hier so hochzufahren im allgemeinen Hype von Fußball. Wir wünschen ihm sehr, dass es ihm gelingt in die nächste Liga durchzukommen. Das stellt die Oase noch ein bisschen mehr in den Schatten."

    Die Oase für kleine Sportarten, die von dem 2008 verstorbenen Ex-Bürgermeister Joachim Erwin geschaffen wurde, gibt es so nicht mehr Die Hauptursache für die Probleme des Eishockeyklubs, der Handballer oder der Basketballer sei aber keineswegs die Fortuna, versichern die Funktionäre aller Klubs. Jeder erzählt seine eigene Geschichte, geklagt wird über die Fokussierung der Medien auf den Fußball. Und über zögerliche Sponsoren, wie Frank Flatten, der Geschäftsführer des insolventen Handballvereins erzählt.

    "Wir haben eher ein generelles Düsseldorf-Problem, das aber seit Jahren unverändert. Dass nämlich viele Firmen in Düsseldorf den Profisport in Düsseldorf nicht so unterstützen, wie man ihn unterstützten könnte."

    Obwohl es in der Stadt zahllose florierende Unternehmen gibt, mussten die "Die Toten Hosen", einst die Fußballer vor der Pleite retten. Im Januar haben die Düsseldorfer Musiker um Sänger Campino eine Initiative gestartet, um den endgültigen Absturz der DEG zu verhindern. Doch dieses Projekt, eine große anonyme Spende und 450.000 Euro aus den Töpfen der Kommune reichen nicht aus. Die Hoffnungen liegen auf der Stadt, die die DEG als Mieter für ihre Multifunktionshalle braucht.

    "Ich will mal so formulieren, dass die Stadt Düsseldorf in den letzten Jahren immens viel in der Infrastruktur entwickelt hat. Die haben da Millionen ausgegeben um überhaupt eine solche Infrastruktur für den Sport zu schaffen. Und auch die Sportagentur, die die Vereine betreut und unterstützt hat, ist natürlich richtig gut gewesen, da beneiden uns viele Städte drum."

    Unter der Ägide von Joachim Erwin wurden ein imposantes Fußballstadion, eine moderne Eishockeyhalle und das Castello für die Basketballer errichtet. Mietzahlungen blieben moderat oder wurden gestundet. Über Sponsoringverträge der Stadtwerke flossen weitere öffentliche Gelder in den Sport. Auch der Erfolg der Fußballer wäre kaum denkbar ohne die Sportbegeisterung des ehemaligen Oberbürgermeisters. Vielleicht haben sich einige Vereine zu sicher gefühlt in dieser Komfortzone. Und jetzt, wo die allgegenwärtige Dominanz des Fußballs auch Düsseldorf erreicht hat, wird es eben immer schwerer für die kleineren Sportarten. Elmar Schmellenkamp:

    "Ich bin schon fassungslos gewesen, welche mediale Breite die Fortuna bekam, als sie in der vierten Liga spielte, während wir auf den vorderen Rängen um die Meisterschaft mitspielten. Also wenn ich ein Sponsor wäre, und die Reichweite der DEG mit der eines Fußballvereins vergleiche, dann wüsste ich sehr schnell, wo ich eigentlich mein Geld hingebe. Das liegt daran, dass Fußball eine ganz andere Breitenwirkung, eine ganz andere Attraktivität bietet."

    Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass einige der besten Klubs aus den obersten Handball- Basketball- und Eishockeyligen an profifußballfreien Standorten wie Kiel, Iserlohn, Bamberg oder Krefeld betrieben werden. Düsseldorf gehört nun endgültig nicht mehr in diese Reihe.