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Die Opposition bleibt in Hamburg blass

Olaf Scholz, der mittlerweile nicht mehr ganz so neu gewählte Bürgermeister von Hamburg regiert durch. Kita-Gebühren werden runter gefahren. Abgehakt. Die Studiengebühren werden abgeschafft. Aufgabe erfüllt. Was bleibt in Zeiten dieser Alleinherrschaft eigentlich noch übrig für die Opposition?

Von Verena Herb |
    Katja Suding macht in Charity – und das am Hinterteil eines Pferdes. Die Fraktionsvorsitzende der FDP in der Hamburger Bürgerschaft sitzt für den guten Zweck im Sulky beim Grand Prix Promi-Rennen am vergangenen Wochenende auf der Pferdetrabrennbahn in Bahrenfeld. Ihre pferde- und medienbegeisterten Mitreiterinnen: die groß gewachsene blonde TV-Moderatorin Sonya Krauss etwa oder Dana Schweiger, Ex-Model und Ex-Frau von Schauspieler Til Schweiger. Berühmt-berüchtigte Vertreterinnen der deutschen C-Prominenz. Und mittendrin: die Liberale Katja Suding. Nicht selten lächelt die 35-Jährige von den Fotos in den Personality Spalten der Lokalpresse. Auch eine Art Politik zu machen, mag sie sich denken. Zurzeit allerdings auch die einzige Art, wie sie Politik macht – mögen sich andere denken. Politisch fällt die FDP- Frontfrau nämlich nicht auf. Ebenso wenig ihre Fraktionskollegen. Dabei müssten die Liberalen doch alle Kraft gesammelt haben in den letzten sieben Jahren als außerparlamentarische Opposition. Doch vergessen ist die Vergangenheit – genossen wird die Zukunft.

    Sie hat es aber auch nicht leicht, die FDP. Genauso wenig wie die anderen drei Oppositionsparteien in der Hansestadt. Bürgermeister Olaf Scholz in seiner SPD-Alleinherrschaft regiert einfach durch. Schließlich lautet die Devise von Olaf Scholz:

    "Was wir versprechen, das halten wir auch."

    Zentrale Wahlversprechen waren: Die Kita-Gebühren werden runter gefahren. Abgehakt. Die Studiengebühren werden abgeschafft. Aufgabe erfüllt. Kürzlich hat der SPD-Senat mit den Bezirken und der Wohnungswirtschaft zudem den "Vertrag für Hamburg" geschlossen, ein Bündnis für das Wohnen in der Hansestadt. Damit sind erstmals alle wichtigen Akteure auf das gemeinsame Ziel eingeschworen, in Hamburg jährlich 6000 neue bezahlbare Wohnungen zu bauen. Nächstes Wahlkampfthema erledigt.

    "Er hat einige seiner Wahlversprechen eingelöst – er verrät aber noch nicht, wie er diese auch finanzieren möchte."

    Sagt die FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding. Ähnlich verhalten die Beurteilung ihres CDU-Kollegen, Dietrich Wersich:

    "Also, der Senat bemüht sich. Unzweifelhaft. Merkt aber wie schwer das Regieren ist..."

    Und Dietrich Wersich weiß, wovon er redet. Der CDU-Fraktionschef war bis Anfang dieses Jahres Sozialsenator. Bis die Grünen das Koalitionsbündnis aufkündigten und so den Weg freimachten für die Machtübernahme der Sozialdemokraten. Seitdem stecken beide Ex-Koalitionäre in einer Sinnkrise. CDU wie Grüne versuchen zu ergründen, was falsch gelaufen ist und vor allem: wie sie sich jetzt inhaltlich neu aufstellen sollen. Ganz schön schwierig. Denn entweder sind die Themen vom Tisch– so wie die Schulpolitik – oder die SPD war früher da und hat sie sich zu eigen gemacht. Hinzu kommen noch handfeste innerparteiliche Streitigkeiten… Jens Kerstan, Fraktionsvorsitzender der Grünen:

    "Wir haben da einen Aufarbeitungsprozess. Der jetzt nächste Woche auf dem Parteitag abgeschlossen wird. Und wie das bei Grünen so ist: Das wird nicht ohne Streit und ohne inhaltliches Ringen um wichtige Positionen abgehen."

    Eine solche Diskussionskultur ist bei den Christdemokraten in der Hansestadt nicht üblich. Das müssen sie erst lernen. Zumindest will der neue CDU-Landeschef, der Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg, es ihnen beibringen. Damit die CDU zu seiner Wunschpartei wird:

    "Eine lebendige Partei, eine Partei in der Bewegung ist…"

    Nach dem Rückzug von Ole von Beust muss sie sich bewegen. Weinberg hat klare Ziele:

    "Sicherlich übergeordnet und zentral ist die Entwicklung der Kampagnenfähigkeit und der Funktionsfähigkeit der Partei. Wir müssen präsent sein in der Stadt, nicht nur als Opposition. Sondern auch und mehr noch als Alternative zum SPD-Senat."

    Das scheint noch ein langer Weg zu sein – denn schon an der allgemeinen Präsenz als Opposition, da hapert es derzeit noch.

    Der SPD kann es nur recht sein. Niemand der aufmuckt, niemand der so richtig Paroli bietet. Klar – die Fraktionen bombardieren den Senat mit großen und kleinen schriftlichen Anfragen, die auch innerhalb der Frist schriftlich beantwortet werden müssen. Aber ansonsten erlebt Hamburg politisch gesehen einen "Triumph der Langeweile", wie die Süddeutsche Zeitung titelte. Kultursenatorin Barbara Kisseler hat dafür eine einfache Erklärung. Fragt man sie nach der Bedeutung der Opposition in der Hansestadt, lächelt sie und fragt zurück: welche Opposition?

    "Ich glaube, für die amtierende Opposition, wenn ich das mal so sagen darf, ist das eine lange nicht mehr erlebte Erfahrung, sich in dieser Rolle wieder zu finden. Und das macht dann natürlich auch etwas aus für die alltägliche Arbeit."

    Das hatte Olaf Scholz auch schon bei seiner 100-Tage Bilanz im Juni erkannt, als er norddeutsch nüchtern feststellte: Erst einmal freue er sich, dass es die Opposition gibt. Und er freue sich auch, dass sie die Opposition ist.