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Die Ost-Erweiterung der EU

Fast alle Länder Osteuropas wollen Mitglied der Europäischen Union werden - auch wenn dies für viele Branchen mit erheblichen Umstellungsproblemen verbunden ist. Die Schwierigkeiten häufen sich zum Beispiel in der Landwirtschaft und sie drücken beide Seiten: Nicht wettbewerbsfähige Kleinbetriebe zum Beispiel in Polen haben Angst vor der internationalen Konkurrenz, bei den langjährigen EU-Mitgliedern dominiert auf der anderen Seite die Befürchtung, noch mehr Geld für die Landwirtschaft ausgeben zu müssen. Lösungen hierfür standen im Mittelpunkt eines Agrar-Seminars in Husum

von Annette Eversberg |
    Auch beim Thema Osterweiterung konnte sich in Husum niemand der Aktualität entziehen. Daher erhielt die Frage der Qualitätsstandards der EU, denen sich die Beitrittsländer wie Tschechien, Polen, Estland oder Litauen unterwerfen sollen, eine besondere Bedeutung. Zumal einer der Teilnehmer der Tagung aus seiner Beratertätigkeit in Estland und Lettland berichten konnte, dass dort Tiermehl aus Europa verfüttert wird. Die schleswig-holsteinische Ministerin für ländliche Räume, Ingrid Franzen, verwies in diesem Zusammenhang auf ein Treffen der deutschen Verbraucherminister in Bremen.

    "Wir haben also ganz klar gesagt, wenn ich BSE noch mal als Norm nehme, dass wir bei unseren Beitrittsländern gleiche Standards erwarten. Das kann nicht sein, dass durch Beitrittsländer nun wieder das Alte, was wir gerade für uns gesagt haben, das möchten wir nicht mehr auf dem Teller haben, wieder neu hereinkommt. Und man muß auch weltweit fordern, ich denke Europa muß auch selbstbewusst sein zu sagen, was wir als europäischen Standard innerhalb Europas haben, das verlangen wir auch von den Drittländer, die bei uns importieren."

    Die Auffassungen, welches agrarwirtschaftliche Potential die verschiedenen Beitrittsländer mitbringen, wurden von einigen Teilnehmern des Husumer Agrarseminars allerdings noch skeptisch beurteilt. In Westeuropa herrscht die Vorstellung von den unendlichen Weiten der landwirtschaftlichen Nutzflächen. Auch die Anzahl der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, die in Europa bei 5 Prozent liegt, erreicht je nach Beitrittsland 20 bis 38 Prozent. Diese Strukturen gilt es erst einmal zu verändern. Denn es geht nicht nur um den Beitritt zur europäischen Union, sondern auch um die anstehenden WTO-Verhandlungen. Und Reimer Böge, Abgeordneter der CDU im Europaparlament, sieht da bei der Osterweiterung vor allem Kosten auf die EU zukommen.

    "Ein Problem bereitet nach meiner Ansicht Kopfschmerzen, nämlich, dass die Beitrittsländer in der Welthandelsrunde niedrige oder gar keine Zölle gebunden haben und im Hinblick auf Stützungsmechanismen sie so gut wie keine Gelder gebunden haben, so dass, wenn sie in den Binnenmarkt hineinkommen, wir möglicherweise mit dem vorhandenen Agrarhaushalt nicht mehr 15, sondern 20 oder 25 Mitgliedsstaaten bedienen müssten, das könnte zu Schwierigkeiten führen."

    Nicht nur die direkten Einkommensbeihilfen sind strittig. Auch die Milchquote sei fraglich erläuterte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Dr. Gerald Thalheim.

    "Bei der Milchquote wird das Problem sein, erst mal in der Union zu klären, brauchen wir die Milchquote weiter, können wir überhaupt bei der nächsten Welthandelsrunde die Milchquote so bestehen lassen, und zum anderen in den Erweiterungsländern, lässt sich die Quote überhaupt kontrollieren. Das müssen die Überlegungen sein. Und es spricht eher gegen eine Verlängerung bzw. gegen eine Einführung der Milchquote in Osteuropa."

    Aus der Sicht der Beitragsländer selber sieht Vieles allerdings ganz anders aus. Die Erweiterung bedeutet eine Vergrößerung des Absatzmarktes für die Union. Etwa 100 Millionen Verbraucher kommen dazu. Und am Beispiel Polens kann man sehen, dass es bei einigen Produkten bereits gewaltige Steigerungen gegeben hat. Der Absatz von Joghurt stieg um das 10fache. Der Absatz von Obstsäften um das Fünffache. Aber, die Befürchtung, dass Polen oder Estland und Lettland künftig in der Lage sein könnten, aufgrund des großen Flächenangebots die EU mit preiswerten Ökoprodukten zu überschwemmen, hält Dr. Wladyslaw Piskorz, Agrarattaché der polnischen EU-Vertretung in Brüssel, für unbegründet:

    "Die Erfahrungen von anderen Ländern wie Österreich haben gezeigt, man kann das aufbauen, wenn man interne Nachfrage hat, wenn man hat Konsumenten, die bereit sind, viel mehr für die Produkte zu bezahlen. Zur Zeit sind die polnischen Konsumenten noch arm. Und die schauen zuerst auf die Preise. Vielleicht das wird sich wechseln. Das Potential ist da, aber wir müssen das realistisch bewerten."