Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Die Papst-Enzyklika und Argentinien
Wo Umweltschutz keine Priorität hat

Die neue Enzyklika des Papstes ist noch nicht offiziell veröffentlicht, ihr Inhalt wird dennoch bereits diskutiert. Denn noch nie zuvor waren Umweltzerstörung und Klimaschutz ausschließlich Inhalt eines päpstlichen Rundschreibens. In Franziskus' Heimat Argentinien schöpfen Umweltschützer Hoffnung.

Von Victoria Eglau | 17.06.2015
    Papst Franziskus während einer Sondermesse für armenische Katholiken in der Basilika des Petersdomes
    Papst Franziskus während einer Sondermesse für armenische Katholiken in der Basilika des Petersdomes (picture alliance / dpa / EPA / GIORGIO ONORATI)
    "Ich bin nicht katholisch, ich bin überhaupt nicht religiös, aber die Papst-Enzyklika zur Umwelt macht mir Mut. Ich glaube, sie wird ein sehr wichtiger Beitrag zur internationalen Debatte sein - in einem Moment, in dem die Bestrebungen, Umwelt und Klima zu schützen, schwächeln", sagt Andrés Napoli, Direktor der Naturschutz-Stiftung FARN in Buenos Aires.
    Napoli erwartet nicht nur einen positiven Impuls für die globale Umwelt- und Klimaschutz-Politik, sondern auch einen wichtigen Anstoß zu einem Bewusstseinswandel in Franziskus' Heimat. In Argentinien existieren zahlreiche und gravierende ökologische Probleme, aber der Umweltschutz hat weder für Bürger noch für Politiker Priorität.
    "In Meinungsumfragen gehört der Schutz der Umwelt zu den Themen, die die Argentinier am wenigsten interessieren. Deshalb räumen auch die Politiker ökologischen Fragen keine Priorität ein. Wir als Naturschutz-Stiftung sind der Meinung, dass Argentinien eine nachhaltige Umweltpolitik dringend braucht."
    Kollateralschäden der intensiven Rohstoffausbeutung
    Zwar findet eine gesellschaftliche Debatte zu ökologischen Themen kaum statt, aber an vielen Orten Argentiniens wehren sich Menschen gegen die Kollateralschäden der intensiven Rohstoffausbeutung. Etwa klagen Anwohner von Gensoja-Plantagen gegen den massiven Einsatz des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat, weil es ihre Gesundheit beeinträchtigt. Oder Landbewohner leisten Widerstand gegen Goldminen oder Ölförderanlagen, um ihr Trinkwasser zu schützen. Rund 40 Jahren ungelöste Umweltkonflikte gibt es in Argentinien.
    "Die Volkswirtschaften Lateinamerikas haben sich in den letzten Jahren zunehmend auf die Rohstoffausbeutung gestützt. Der Mega-Bergbau greift tief in die Umwelt ein, ebenso wie die agro-industrielle Produktion von Gen-Saaten, wegen der in großem Stil Wälder abgeholzt wurden. Was fehlt, ist eine Politik, die diese negativen Auswirkungen des Wirtschaftsmodells begrenzt", beklagt Andrés Napoli von der Umwelt-Stiftung Farn.
    Dass die Enzyklika des Papstes offenbar ökologische und soziale Fragen verbindet, hält der argentinische Naturschützer für besonders begrüßenswert.
    "In Lateinamerika leiden unter der Umweltzerstörung vor allem die einkommensschwachen Schichten. Das Verschwinden der Wälder etwa raubt Kleinbauern und Indigenen ihre Lebensgrundlage. Viele ziehen in die Städte und bevölkern dort die Armenviertel."
    Franziskus verschaffte sich in der Zeit als Erzbischof ein Bild
    In seiner Zeit als Erzbischof engagierte sich Franziskus zwar für die Benachteiligten der argentinischen Gesellschaft, aber er war nicht als Verteidiger der Umwelt bekannt. Andrés Napoli glaubt, dass Jorge Bergoglio sich bei seinen Besuchen in den Elendsvierteln von Buenos Aires ein eigenes Bild davon machte, dass die arme Bevölkerung der Umweltverschmutzung besonders schonungslos ausgesetzt ist. Einige Elendsviertel befinden sich an den Ufern des völlig verschmutzten Riachuelo-Flusses - dort, wo nur mittellose Menschen sich niederlassen.
    "Dass sich der Papst schon kurz nach seinem Antritt in Rom dem Thema Umwelt gewidmet hat, zeugt von Klarsichtigkeit. Ich setze wirklich große Erwartungen in seine Enzyklika."