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Die perfekte Welle?

Jetzt stellte der kalifornische Internetkonzern Google einen neuen Dienst unter dem Titel "Wave" - Welle - vor. Wave soll Kommunikation in Echtzeit möglich machen. Erste Kritiken fielen ziemlich positiv aus. Manch einer sprach gar von einem neuen Kommunikationsprotokoll, das Google entwickelt habe. Noch ist Wave nicht öffentlich zugänglich, nur wenige externe Entwickler konnten Wave schon testen.

Von Marcus Schuler |
    Wenn Google-Entwicklungschef, Vic Gundotra, etwas Wichtiges zu verkünden hat, dann benutzt er gerne Worte wie unglaublich und er läuft aufgeregt hin- und her.

    "Wir haben uns dazu entschlossen, das Produkt schon in der jetzigen, frühen Form zu veröffentlichen, weil es eine unglaubliche, bedeutende Demonstration dessen ist, was im Browser heutzutage möglich ist."

    HTML5-Draft - das ist der Standard, den die Google Entwickler für Wave verwenden. Programme laufen damit im Internet-Browser ab - egal ob Explorer, Firefox, Safari oder Chrome. Hinter Google Wave stecken die aus Dänemark stammenden Brüder Lars und Jens Rasmussen. Sie haben für Google schon die Google Maps - die Karten-Anwendung entwickelt. Vor zwei begannen die Brüder mit ihrer Arbeit an Wave. Lars Rasmussen:

    "Wir haben uns seinerzeit die Frage gestellt, wie würde eine E-Mail aussehen, wenn man sie heute erfände? Es ist müßig zu sagen, dass es hier eine Million verschiedene Antworten darauf gäbe."

    Google gibt eine Antwort darauf, wie es sich die Weiterentwicklung der uns bekannten E-Mail-Kommunikation vorstellt. Wave muss man sich als eine Oberfläche mit mehreren Fenstern vorstellen. In einem stehen die Kontakt-Daten von Kollegen, Freunden und Bekannten, in einem anderen kann man Nachrichten empfangen. Ein Prinzip von Wave: Empfängt man eine E-Mail, kann man direkt in diese E-Mail eine Antwort tippen. Ist der Absender gerade Online, erhält er mit Millisekunden Verzögerung den Text oder Buchstaben, die man eintippt. Fügt man einer E-Mail einen weiteren Adressaten hinzu, erhält dieser automatisch den kompletten bisherigen Mailverkehr. Damit der neue Adressat das Thema besser versteht, kann er sich den bisherigen Austausch wie einen Film vorspielen lassen.

    "Ich war von der Demo sehr angetan, von der Optik, von der Funktionalität. Ich glaube, sie haben gute Arbeit geleistet. Was man natürlich nicht vorhersagen kann ist, wie später die User Wave annehmen werden. Ob Wave im Stande ist, die E-Mail zu ersetzen, nur weil es als cool gilt. Das macht für mich noch keinen rechten Sinn."

    Das ist der Technologie-Blogger Om Malik aus San Francisco. Der sonst für seine offene und direkte Kritik bekannte Blogger ist fasziniert von Wave. Kommunikation in Echtzeit über eine Oberfläche. Wave ist mehr als der Austausch von Nachrichten. Jeff Jarvis, Autor des kürzlich erschienen Buches "Was würde Google tun" sieht in Wave eine ganz neue Form der Inhalte-Erstellung. In wenigen Minuten können so Sammlungen und Alben, Wikis und Blogs entstehen:

    "Man kann Wave dazu benutzen die darin enthaltenen Texte, Fotos neu zusammen zu setzen und daraus eine Internetseite erstellen. Das könnte auch eine neue Art der Nachrichtenveröffentlichung sein. Stellen sie sich drei oder vier Journalisten plus fünf, sechs Zeugen für eine Story vor, die wie in Wikipedia, ihre Beobachtungen einfügen, editieren, korrigieren, aktualisieren, Fragen stellen und Antworten geben können - uns das alles in Echtzeit."

    Zusammenarbeits-Plattform wäre deshalb eine andere, ebenfalls zutreffende Beschreibung von Wave. Mehrere Nutzer können zum Beispiel per Drag und Drop, Bilder austauschen, diese in Echtzeit in Sekundenschnelle zwischen Rechnern hin- und her kopieren und beschriften. Jeff Jarvis:

    "Bei Google sind sie sich noch gar nicht im Klaren darüber, was sie da eigentlich haben. Es ist etwas sehr Bedeutendes, deshalb haben sie damit begonnen die Entwickler schon jetzt einzubinden und ich glaube, wir werden sehr überrascht sein, welche Anwendungen rund um Wave entstehen werden."

    Die Schnittstellen von Wave sind Open-Source. Google hofft darauf, dass sich Programmierer weltweit eigene Anwendungen ausdenken. Denn die jetzige Oberfläche finden weder Om Malik noch Jeff Jarvis besonders toll:

    "Das ist der Vorteil der Einfachheit. Ich komme aus den Medien, daher bin ich es gewohnt, dass Dinge "überdesignt" sind, - bei Google hingegen ist das Design eher zweckmäßig bis nahezu hässlich. Ich finde den Client nicht wirklich durchdacht und wenig interessant. Ich denke da müssen andere einen besseren Client für Wave entwickeln und nicht Google. Aber sie beschäftigen sich mit den aktuellen Problemen auf eine interessante Art und Weise."

    Schon diese Woche hat Google erste Schnittstellen für die Entwicklergemeinde zugänglich gemacht. Bis Ende des Jahres soll jeder Entwickler auf Wave zugreifen dürfen. Im nächsten Jahr ist dann vermutlich mit ersten frei verfügbaren Anwendungen zu rechnen. Google hat nach Ansicht von Jeff Jarvis einen längst überfälligen Schritt vollzogen - den Einstieg in den Markt der Echt-Zeit-Anwendungen. Damit wäre ein Einstieg von Google beim Micro-Blogging Dienst Twitter vielleicht sogar obsolet. Jeff Jarvis:

    "Wir denken immer Google regiere die ganze Welt, ja - sie haben zwar ein Such- und Anzeigengeschäft, aber es gibt Grenzen die Google noch nicht überschritten hat, wie lokale oder soziale Webanwendungen aber vor allem das Internet in Echtzeit."