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Die perfekte Welle
Surfen im Labor

Sie stürzen sich in die Strömung und trotzen Wind und Wetter: Surfer kann auf der Jagd nach der perfekten Welle kaum etwas aufhalten. Französische Forscher sind dieser Sportart nun wissenschaftlich nachgegangen und haben im Labor eine Art Mini-Surfrevier eingerichtet. Um Tipps fürs perfekte Surfen geht es dabei aber nicht.

Von Frank Grotelüschen |
    Der Big -Save-Surfer Jaques Theron aus Südafrika.
    Der Big -Save-Surfer Jaques Theron aus Südafrika. (picture alliance / dpa / Nic Bothma)
    Ein Labor an der Universität Paris-Saclay. Eline Dehandschoewercker, eine junge Physikerin, steht vor einem drei Meter langen Wassertank aus Plexiglas – ein Wellenkanal.
    "Hier untersuchen wir die Physik des Surfens. Dazu brauchen wir eine Welle und so etwas wie einen Surfer. Damit wollen wir herausfinden, unter welchen Bedingungen der Surfer eine Welle erwischen kann, um auf ihr zu reiten. "
    Am rechten Ende des Tanks ist eine Art mechanischer Schneeschieber montiert. Ein Elektromotor setzt ihn kurz in Bewegung, und schon läuft eine Welle durch den Tank. Nur: Wo bleiben die Surfer?
    "Wo unsere Surfer sind? Nun, das sind diese kleinen Brettchen hier aus leichtem Balsaholz. Unsere Mini-Surfbretter, nur ein paar Zentimeter groß."
    Ohne Paddeln geht es nicht
    Eines dieser Mini-Boards setzt Dehandschoewercker nun in Wasser, dann aktiviert sie den Wellenschieber erneut.
    "Man sieht: Das Brettchen surft nicht, die Welle läuft einfach unter ihm hindurch. Damit es mit dem Surfen klappt, müssen wir also etwas ändern."
    Flugs befestigt sie ein feines Bändchen am Balsaholz. Am anderen Ende des Bändchens sitzt ein kleiner Elektromotor, quasi als Zugpferd.
    Als nun die Welle vorbeikommt, zieht der Motor das Brettchen ein wenig nach vorn. Erst dadurch kann es die Welle erwischen und kurz drauf surfen. Was die Physikerin damit simuliert hat, ist das kräftige Paddeln, mit dem Surfer im richtigen Moment beschleunigen, um auf einer Welle reiten zu können.
    "Am geeignetsten sind Wellen, die nicht zu schnell sind und dabei relativ steil."
    Die Kraft der Welle nutzen
    So das Resultat der Versuche. Hat eine Welle zum Beispiel eine Steigung von 30 Grad, muss der Surfer 70 Prozent ihrer Geschwindigkeit erpaddeln, um auf ihr reiten zu können. Also: tolle Surf-Tipps aus dem Labor? Wohl kaum, sagen die Physiker. Denn gute Surfer wissen, wie sie eine Welle zu nehmen haben, da braucht es keine Daten über Geschwindigkeiten und Winkel. Doch eigentlich geht es Christophe Clanet und seinem Team um etwas anderes:
    "Wir würden gern verstehen, wie man die Energie der Wellen nutzen kann, um Dinge zu transportieren.
    Die Idee mag verrückt klingen: Aber man kann sich ein System an Bord eines Schiffes vorstellen, das gezielt Wellen erzeugt, die dann eine Fracht zum Strand transportieren. Das wäre zum Beispiel interessant für unwegsame Küsten, an denen Schiffe nicht landen können."
    Surfendes Plankton
    Eine Art Transport-Fließband auf dem Meer, auf dem die Frachtstücke zum Strand surfen – eine Vision, die wohl vor allem die Militärs interessieren dürfte. Doch Clanet hat noch etwas anderes im Sinn: Kann Plankton surfen? Bislang geht man davon aus, das Plankton sich im Ozean ausbreitet, indem es einfach mit den Meeresströmungen treibt.
    "Wir denken, dass bestimmte Typen von Wellen Plankton zum Surfen bringen und es effizient transportieren können, mit bis zu zehn Metern pro Sekunde – und das über größere Entfernungen."
    Eine originelle Idee – nur was ist dran? Das sollen Experimente zeigen, bei denen die Forscher mikrometerkleine Plastikkügelchen in den Tank streuen und nachschauen, ob diese tatsächlich surfen können. Erste Hinweise gibt es bereits:
    "Die Kügelchen scheinen nicht nur einfach zu treiben, wie eine Flaschenpost auf dem Meer. Ihre Geschwindigkeiten sind höher, sie scheinen also tatsächlich ein wenig auf der Oberfläche zu surfen."
    Sollten sich die Indizien erhärten, müsste man die Theorien der Planktonausbreitung überdenken – was wichtig wäre zum Beispiel für das Verständnis der Nahrungsketten im Ozean.