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"Die Phase von Noriega ist immer noch präsent"

Panamas Ex-Diktator Manuel Noriega wurde von den USA an Frankreich ausgeliefert, weil ihm Geldwäsche über französische Banken vorgeworfen wird. Günther Maihold, stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, erklärt, warum Noriega in Frankreich eventuell mit Hausarrest davonkommt.

Günther Maihold im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Eine überraschende Meldung der vergangenen Nacht: Die USA haben Panamas Ex-Diktator Manuel Noriega an Frankreich ausgeliefert. Er wurde noch gestern Abend in Miami in ein Flugzeug gebracht. In diesen Minuten wird der 70-jährige nun in Paris erwartet. Am Telefon bin ich jetzt mit Günther Maihold, stellvertretender Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, verbunden. Er ist außerdem Lateinamerika-Experte. Schönen guten Morgen, Herr Maihold.

    Günther Maihold: Guten Morgen!

    Armbrüster: Warum wird Noriega jetzt an Frankreich ausgeliefert?

    Maihold: Es gab durchaus auch andere Länder, eben sein Heimatland Panama, das gleichermaßen Interesse hatte, eine Auslieferung wegen vorliegender Anklagen zu erreichen, aber letztlich hat sich wohl die US-Regierung für Frankreich entschieden, da man sich nicht sicher war, ob Noriega in einem panamesischen Gefängnis gleichermaßen sicher ist wie in einem französischen. Insofern hat wohl in letzter Instanz die Opportunität der Entscheidung, hier die Sicherheit von Noriega nicht zu gefährden, den Ausschlag gegeben.

    Armbrüster: Was genau werfen ihm die französischen Behörden denn vor?

    Maihold: Es geht hier im Gegensatz zu der Verurteilung in den USA vor allem um Geldwäsche über französische Banken, den Kauf von Apartments in Paris etc., also insgesamt ein Volumen von circa drei Millionen US-Dollar, die auf diese Weise gewaschen worden sein sollen.

    Armbrüster: Und was könnte ihn bei einer Verurteilung in Frankreich erwarten?

    Maihold: Er ist de facto schon verurteilt. Es hat in Abwesenheit ein Verfahren gegeben, das zehn Jahre Gefängnis bedeuten würde. Wenn ich es recht verstehe, verlangen aber die USA, dass ein neues Verfahren in Anwesenheit von Noriega aufgerollt wird. Insofern ist dieses Strafmaß noch nicht endgültig.

    Armbrüster: Jetzt haben sich, Herr Maihold, viele Hörer wahrscheinlich heute Morgen verwundert die Augen gerieben, weil sie von Noriega wahrscheinlich zuletzt vor 20 Jahren gehört haben, als er von US-Truppen in Panama gestellt wurde. Was ist seitdem mit ihm passiert?

    Maihold: Noriega wurde 1989 nach der Invasion der US-Truppen in Panama festgenommen. Besser gesagt hat er sich den US-Truppen gestellt, weil er sich in die Nuntiatur des Vatikans in Panama Stadt zurückgezogen hatte, und wurde dann in den USA zu 40 Jahren Haft verurteilt wegen Unterstützung des Drogenhandels, Bildung einer kriminellen Vereinigung und Konspiration. Diese Jahre sind dann verkürzt worden wegen guter Führung, so dass er insgesamt 17 Jahre abgesessen hat und seitdem im Gefängnis der Entscheidung harrte, welche der verschiedenen Auslieferungsinteressen nun von den USA befürwortet würde.

    Armbrüster: Ist jetzt zu erwarten, dass man in Panama sauer ist, dass er nicht zurück in seine Heimat kommt?

    Maihold: Ich glaube, zum Teil ist das sicherlich bei der damaligen Opposition der Fall, weil er ja angeklagt ist, Oppositionspolitiker, insbesondere Hugo Spadafora umgebracht zu haben. Auf der anderen Seite ist man sich in Panama auch darüber im Klaren, dass eine Rückkehr von Noriega viele alte Wunden aufreißen würde, und insofern ist es vielleicht eine durchaus salomonische Regelung, dass er nun zuerst nach Frankreich geht.

    Armbrüster: Wie steht es denn um sein Ansehen in Panama?

    Maihold: Die Phase der Regierungszeit von Noriega ist auch noch heute von Bedeutung für die panamesische Politik. Man darf nicht vergessen: das Freihandelsabkommen, das Panama mit den USA ausgehandelt hatte, liegt immer noch auf Eis, weil in der vorausgegangenen Legislaturperiode der Parlamentspräsident von den USA beschuldigt wurde, an der Tötung eines US-Soldaten mitgewirkt zu haben. Das heißt, die Phase von Noriega ist immer noch präsent, auch wenn natürlich seine Machtgrundlage, nämlich das Militär abgeschafft worden ist und heute Panama nur noch Polizeikräfte besitzt.

    Armbrüster: Sie haben jetzt schon erwähnt, dass Noriega vorzeitig aus der US-Haft nicht entlassen wurde, aber dass seine Strafe sozusagen verkürzt wurde. Er ist natürlich weiter im Gefängnis sitzen geblieben. Kann man etwas sagen über seine persönliche Entwicklung, wie er sich verändert hat in den letzten 20 Jahren?

    Maihold: Zunächst einmal ist er älter geworden. Das ist durchaus bedeutsam, weil das für die Frage entscheidend sein wird, ob er in Frankreich einsitzen wird müssen, oder ob er mit Hausarrest davon kommt. Das französische Recht sieht durchaus vor, dass man bei älteren Strafgefangenen mit Hausarrest agieren kann. Zum anderen hat er sich wohl vorbildlich verhalten, ist auch jetzt nicht mit irgendwelchen Büchern oder sonstigen Rechtfertigungen an die Öffentlichkeit getreten, so dass er heute nicht mehr als eine große Figur, die noch Anerkennung in der Welt finden würde, angesehen werden kann.

    Armbrüster: Herr Maihold, ich weiß jetzt, dass Ihr Spezialgebiet Lateinamerika ist, aber Noriega ist nun mal jetzt in Frankreich. Wie beurteilen Sie das denn? Könnte das noch mal, wenn es tatsächlich zu einem Verfahren kommt, ein richtig großer Prozess in Paris werden?

    Maihold: Ich glaube das weniger. Das ist ein Verfahren, das ja sozusagen nach dem in Abwesenheit durchgeführten Beweissystem noch mal ablaufen wird. Es ist auch ein Verfahren, das sehr viel mit schriftlichen Beweisen, Geldflüssen etc., arbeiten wird. Insofern dürfte die Aufmerksamkeit der Medien nicht zu groß sein. Das eigentlich wichtige an dem Verfahren wird sicherlich sein, dass eine Fülle von Politikern oder in politischer Verantwortung stehenden Personen das beobachten werden, weil natürlich der Drogenhandel, Geldwäsche ein durchaus präsentes Phänomen der organisierten Kriminalität in Lateinamerika ist und ein Verfahren im Ausland von vielen der Betroffenen nicht als besonders angenehm betrachtet wird. Insofern hat es durchaus eine abschreckende Wirkung auch für die Gegenwart.

    Armbrüster: Panamas Ex-Diktator Manuel Noriega wurde nach Frankreich ausgeliefert. Darüber haben wir gesprochen mit Günther Maihold, dem stellvertretenden Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Maihold.

    Maihold: Danke Ihnen!