
Myra Hess muss eine sehr lebensbejahende, optimistische Frau gewesen sein, die sich mit der Zeit einige Spleens zulegte. So empfing sie Gäste schon mal mit "orange peel teeth", einer Orangenschale vor den Zähnen, ihr kerniges Lachen war eines ihrer Markenzeichen.
Geboren 1890 in einer deutsch-jüdischen Familie, begann Myra Hess im Alter von fünf Jahren mit dem Klavierspiel. Sie studierte an der Royal Academy of Music und machte früh Karriere: Mit Fritz Kreisler und Isaac Stern trat sie als Kammermusikpartnerin auf, als Solistin spielte sie auf internationalen Konzertbühnen.

Als 1939 alles kulturelle Leben zum Erliegen kam, regte sie eine Reihe günstiger Mittagskonzerte in der National Gallery an, die zu einer festen Institution wurden. Bis 1946 fanden dort, allen Einschränkungen durch den Krieg zum Trotz, 1700 Konzerte statt, 146 davon spielte sie selbst.
Ihre empfindsamen Interpretationen öffnen einen Raum zur Begegnung mit der Musik, deren technische Herausforderungen Myra Hess leicht zu bewältigen schien. Vor 55 Jahren starb Myra Hess in London.