Armin Himmelrath: Ein wahrer Nobelpreis-Regen scheint in dieser Woche über die deutschen Forscher niederzugehen. Gestern der Physik-Nobelpreis für Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich, heute der Chemiepreis für Gerhard Ertl von der Max-Planck-Gesellschaft. Ganz so schlimm scheint es um den Forschungsstandort Deutschland also nicht zu stehen.
Joachim Treusch ist zwar kein Nobelpreisträger, vielleicht kommt das ja noch, aber er war 16 Jahre lang Vorstandsvorsitzender im Forschungszentrum Jülich und damit zumindest indirekt für die Arbeitsbedingungen verantwortlich, unter denen Peter Grünberg forschen konnte. Ich habe Joachim Treusch kurz vor der Sendung gefragt, wie er die Nachricht aufgenommen hat, dass einer seiner ehemaligen Kollegen den Physik-Nobelpreis erhält.
Joachim Treusch: Zum einen natürlich riesige Freude, wenig Überraschung, weil ich dieses Jahr fest damit gerechnet hatte. Wir haben ja schon seit fünf Jahren immer wieder die Laudatio hingeschickt und die Begründung, und jetzt ist es geglückt. Und natürlich riesige Freude auch für das Forschungszentrum Jülich, an dem ich natürlich noch hänge, das dadurch einen enormen Auftrieb bekommen wird, der zum Teil natürlich auch etwas irrationaler Natur ist, denn Jülich war vor dem Nobelpreis so gut wie nach dem Nobelpreis. Aber jetzt hat es viel Aufmerksamkeit.
Himmelrath: Was sind die besonderen Arbeitsbedingungen, unter denen die Forscherinnen und Forscher in Jülich ihre Ergebnisse finden können?
Treusch: Ja, vielleicht vor allem zu nennen, dass entgegen dem Vorurteil, was noch in manchen Köpfen ist, Jülich ja nicht mehr ein Kernforschungszentrum ist, sondern, das war eigentlich meine Aufgabe, als 1987 hinkam, zuerst als Vorstand, später als Vorsitzender, umzugestalten auf eine, und das ist meine persönliche Freude auch, interdisziplinär agierende, an den modernen Problemen unserer Welt orientierte Forschungseinrichtung, wo über die Fächer hinaus miteinander geredet wird, und zum zweiten, und das trifft speziell auf den Fall von Herrn Grünberg zu, wo die guten Leute auch ziemlich völlige Freiheit haben, das zu machen, was sie interessiert. Da war Herr Grünberg sicherlich herausragend in seinen Eigenschaften. Und das einzige Verdienst, was ich mir anrechnen kann, also inhaltlich sicherlich gar keines, ist, dass ich, als ich hinkam, als eine meiner ersten Forderungen gestellt habe, wenn jemand eine wirklich gute Arbeit publiziert, möge er doch bitte zehn Minuten Zeit darauf verwenden, sich zu überlegen, ob sie angewendet werden könnte oder ob die Ergebnisse anwendungsnah sind und dann zu unserem Patentanwalt gehen, also im Forschungszentrum.
Himmelrath: Das heißt, wenn jemand dort eine gute Idee hat, da gibt es auch direkt, obwohl Sie ja in Jülich ein Forschungszentrum haben, das der Grundlagenforschung verpflichtet ist, da gibt es direkt sozusagen den Weg, den vorgeschriebenen oder vorgezeichneten Weg hin zur Anwendung?
Treusch: Wenigstens zum Versuch, die Anwendung zu überlegen und dann eine Konsequenz zu ziehen. Wir haben also drei Patentanwälte, die spezialisiert sind auf die verschiedenen Gebiete. Und Herr Grünberg ist damals sofort zum Patentanwalt gegangen, bevor er publiziert hat. Das ist der Vorteil, den er jetzt gegenüber Herrn Fert hat, seinem Mitpreisträger. Er hat das Patent und hat damit für sich und für das Forschungszentrum doch eine zweistellige Millionensumme in Dollars eingespielt.
Himmelrath: Das ist ja eine erhebliche Summe tatsächlich.
Treusch: Das kann man so sagen.
Himmelrath: Sie haben gesagt, das war ganz wichtig, dass man Peter Grünberg die Möglichkeit gegeben hat, frei zu arbeiten, frei zu entscheiden in seiner Arbeit. Ist das der Schlüssel, um die guten Leute auch in Deutschland generell zu halten?
Treusch: Meiner Meinung nach ja, und ich höre immer mehr Zustimmung zu dieser These, dass es nicht so sehr das Geld ist, nicht so sehr die apparative Ausstattung, sondern die Einbindung in organisatorische Strukturen, die hier fester gehandhabt wird als in den USA, die viele dazu führt, wenn sie dort hingegangen sind, dort auch zu bleiben. Das müssen wir ändern.
Himmelrath: Jetzt kennen Sie ja einerseits die staatliche Forschung und den staatlichen Forschungsbereich, andererseits sind Sie heute Präsident der International University in Bremen, also einer privaten Einrichtung. Merkt man da schon einen Unterschied im privaten Bereich, dass dort freier gearbeitet werden kann?
Treusch: Ja, ganz sicher. Auf der einen Seite müssen wir uns natürlich stärker ums Geld kümmern als die staatlichen Einrichtungen, die ja doch in gewisser Weise sicher sein können, dass sie, wenn, zwar immer zu wenig, aber doch jedenfalls einen Sockel an Geld bekommen. Dafür müssen wir kämpfen. Aber in den bürokratischen Dingen sind wir natürlich unendlich viel freier und auch schneller.
Himmelrath: Wenn es Schlüsse zu ziehen gibt aus dieser Verleihung des Nobelpreises an Peter Grünberg für das Forschungssystem, für die Arbeitsbedingungen im Forschungssystem, wie würden diese Schlüsse aus Ihrer Sicht lauten?
Treusch: Geduld, Vorschussgeduld für gute Leute, Vertrauen der Politik in die Vorstände und in die Professoren, dass sie wissen, wer die guten, wer die weniger guten sind, weniger Einmischung, lockere Rahmenbedingungen. Zielvorgaben ist okay, aber keine Tag-zu-Tag-Einmischung.
Himmelrath: Haben Sie das Gefühl, dass die Wissenschaftspolitiker diese Anregung aufgenommen haben, dass das denen bewusst ist?
Treusch: Ich denke, der Exzellenzwettbewerb der letzten Jahre hat doch eine Tendenz, in die richtige Richtung zu gehen, den Wettbewerb unter den Wissenschaftlern zu kultivieren und von außen weniger stark einzugreifen. Das kann hilfreich sein, ja, das denke ich schon, dass sich da was positiv entwickelt. Und die Politik in Berlin hat es begriffen.
Himmelrath: Herzlichen Dank an Joachim Treusch, den früheren Vorstandsvorsitzenden des Forschungszentrums Jülich.
Joachim Treusch ist zwar kein Nobelpreisträger, vielleicht kommt das ja noch, aber er war 16 Jahre lang Vorstandsvorsitzender im Forschungszentrum Jülich und damit zumindest indirekt für die Arbeitsbedingungen verantwortlich, unter denen Peter Grünberg forschen konnte. Ich habe Joachim Treusch kurz vor der Sendung gefragt, wie er die Nachricht aufgenommen hat, dass einer seiner ehemaligen Kollegen den Physik-Nobelpreis erhält.
Joachim Treusch: Zum einen natürlich riesige Freude, wenig Überraschung, weil ich dieses Jahr fest damit gerechnet hatte. Wir haben ja schon seit fünf Jahren immer wieder die Laudatio hingeschickt und die Begründung, und jetzt ist es geglückt. Und natürlich riesige Freude auch für das Forschungszentrum Jülich, an dem ich natürlich noch hänge, das dadurch einen enormen Auftrieb bekommen wird, der zum Teil natürlich auch etwas irrationaler Natur ist, denn Jülich war vor dem Nobelpreis so gut wie nach dem Nobelpreis. Aber jetzt hat es viel Aufmerksamkeit.
Himmelrath: Was sind die besonderen Arbeitsbedingungen, unter denen die Forscherinnen und Forscher in Jülich ihre Ergebnisse finden können?
Treusch: Ja, vielleicht vor allem zu nennen, dass entgegen dem Vorurteil, was noch in manchen Köpfen ist, Jülich ja nicht mehr ein Kernforschungszentrum ist, sondern, das war eigentlich meine Aufgabe, als 1987 hinkam, zuerst als Vorstand, später als Vorsitzender, umzugestalten auf eine, und das ist meine persönliche Freude auch, interdisziplinär agierende, an den modernen Problemen unserer Welt orientierte Forschungseinrichtung, wo über die Fächer hinaus miteinander geredet wird, und zum zweiten, und das trifft speziell auf den Fall von Herrn Grünberg zu, wo die guten Leute auch ziemlich völlige Freiheit haben, das zu machen, was sie interessiert. Da war Herr Grünberg sicherlich herausragend in seinen Eigenschaften. Und das einzige Verdienst, was ich mir anrechnen kann, also inhaltlich sicherlich gar keines, ist, dass ich, als ich hinkam, als eine meiner ersten Forderungen gestellt habe, wenn jemand eine wirklich gute Arbeit publiziert, möge er doch bitte zehn Minuten Zeit darauf verwenden, sich zu überlegen, ob sie angewendet werden könnte oder ob die Ergebnisse anwendungsnah sind und dann zu unserem Patentanwalt gehen, also im Forschungszentrum.
Himmelrath: Das heißt, wenn jemand dort eine gute Idee hat, da gibt es auch direkt, obwohl Sie ja in Jülich ein Forschungszentrum haben, das der Grundlagenforschung verpflichtet ist, da gibt es direkt sozusagen den Weg, den vorgeschriebenen oder vorgezeichneten Weg hin zur Anwendung?
Treusch: Wenigstens zum Versuch, die Anwendung zu überlegen und dann eine Konsequenz zu ziehen. Wir haben also drei Patentanwälte, die spezialisiert sind auf die verschiedenen Gebiete. Und Herr Grünberg ist damals sofort zum Patentanwalt gegangen, bevor er publiziert hat. Das ist der Vorteil, den er jetzt gegenüber Herrn Fert hat, seinem Mitpreisträger. Er hat das Patent und hat damit für sich und für das Forschungszentrum doch eine zweistellige Millionensumme in Dollars eingespielt.
Himmelrath: Das ist ja eine erhebliche Summe tatsächlich.
Treusch: Das kann man so sagen.
Himmelrath: Sie haben gesagt, das war ganz wichtig, dass man Peter Grünberg die Möglichkeit gegeben hat, frei zu arbeiten, frei zu entscheiden in seiner Arbeit. Ist das der Schlüssel, um die guten Leute auch in Deutschland generell zu halten?
Treusch: Meiner Meinung nach ja, und ich höre immer mehr Zustimmung zu dieser These, dass es nicht so sehr das Geld ist, nicht so sehr die apparative Ausstattung, sondern die Einbindung in organisatorische Strukturen, die hier fester gehandhabt wird als in den USA, die viele dazu führt, wenn sie dort hingegangen sind, dort auch zu bleiben. Das müssen wir ändern.
Himmelrath: Jetzt kennen Sie ja einerseits die staatliche Forschung und den staatlichen Forschungsbereich, andererseits sind Sie heute Präsident der International University in Bremen, also einer privaten Einrichtung. Merkt man da schon einen Unterschied im privaten Bereich, dass dort freier gearbeitet werden kann?
Treusch: Ja, ganz sicher. Auf der einen Seite müssen wir uns natürlich stärker ums Geld kümmern als die staatlichen Einrichtungen, die ja doch in gewisser Weise sicher sein können, dass sie, wenn, zwar immer zu wenig, aber doch jedenfalls einen Sockel an Geld bekommen. Dafür müssen wir kämpfen. Aber in den bürokratischen Dingen sind wir natürlich unendlich viel freier und auch schneller.
Himmelrath: Wenn es Schlüsse zu ziehen gibt aus dieser Verleihung des Nobelpreises an Peter Grünberg für das Forschungssystem, für die Arbeitsbedingungen im Forschungssystem, wie würden diese Schlüsse aus Ihrer Sicht lauten?
Treusch: Geduld, Vorschussgeduld für gute Leute, Vertrauen der Politik in die Vorstände und in die Professoren, dass sie wissen, wer die guten, wer die weniger guten sind, weniger Einmischung, lockere Rahmenbedingungen. Zielvorgaben ist okay, aber keine Tag-zu-Tag-Einmischung.
Himmelrath: Haben Sie das Gefühl, dass die Wissenschaftspolitiker diese Anregung aufgenommen haben, dass das denen bewusst ist?
Treusch: Ich denke, der Exzellenzwettbewerb der letzten Jahre hat doch eine Tendenz, in die richtige Richtung zu gehen, den Wettbewerb unter den Wissenschaftlern zu kultivieren und von außen weniger stark einzugreifen. Das kann hilfreich sein, ja, das denke ich schon, dass sich da was positiv entwickelt. Und die Politik in Berlin hat es begriffen.
Himmelrath: Herzlichen Dank an Joachim Treusch, den früheren Vorstandsvorsitzenden des Forschungszentrums Jülich.