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"Die Politik hat zu großes Vertrauen in die Kreditinstitute"

Verschuldete, die ihr Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto, auch P-Konto genannt, umwandeln lassen, müssen oft höhere Gebühren zahlen. "Skandalös" nennt das Andrea Heyer von der Verbraucherschutzzentrale Sachsen. Sie rät dazu, solche Fälle der örtlichen Verbraucherzentrale zu melden.

Andrea Heyer im Gespräch mit Georg Ehring | 29.06.2011
    Georg Ehring: Wer Schulden hat, kann seit einem Jahr mit einem Pfändungsschutzkonto dafür sorgen, dass genug Geld zum Überleben bleibt. Die Kunden, die ein solches Konto brauchen, sind finanziell meist ziemlich schlecht gestellt, und viele Banken legen eigentlich keinen großen Wert auf solche Geschäftsbeziehungen, sie wollen lieber reiche und unkomplizierte Kunden. Jedenfalls verlangen viele Geldinstitute hohe Extragebühren für das Pfändungsschutzkonto. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat solche Fälle gesammelt. Telefonisch verbunden bin ich jetzt mit Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale Sachsen. Guten Tag, Frau Heyer!

    Andrea Heyer: Ja, hallo!

    Ehring: Frau Heyer, wie teuer ist denn ein Pfändungsschutzkonto?

    Heyer: Na ja, viele Kreditinstitute glauben, für die Führung eines P-Kontos im Vergleich zu einem normalen Girokonto ein Vielfaches an Entgelt nehmen zu können. Also während ein normales Girokonto heute häufig gar nichts kostet oder vielleicht maximal fünf Euro kostet, werden dann zum Beispiel für das P-Konto 15 Euro pro Monat verlangt, und ein Verbraucher aus Bayern hat uns auch jüngst informiert über einen Kontoführungspreis in Höhe von 25 Euro pro Monat, das ist dann schon skandalös.

    Ehring: Ist das denn rechtens?

    Heyer: Wir sind der Auffassung, dass dies nicht rechtens ist, und wir stehen mit dieser Rechtsmeinung auch nicht allein, denn zwischenzeitlich gibt es eine ganze Reihe erstinstanzliche Gerichtsentscheidungen, die unsere Rechtsauffassung bestätigen. Aber es ist so, dass einige Kreditinstitute, leider allen voran die Sparkassen, offensichtlich bis zur letzten Instanz gehen wollen, also das Ganze ausfechten wollen vor dem Bundesgerichtshof.

    Ehring: Wenn Sie dann jetzt einzelne Verfahren gewonnen haben, gilt dann erst mal ein niedrigerer Preis, oder gilt das erst, wenn das durch alle Instanzen durch ist?

    Heyer: Ja, wenn ein Urteil nicht rechtskräftig wird, dann bleibt es bei dem hohen Preis, und deshalb ist es noch ein langer steiniger Weg, und der Verdacht liegt hier da schon vor, dass die Kreditinstitute so lange wie möglich dieses hohe Entgelt einnehmen möchten.

    Ehring: Ist das denn im Sinne des Gesetzgebers, oder hat die Politik da geschlafen?

    Heyer: Na ja, wir haben auf das zu erwartende Problem eigentlich schon genügend im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes aufmerksam gemacht. Offensichtlich hatte die Politik zu großes Vertrauen in die Kreditinstitute oder gemeint, dass der Markt in diesem Bereich funktioniert, der Wettbewerb, aber das ist eben hier um diese Kunden gerade nicht so. Und deshalb ist es jetzt ganz wichtig, dass sich die Politik dieser Sache auch noch mal annimmt, denn zum Jahresende wird es ja dann diesen alten Pfändungsschutz nicht mehr geben, sondern nur noch den über das P-Konto.

    Ehring: Das heißt, wer von Pfändung bedroht ist, muss sich dann auch jetzt langsam um ein P-Konto kümmern?

    Heyer: Er sollte es in den nächsten Monaten tun.

    Ehring: Wie kann sich denn ein Kunde wehren, wenn er von so hohen Gebühren betroffen ist?

    Heyer: Na ja, als Kunde sollte mal nicht alles hinnehmen. Man sollte auf alle Fälle widersprechen. Ein probates Mittel ist auch, die Angelegenheit öffentlich zu machen, und die Fälle sollten auch weiterhin den Verbraucherzentralen gemeldet werden, damit wir auch weitere Abmahnungen und gegebenenfalls Klagen einleiten können.

    Ehring: Gibt es denn auch günstige oder sogar vielleicht kostenlose Pfändungsschutzkonten?

    Heyer: Das gibt es im Einzelfall sicherlich auch, aber den Betroffenen wird das nichts nützen, weil wenn ich jetzt woanders hingehen möchte, zu einem anderen Kreditinstitut, kommt das Problem: Ich habe kein Recht auf ein Girokonto, sondern ich habe nur das Recht, ein bestehendes Girokonto in ein P-Konto umzuwandeln. Also ich kann nicht sagen, weil bei meinem Kreditinstitut es 15 Euro kostet, gehe ich woanders hin und eröffne dort ein P-Konto, das funktioniert nicht.

    Ehring: Das heißt, als Rat für den Kunden bleibt eigentlich nur die Klage?

    Heyer: Die Einzelklage ist sicherlich hier problematisch. Der Rat ist schon, dies weiter über die Verbraucherzentralen zu befolgen.

    Ehring: Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale Sachsen war das über hohe Gebühren für Pfändungsschutzkonten. Herzlichen Dank!

    Heyer: Gern geschehen!