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"Die Politik ist zu freigiebig"

Beim Symposium "Sportpolitik" an der Deutschen Sporthochschule in Köln fordern Experten ein Umdenken beim Umgangang mit den Sportverbänden. Das Verhältnis zwischen Politik und Sport führe zu einem Klima der Korruption.

Von Heinz Peter Kreuzer | 13.06.2011
    "The winner is Quatar."

    Jubel bei den Siegern, Trauer bei den Verlierern. Aber haben Sieger Grund zum Jubeln? Für viele Regionen ist die Austragung eines Großereignisses eine Schuldenfalle, wie beispielsweise für die kanadische Stadt Montreal, die sich bis heute nicht von den Sommerspielen 1976 erholt hat. Der Hamburger Ökonom Professor Henning Vöpel vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut sagt:

    "Einer Region, einer Stadt bringt es erfahrungsgemäß unterschiedlich viel. Es gibt Olympische Spiele, da haben sie außerordentlich viel bewegt wie beispielsweise Barcelona, dann gibt es Negativbeispiele wie Atlanta vier Jahre später 1996. Insofern sind die Unterschiede sehr groß. Man muss wirklich im Einzelfall darauf achten, ob die Austragung einer Großveranstaltung wirklich die Effekte bringt, die man sich verspricht."

    Eins ist bei allen gleich. Die Zeche zahlt in der Regel der Steuerzahler. So wird die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika vergangenes Jahr für den Staat selbst von vielen als Erfolg für den Staat Südafrika selbst gesehen. Tatsache ist aber auch, das die für Steuer-Millionen erbauten Stadien fast alle nutzlos herum stehen. Profiteure sind jedoch immer Sportfunktionäre und Politiker, die zunehmend an Einfluss und Macht gewinnen, meint Professor Vöpel. Der Ökonom kritisiert die Politik, die sich gerne dem Diktat der Sportfunktionäre beugt:

    "Ich denke, dass die Politik zu freigiebig ist, Es ist so: Die Fifa ist ein Monopolist, ökonomisch ist die Fifa ein Monopolist, und kann sehr viele Forderungen durchdrücken. Die Fifa schöpft alle ökonomischen Renditen ab, die Politik ist relativ bereitwillig die weitreichenden Forderungen von Sportverbänden nachzugeben."

    Das beste Beispiel dafür ist Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften an Russland 2018 und Katar 2022. Entscheidungen, die wegen Korruptionsvorwürfen jetzt wieder auf dem Prüfstand stehen. Professor Hans Bruyninckx, Politik-Professor an der Katholischen Universität Leuven, erklärt sich das so:

    "Viele Länder in der Welt sind bereit, alles für ein Sport-Großereignis zu tun. Ich glaube, ein wichtiger Unterschied heutzutage ist, das viele nichtdemokratische Systeme, wo die Regierungen autonom sind und sich nicht um die Gesetzgebung sorgen müssen, Dinge tun können, die wir in unseren Ländern nicht mehr tun können."

    Wer die Bedingungen des Fußball-Weltverbandes nicht erfüllt, der hat auch keine Chancen. Professor Hans Bruyninckx hat ein passendes Beispiel dafür:

    "Belgien und die Niederlande haben sich für die Fußball-Weltmeisterschaft beworben, und sie haben Fifa-Präsident Sepp Blatter mitgeteilt, dass sie mit ihm einen langen Weh gehen wollen, aber sie würden nicht Steuern und nationale Gesetze ändern."

    Der Politik-Professor aus Belgien hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich das in Zukunft ändern könnte, weil die Sport-Organisationen das Rad überdreht haben.

    "Für lange Zeit hatten große Sportorganisationen wie das IOC, Fifa, Uefa oder der Leichtathletik-Weltverband sich sehr autonom organisiert. Dabei haben sie jegliche öffentliche Einflussnahme bei den Regeln und im wirtschaftlichen Bereich ferngehalten. Aber das ändert sich jetzt, aus verschiedenen Gründen, der vielleicht einleuchtendste für die breite Öffentlichkeit ist mit den Skandalen verbunden."

    Nach Meinung von Hans Bruyninckx muss die unheilige Allianz zwischen Politik und Sport jetzt beendet werden.

    "Aber die Sportwelt ist bis jetzt nicht für Transparenz und öffentliche Diskussionen bekannt, und unglücklicherweise haben viele Politiker sie dabei unterstützt. Sie sind mit den Top-Funktionären befreundet und helfen ihnen bei dieser Geheimpolitik. Wir müssen jetzt eingreifen und eine öffentliche Debatte einläuten."

    Hoffnungen setzt Professor Bruyninckx dabei auf Institutionen wie die Europäische Union. Die EU hat mit dem Weißbuch Sport einen ersten Schritt gemacht, Einfluss zu nehmen. Nur beim Thema Korruption hapert es in Europa noch: Eine von der Schweiz initierte Veranstaltung "Sport und Korruption" im Europarat musste mangels Interesse abgesagt werden. Da besteht noch sehr viel Nachholbedarf.