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"Die Politik war sehr zurückhaltend"

In Potsdam wurden die Pläne für den Wiederaufbau des dortigen Stadtschlosses als Landtag vorgestellt. Hans-Joachim Kuke, Vorstandsmitglied des Vereins Potsdamer Stadtschloss, beklagt eine niedrige Einsatzbereitschaft der Politik und freut sich über viele erhaltene Originalteile des Bauwerks.

Hans-Joachim Kuke im Gespräch mit Michael Köhler | 21.08.2009
    Michael Köhler: Der 120 Millionen teure Bau soll in den Umrissen mit der Fassade des früheren Stadtschlosses errichtet werden, und zwar nicht nur Außen-, sondern auch Innenhoffassade nach dem Vorbild von Stadtschloss-Architekt Wenzeslaus von Knobelsdorff aus dem 18. Jahrhundert. Frage an Hans-Joachim Kuke, stellvertretender Vorsitzender des Stadtschloss-Vereins in Potsdam: Nach bald zehn Jahren also ein freudiger Tag für Sie?

    Hans-Joachim Kuke: Prinzipiell ja. Wenn man jetzt an einem solchen Tag, und Sie haben das gesagt, das sind jetzt zehn Jahre, zurückschaut – ist es also geradezu phänomenal, was erreicht worden ist, und das ist erreicht worden mit einer Mehrheit der Potsdamer, die dahinterstehen, mit Vereinen, mit Initiativen, da muss man sagen, die Politik war da, freundlich gesagt, sehr zurückhaltend –, ist das ein großer Tag, dass man überhaupt so weit gekommen ist, dass heute eben diese Präsentation stattfinden konnte.

    Köhler: Das Stadtschloss Friedrich des Großen war im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden, von der DDR-Regierung unter Walter Ulbricht gesprengt worden. Die Diskussion ging und geht ja weniger um die Auferstehung von Preußens Glorie als die Frage, wenn schon ein Wiederaufbau, warum denn dann bitte schön nicht ganz, also gewissermaßen ohne die Seele der Säle, nämlich den Innenausbau des Rokokoschlosses?

    Kuke: Von vornherein war klar, dass dort das Landesparlament reinkommt, dass dort gemeinsam geplant wird für zwei Bundesländer, nämlich Berlin und Brandenburg, die Fusion der beiden, die wir ausdrücklich begrüßen, ja vorweggenommen wird. Damit entsteht nun ein Raumbedarf, der für das historische Schloss zu klein ist, und platzt das tatsächlich an einigen Stellen aus dem Anzug.

    Köhler: Brandenburg bekommt damit eine würdige, angemessene und wunderschöne Volksvertretung, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck. In diesen Worten erinnert nichts an das alte Friedrich-des-Großen-Schloss. Stimmen Sie zu, dass Brandenburg eine würdige, angemessene, wunderschöne Volksvertretung bekommt?

    Kuke: Es ist angesichts der Ausgangslage eine würdige, angemessene und wunderschöne Volksvertretung, es ist allerdings mit einigen Schönheitsmakeln behaftet, was eben jetzt die Dimensionierung, den Innenhof, die Dachlandschaft anlangt. Die Fensterformate werden wohl teilweise vereinheitlicht, aber da bitte ich noch mal um Verständnis, es ist jetzt, wie gesagt, wir kennen das jetzt seit einer guten Stunde, man muss sich das in Ruhe mal anschauen.

    Köhler: Sie klingen sehr gütig, denn es hat ja in den letzten Jahren auch heftige Kontroversen zwischen Bevölkerung – Sie haben die Vereine genannt – und der Regierung gegeben.

    Kuke: Na ja, da sage ich dann wieder, als Kunsthistoriker Krieg erklären sollte man nur tun, wenn man ihn gewinnt. Also es hat, glaube ich, gar keinen Sinn, dort jetzt als Nörgler dazustehen, etwas zu kritisieren, was man vielleicht oder ... Was ich voraussagen kann, ist, dass das, was jetzt auf dem Tisch liegt, in der Fachwelt – bei vielen Denkmalpflegern, bei vielen Architekten, bei vielen, im Feuilleton könnte ich mir vorstellen – eben doch eine gewisse Enttäuschung hervorruft. Wenn es denn tatsächlich so kommt, wie es jetzt angekündigt ist.

    Köhler: Viele originale Reste sind entweder verstreut auf Museen und Teile auch von sogenannter Beutekunst, also kriegsbedingt verbrachten Gütern. Gibt es noch Stücke, die man finden kann, die man quasi mit wieder einbauen kann, so wie man in postmodernen Bauten ja auch solche Zitate manchmal mit einbaut?

    Kuke: Dieses Potsdamer Stadtschloss ist (...) der best dokumentiertesten untergegangenen historischen Bauwerke in Deutschland zählt. Ich meine, hier ist ja auch deutsche Geschichte geschrieben worden. Denken Sie an die Abschaffung der Folter, die Einführung der Pressefreiheit, das Toleranzedikt von Potsdam, Bach hat musiziert, Casanova war da, die Stein-Hardenberg'schen Reformen, Kommunalfreiheit, Bauernbefreiung – alles hat irgendwas mit dem Potsdamer Stadtschloss zu tun. Es ist ausgezeichnet dokumentiert, es gibt hervorragende – unter der Einführung der Fotografie als Medium überhaupt –, es gibt Bauzeichnungen, es ist noch mal vermessen worden vor dem Abriss. Und es gibt sehr viele Spuren. Das heißt, bei der Sprengung und auch nach der Zerstörung hat man viel geborgen, das ist das eine. Vieles davon ist gelagert, vieles davon ist überhaupt auch erst nach und nach noch aufgetaucht, die Bevölkerung bringt bestimmte Teile zurück, die sie damals gerettet hat nach dem Abriss vor der Sprengung. Die Möbel, die Sie ansprechen, sind tatsächlich zu großen Teilen noch vorhanden.

    Köhler: Im Jahr von 60 Jahren Grundgesetz und 20 Jahren Mauerfall auch ein Stück Wiederherstellung deutsch-deutscher Geschichte?

    Kuke: Ich würde sagen ja. Also wir haben immer gesagt, das ist eigentlich auch vergleichbar mit der Dresdner Frauenkirche. Da muss man noch mal drauf hinweisen, in Dresden hat das so wunderbar geklappt, weil man sich doch auch nach großen Kämpfen, das war ja nicht anders, letztlich dazu durchgerungen hat, das Original, der originalgetreue Wiederaufbau überzeugt die Menschen am meisten. Es ist ein Stück Versöhnung, ein Stück Versöhnung mit sich selbst. Ich finde, Brandenburg hat allen Anlass, auf seine Geschichte stolz zu sein und diesen Stolz auch öffentlich vorzuführen. Und ich meine, was hat Potsdam? Nach Potsdam kommt man wegen der Kultur und wegen der Geschichte.

    Köhler: Nächstes Jahr will man loslegen und auch schon bald fertig sein. Der Wiederaufbauplan für das Landtagsgebäude im ehemaligen Potsdamer Stadtschloss. Hans-Joachim Kuke vom Stadtschloss-Verein war das.