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Die preisgekrönten Wissenschaftler und die exzellenten Unis in Deutschland

Spitzennachwuchs zu fördern, ist das Ziel der Exzellenz-Initiative der Bundesregierung. Inwiefern das gelingt und welche Hürden Wissenschaftler für eine glänzende Karriereförderung in Deutschland nehmen müssen, hat unser Autor Thomas Wagner bei denen erfragt, die es wissen müssen: Nobelpreisträger.

Von Thomas Wagner |
    "Man sieht das ja, dass einige Hochschulen bei der letzten Runde aus diesem Exzellenzteam auch wieder rausgeflogen sind. Das heißt: Da wurde Geld in den letzten drei vier Jahren investiert, was jetzt größtenteils den Bach 'runtergegangen ist."

    Und noch ein weiteres stößt Peter Zinn bitter auf: die fehlenden beruflichen Perspektiven für ambitionierte Nachwuchswissenschaftler. Daran habe auch die Exzellenzinitiative nichts geändert.


    Ein Vergleich, der zum Schmunzeln anregt: Als Teilchenphysiker Rolf-Dieter Heuer am Mittag im Forschungszentrum CERN das Verhalten der neu entdeckten Elementarteilchen mit einer Horde neugieriger Journalisten vergleicht, darf nicht nur im Konferenzraum bei Genf, sondern auch in Lindau am Bodensee herzhaft gelacht werden: Dort nämlich haben sich im selben Moment 27 Nobelpreisträger und 592 Nachwuchswissenschaftler aus aller Welt versammelt. Gemeinsam schauen sie sich die Cern-Präsentation auf einer Großbild-Leinwand an. Mit dabei: Physik-Doktorand Peter Zinn von der Ruhr-Universität Bochum.

    "Das Auswahlverfahren war schon sehr heftig. Da muss man praktisch alles angeben, was man jemals in seinem akademischen Leben gemacht hat: also nicht nur Abschlusszeugnisse, Noten von allen möglichen Vorlesungen, sondern auch Veröffentlichungen, die man schon hat. Man muss Lehrverpflichtungen angeben, Auslandsaufenthalte, also wirklich alles. Und auf dieser Basis wird dann ausgewählt."

    Und das hat seinen Grund: Die Stiftung "Lindauer Nobelpreisträgertagung" will wirklich die besten der besten Nachwuchsforscher mit den besten der besten Wissenschaftlern weltweit überhaupt zusammenbringen - also mit denjenigen, die mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Von den knapp 600 Nachwuchsforschern kommen immerhin 115 aus Deutschland - und das, obwohl es keine vorgegebenen Länderquoten gibt. Professor Wolfgang Schürer, Vizepräsident der "Stiftung Lindauer- Nobelpreisträger-Treffen", macht hier einen Zusammenhang zur Exzellenz-Initiative der Bundesregierung aus. Beispiel: die schon zum zweiten Mal ausgezeichnete Eliteuniverisät Konstanz.

    "Obwohl das Bewerbungsverfahren ein blindes Verfahren ist: Die Universität Konstanz hat heute einfach eine starke Gruppe, die sie vertritt. Und das ist nicht, weil die Universität Konstanz vor der Haustür von Lindau steht sozusagen, sondern offensichtlich, dass an dieser Universität besonders talentierte Nachwuchswissenschaftler sind, die diesen Bewerbungsprozess auch erfolgreich meistern. Und so sehen Sie, wenn Sie durch das Teilnehmerverzeichnis gehen, dass es ein klares Indiz dafür gibt, dass die Exzellenzuniversitäten hier auch personell stark vertreten sind."

    Geht also die Formel auf, die da heißt: "Viel Geld investiert in Lehre und Forschung an Elite-Universitäten gleich höhere Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses"? Einer, der sich zeit seines Lebens erfolgreich mit Formeln beschäftigt, ist der Schweizer Physiker Kurt Wüthrich, im Jahre 2002 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Und er gibt sich, was derart simple Formeln angeht, eher skeptisch:

    "Man kann nicht heute Billionen reinpumpen und erwarten: In zwei Jahren gibt's einen Nobelpreis für das. So läuft das ja nicht. Eindeutig; Deutschland wird in der Wissenschaftswelt von der Max-Planck-Gesellschaft getragen.""

    Und eben nicht - noch nicht? - von den Elite-Unis, so das Urteil des Nobelpreisträgers aus der Schweiz. Auch Physik-Doktorand Peter Zinn sieht die Exzellenz-Initiative zwiespältig. Mehr Geld für Forschung und Lehre - das sei im Grundsatz schon ein richtiger Ansatz. Aber:

    "Man sieht das ja, dass einige Hochschulen bei der letzten Runde aus diesem Exzellenz-Team auch wieder rausgeflogen sind. Das heißt: Da wurde Geld in den letzten drei vier Jahren investiert, was jetzt größtenteils den Bach 'runtergegangen ist."

    Und noch ein weiteres stößt Peter Zinn bitter auf: die fehlenden beruflichen Perspektiven für ambitionierte Nachwuchswissenschaftler. Daran habe auch die Exzellenz-Initiative nichts geändert.

    "Ich denke, diese ganzen Maßnahmen greifen noch etwas zu kurz. Die Stellen, die für Nachwuchswissenschaftler geschaffen wurden, sind zeitlich ja sehr befristet, so auf fünf, acht Jahre immer. Das Problem, das vor allem junge Wissenschaftler wie ich derzeit haben, ist, dass nach einer Promotion die Berufsaussichten erst einmal sehr schlecht sind. Und um da Talente in Deutschland zu halten, ist eine große Aufgabe der Wissenschaftspolitik der Zukunft."

    Mehr permanente, statt zeitlich befristete Stellen mit besserer Bezahlung - daraufhin müsste die Exzellenz-Initiative des Bundes nach Ansicht von Peter Zinn modifiziert werden. Dann erst wären exzellente Unis überhaupt erst mit der Wirtschaft im Werben um Spitzenwissenschaftler konkurrenzfähig. Der Schweizer Nobelpreisträger Kurt Wüthrich kann dem nur zustimmen: Er durfte seinerzeit weitgehend unbehelligt Jahre- und jahrzehntelang an der Schweizer ETH-Zürich nach Herzenslust forschen, ohne allzu viel Zeit mit Förderanträgen und der zeitlichen Verlängerung seiner Stelle zu verbringen. Doch das war einmal.

    "Ich glaube, das ist nicht eine Erscheinung, die sich auf Deutschland beschränkt. Der ganze Wissenschaftsbetrieb geht Richtung Industrieorganisation, mit Jahresplänen, mit Verpflichtungen, die man unterschreibt und so weiter."

    Für den deutschen Medizin-Nobelpreisträger Professor Erwin Neher sogt die Exzellenz-Initiative immerhin für mehr Wettbewerb. Da komme bei denjenigen Hochschulen, die nicht ausgezeichnet wurden, der Ehrgeiz auf, es den Elite-Unis gleich zu tun.

    "Auch solche Universitäten, die nicht zum Zuge gekommen sind, haben sich angestrengt, um ihre Stärken herauszustellen, um Zusammenarbeiten zu schaffen, die eben vor Ort neue Dinge hervorbringen. In Göttingen, wo ich forsche, hat das Wunder bewirkt."

    Allerdings müsse man nachdenken über die Struktur des sogenannten 'Dreiförderliniensystems", das von der Förderung neuer Lehrformen wie Graduiertenschule über die Finanzierung spezieller Exzellenz-Cluster bis hin zur Elite-Auszeichnung reicht:

    "Was ich sehe ist, dass das ganze Konstrukt ein bisschen zu kompliziert ist, dass zum Beispiel die Bedingung ist, erfolgreich zu sein in der Förderlinie eins und zwei, um überhaupt im Zukunftskonzept eine Chance zu haben, zugelassen zu werden. Die Verbindung von diesen Dingern ist ein bisschen artifiziell und kann dazu führen, dass das Ganze ein Lotteriespiel wird."