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Die Presse- und Meinungsfreiheit wird

Am 26. Februar wurden Kambiz Kaheh und Said Mostaghasi von ihren Wohnungen abgeholt und an einen unbekannten Ort gebracht. Zwei Tage später erlitten Mohammed Abdi und Amir Ezati ein ähnliches Schicksal: sie wurden verhaftet. Am 1. März musste Yasamin Soufi persönlich auf der Polizei-Station Adareh Amaken erscheinen. Sie kehrte nicht zurück. Ihr Aufenthaltsort ist unbekannt! Alle fünf Personen verbindet ihr Beruf: sie sind Journalisten und arbeiten als Filmkritiker für verschiedene Fachzeitschriften. Virginie Locussol von Reporter ohne Grenzen in Paris:

Mona Naggar |
    Alle Journalisten sind von Adahe Amaken verhaftet worden. Es handelt sich dabei um eine Zweigstelle der Teheraner Polizei, die normalerweise für Sittendelikte zuständig ist. Ihr werden enge Verbindungen zum Geheimdienst nachgesagt. Wir glauben, dass alle Journalisten in einen besonderen Trakt im Evin-Gefängnis gebracht worden sind. Sie hatten bisher noch keinen Kontakt zu ihren Familien oder zu einem Anwalt.

    Yasamin Soufi kam vor wenigen Tagen frei. Ihre Kollegen sind weiterhin in Haft. Jusitzkreise beschuldigen die Filmjournalisten die Kulturpolitik der Regierung kritisiert zu haben. Nach Informationen der Organisation Reporter ohne Grenzen planten die Journalisten eine Kino-Presseagentur zu gründen. Das könnte die Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte auf sie gezogen haben. Shahram Ahadi vom Persischen Dienst der Deutschen Welle:

    Ich denke, wenn Journalisten unter Druck gesetzt werden, dann kann es zwei Gründe geben. Einmal ist man nicht mit dem, was sie sagen einverstanden. Oder es kann sein, dass man sieht sie versuchen sich zu organisieren in welcher Form auch immer. Jetzt als Verband oder Organisation, die ein bestimmtes Ziel verfolgt und man möchte das vermeiden. Man sieht welche Schwierigkeiten es gegeben hat als die Schriftsteller versucht haben einen Verband zu gründen. Und das hängt damit zusammen.

    Ein weiterer Grund ist wahrscheinlich die Beziehung der verhafteten Journalisten zu ihrem Kollegen Siamak Pourzand. Der Feuilletonist und Direktor eines Teheraner Kulturzentrums wurde im November 2001 verhaftet. Das Zentrum ist ein beliebter Treffpunkt für Intellektuelle und Künstler. Einige Monate später verurteilte ihn ein Sondergericht zu 11 Jahren Haft. Grundlage des Urteils ist ein erzwungenes Geständnis, das er im Fernsehen verkündet. Darin gesteht Pourzand angebliche Kontakte zu monarchistischen Kräften. Außerdem wurde ihm vorgeworfen, in den 70er Jahren ein Agent des Geheimdienstes gewesen zu sein. Ende letzten Jahres wurde Pourzand freigelassen. Virginie Locussol ist sich sicher, dass seine Freilassung nur aufgrund des internationalen Drucks der Menschenrechtsorganisationen erfolgt ist:

    Er ist freigelassen worden, aber ohne ein offizielles Papier. Das heißt, das er jederzeit wieder verhaftet werden konnte. Das System im Iran ist so. Es ist eine Methode um Druck auf den Gefangenen auszuüben.

    Die Befürchtung von Virginie Locussol hat sich bestätigt. Vor wenigen Tagen wurde Siamak Pourzand wieder verhaftet. Beim ersten Amtsantritt von Präsident Chatami 1997 versprach er der iranischen Bevölkerung Meinungs- und Pressefreiheit. In den folgenden Jahren erlebte die Presselandschaft in der Islamischen Republik eine bisher beispielslose Blüte. Neue Zeitungen sind entstanden. Journalisten griffen Themen auf, die vorher unvorstellbar waren. Sie schrieben über politische Morde, willkürliche Verhaftungen, Überdrückung der Frauen und auch über das heikle Thema der Beziehung zwischen Religion und Staat. Aber die Journalisten mussten auch erleben, dass sie Opfer eines erbitterten Machtkampfes geworden sind. Shahram Ahadi:

    Es gibt zwei Machtpole, die Konservativen und die Regierung unter Chatami. Es gibt ein Machtkampf zwischen den beiden. Und da Justiz in der Hand der Konservativen ist, die können reagieren auf solche Vorstoßversuche (im grunde), sie können es unterbinden unter bestimmten Vorwand, es kann Spionage sein, es auch Drogenschmuggel sein, es können auch banale Sachen sein. Man lässt sie einfach verhaften und zur Rechenschaft ziehen. Hintergrund ist ein anderer. Weil man nicht mit dem was sie sagen einverstanden sind.

    Zur Zeit befinden sich neun iranische Journalisten in Haft. Über 100 Zeitungen sind in den letzten drei Jahren geschlossen worden. Mehr als 2000 Journalisten und Photographen haben dadurch ihre Arbeit verloren. Wie es mit den jüngst verhafteten Filmjournalisten Kaheh, Mostaghasi, Abdi und Ezati weiter gehen wird, ist noch unklar. Virginie Locussol:

    Man kann nie wissen. Man kann sich nicht auf das iranische Justizsystem verlassen. Manchmal darf der Gefangene Kontakt zu einem Anwalt haben, manchmal nicht. Manchmal findet das Gerichtsverfahren hinter verschlossenen Türen statt, manchmal nicht. Man kann eben nie wissen.

    Das weitere Schicksal von Siamak Pourzand ist ebenfalls unklar. Der 70 Jahre alt Journalist, der gesundheitlich angeschlagen ist, wird im Evin Gefängnis in Teheran gefangen gehalten.