30. April 2023
Die Presseschau

Themen in den uns vorliegenden Zeitungen sind die Ankündigung von US-Präsident Biden für eine zweite Amtszeit kandidieren zu wollen sowie die Parlaments- und Präsidentenwahl in der Türkei. Außerdem geht es vor dem Tag der Arbeit um die Veränderungen in der Berufswelt.

Ein Banner "1. Mai DGB-Jugend" ist bei der zentralen Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) 2017 zu sehen. Am 1. Mai finden zahlreiche Aktionen virtuell im Internet statt.
DGB-Kundgebung zum 1. Mai - Tag der Arbeit (ein Archivbild) (dpa/Ina Fassbender)
Dazu schreibt DER TAGESSPIEGEL aus Berlin: "Der Fokus der Debatten um die Arbeit hat sich im Laufe der Zeit geweitet. Es geht heute immer noch um Löhne und Gerechtigkeit, aber sehr oft auch um Sinn und Zufriedenheit. Junge Menschen sehen in Arbeit nur noch eine von mehreren Möglichkeiten, den Tag rumzubringen. Mit Geld kann man sie immer weniger an die Werkbänke locken. Das ist schon allein deshalb nicht trivial, weil der Staat auf das Geld angewiesen ist, dass er in Form von Steuern von den Löhnen einbehalten kann. Wenn niemand mehr verdienen möchte, womit soll der Fiskus dann kalkulieren? Und wer soll sich für Deutschlands wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit ins Zeug legen, wenn mehr und mehr den Einsatz verweigern? Längst nimmt in mehreren Branchen der Mangel an Fachkräften bedrohliche Ausmaße an. Arbeitskräfte-Suchtrupps hetzen in Konkurrenz mit denen aus anderenIndustrieländern über den Globus, um Arbeitswillige zu suchen, die hierzulande denOutput-Standard sichern sollen. 'Wo ist der Biss hin', fragen besonders die Babyboomer, wo das Erreichenwollen? Interessanterweise wird das nachlassende Interesse am Volleinsatz damit von genau der Generation beklagt, die den Burnout zur Standard-Diagnose für berufliche Überlastung etabliert hat und den Jüngeren somit als schlechtes Beispiel dient", erläutert DER TAGESSPIEGEL.
Die KLEINE ZEITUNG aus Österreich notiert: "In allen Feldern der Arbeitswelt bläst der Wind der Veränderung von Jahr zu Jahr stärker. Heute schwanken die Projektionen zwischen Hoffnung und Furcht: Manche glauben, man könne bald eine Freizeitgesellschaft samt Grundeinkommen etablieren, in der Roboter, Sensorik und künstliche Intelligenz die Schmutzarbeit erledigten. Andere fürchten, uns gehe die Arbeit aus. Wieder andere merken, dass inmitten der Pensionierungswelle der 'Boomer' eher die zupackenden Hände fehlen: die Facharbeiter, Köche, Kellner, Lehrerinnen, Pfleger und überhaupt alle, die gewillt sind, öfter als nur gelegentlich zwischen Sabbatical und Fenstertag an einer Arbeitsstätte Dienst zu versehen. Tatsächlich gilt: Wenn uns die Maschinen die Routinen abnehmen, dann hätten wir die Chance, das Kreative und genuin Menschliche zum Fundament einer neuen, vielleicht wirklich besseren Arbeitswelt zu gießen. Denn die junge Arbeitnehmer-Generation rebelliert im Grunde nicht gegen die Leistung, sondern gegen Fremdbestimmung, Überregulierung, Hierarchie. Wir müssen uns eingestehen, dass die Verheißung des alten Gesellschaftsvertrags nicht mehr stimmt: Wer heute geregelt und fleißig arbeitet, kann weder seines dauerhaften Arbeitsplatzes noch seines guten Auskommens samt Vermögensaufbau sicher sein", ist in der KLEINEN ZEITUNG aus Graz zu lesen.
Nun in die USA. Dort hat Präsident Biden angekündigt, für eine zweite Amtszeit kandidieren zu wollen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG schreibt dazu: "Im Alter von 78 Jahren zog Biden ins Weiße Haus ein. Schon seinerzeit war ihm sein Alter anzusehen. Seine Mitarbeiter taten von Anfang an ihr Bestes, den Präsidenten abzuschirmen. Fauxpas blieben dennoch nicht aus. Der politische Gegner - nicht zuletzt Trump - verbreitete Häme. Doch auch in der eigenen Partei machten sich Bedenken breit. Ein Generationenwechsel, den Biden selbst versprochen hatte, sei überfällig. Es ist gewiss beklagenswert, dass es unter den Demokraten keinen gibt, der für diese Wachablösung infrage kommt. Die Vizepräsidentin Kamala Harris nicht und junge Minister wie Pete Buttigieg noch nicht. Und auch charismatische Gouverneure oder aufstrebende Senatoren sind rar. Biden setzt klar auf eine Wiederholung seiner Kampagne aus dem Jahr 2020: den Kampf für die Demokratie in Amerika. Biden und seine Leute glauben, mit dieser Botschaft die Wählerallianz von 2020 noch einmal versammeln zu können. Deshalb lassen ihn seine bescheidenen Zustimmungswerte kalt. Der Präsident setzt darauf, dass die Amerikaner - vor die Wahl zwischen ihm und dem Trumpismus gestellt - wieder vernunftgeleitet handeln werden", heißt es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG.
Die Schweizer NZZ am Sonntag ist der Ansicht: "Biden darf auch im Amt sterben, fast jeder fünfte US-Präsident hat es getan, fast jeder zehnte durch Gewalt, die Vizes stehen bereit. Bleibt einem Präsidenten dieses Schicksal erspart, sind ihm beim begleiteten Altwerden im Weissen Haus mehr Helferinnen zu Diensten als in der teuersten Alterslodge. Und jede Entscheidung wird von einem Beraterheer mitgetragen. Jenseits des Zerfalls gibt es im Übrigen einen Leistungsausweis von Greisen, der quer durch die Jahrhunderte und Tätigkeitsgebiete reicht: Mit 88 meißelte Michelangelo an der Pietà Rondanini. Mit 90 schrieb Ernst Jünger seinen ersten Krimi. Und mit 93 eroberte der Doge Enrico Dandalo Konstantinopel für Venedig; dass er dabei Obama-haft durch Gassen gespurtet wäre, ist nicht überliefert. Dem Staatschef Biden stünden demnach noch einige Jahre zu, um feindlichen Mächten die Stirn zu bieten und Verwerfungen im eigenen Land zu glätten. Verlängert man auf der historischen Zeitachse die Gerade, die vom Stammvater Abraham zu Leadern wie Sebastian Kurz oder Greta Thunberg führt, sieht es nach dem baldigen sozialen Tod des Alters aus", meint die NZZ am Sonntag aus Zürich.
Nun nach Österreich. Die Wiener Zeitung DIE PRESSE AM SONNTAG wirft der österreichischen Regierung angesichts der vielfältigen Probleme eine Vogel-Strauß-Politik vor: "Die Fähigkeit, den Kopf in den Sand zu stecken, ist in diesem Land besonders ausgeprägt. Das zeigt sich in den verschiedensten Bereichen immer wieder auf erstaunliche Weise: Ein Krieg durchpflügt gerade die sicherheitspolitische Landschaft in Europa, Finnland und Schweden suchen deshalb Schutz bei der NATO. Doch Österreichs Elite ist nicht einmal ansatzweise bereit, über den Wert der Neutralität nachzudenken. Seit Jahrzehnten ist angesichts der Überalterung der Gesellschaft die Demografielücke absehbar, und trotzdem wundern sich nun alle über den Arbeitskräftemangel. Auch der schleichende Zerfall des Gesundheitssystems kommt nicht über Nacht. Und: Derzeit stagniert Österreich wirtschaftlich im EU-Vergleich, überdurchschnittlich ist indes die Teuerungsrate.Österreich ist eine Vogel-Strauß-Republik geworden, in der ein Großteil der politischen Energie darauf verwendet wird, die Realität ausblenden. Das mag sich behaglich anfühlen. Die Zukunft lässt sich so jedoch nicht meistern", kritisiert DIE PRESSE AM SONNTAG, die in Wien herausgegeben wird.
Abschließend ein Blick in die norwegische Zeitung BERGENS TIDENDE, die die Wahlen in der Türkei kommentiert: "Nach 20 Jahren an der Macht hat Präsident Erdogan noch immer Ambitionen. Sein politisches Leben war stets turbulent, aber heute kann er sich brüsten, der am längsten amtierende türkische Staatsführer zu sein. Dabei brach er mit der säkularen Geschichte der türkischen Republik und verschaffte dem Islam mehr Raum in der Politik. 2016 überstand er einen Militärputsch und erhielt durch eine Verfassungsänderung weitgehende Vollmachten. Zu seinen besten Zeiten konnte Erdogan auf ein anhaltendes und stabiles Wirtschaftswachstum und einen steigenden Lebensstandard der Bevölkerung verweisen. International versuchte er, den Einfluss der Türkei zu stärken, und bis heute blockiert er einen NATO-Beitritt Schwedens. Im eigenen Land gilt er als volksnaher Politiker, während ihn seine Gegner für seinen autoritären Führungsstil kritisieren. Aber die anstehenden Wahlen könnten zur bislang größten Herausforderung für den starken Mann der Türkei werden. Seine Zustimmungswerte sind in den letzten Jahren gesunken, auch wegen seiner unorthodoxen Wirtschaftspolitik, die die Inflation in schwindelerregende Höhen getrieben hat", unterstreicht BERGENS TIDENDE.