
Die TAGESZEITUNG analysiert: "So kämpferisch am Tag der Arbeit die Reden der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi in Köln oder von Verdi-Chef Frank Werneke in Frankfurt am Main auch sein werden, können sie doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein schwieriges Jahr ist, in dem sich die organisierte Arbeiterbewegung befindet. Ob die Gewerkschaften gestärkt oder geschwächt aus ihm hervorgehen werden, ist noch nicht ausgemacht. Auf den ersten Blick mag eine solche Skepsis verwundern. Schließlich haben die zahlreichen Warnstreiks in den ersten Monaten dieses Jahres gezeigt, wie mobilisierungs- und kampffähig die deutschen Gewerkschaften immer noch sind. Und das hat sich für sie ausgezahlt. Allein Wernekes Verdi verzeichnet seit Jahresbeginn mehr als 70.000 neue Mitglieder. Doch wie viele davon werden am Ende des Jahres noch dabei sein? Das wird sich daran entscheiden, für wie akzeptabel sie die mitunter ziemlich große Differenz zwischen gewerkschaftlichem Anspruch und tarifvertraglicher Wirklichkeit halten", erwartet die TAZ.
Die RHEINISCHE POST kommentiert das neu eingeführte, bundesweite 49-Euro-Ticket, das ab heute gültig ist: "Das 'Deutschlandticket' läutet eine Revolution im Nahverkehr ein. Umso wichtiger ist es, die weiteren Schritte klug zu bedenken. Grundsätzlich muss klar sein, dass höhere Investitionen in die Infrastruktur wichtiger für eine gute Zukunft des Nahverkehrs sind, als sich mit immer neuen Billigtarifen zu überbieten. Es ist ein tolles Angebot des Staates, dass Bürger eine relativ günstige Flatrate für die bundesweite Nutzung von Bussen, S-Bahnen und Nahverkehrszügen angeboten bekommen. Doch damit wirklich viele Millionen Menschen immer wieder und immer öfter vom Auto auf den Nahverkehr umsteigen, muss mehr passieren. S-Bahnen sollten mittelfristig in einen Zehnminutentakt wechseln, Regionalzüge brauchen ebenfalls viel kürzere Taktungen. Bahnhöfe und Abteile müssen sauberer werden, für das Land brauchen wir mehr Schnellbusse. Insbesondere das Schienennetz muss ausgebaut werden – Deutschland stehen Investitionen von zig Milliarden Euro bevor. Vorbilder wie London oder Washington zeigen: Wenn in einer Region das Nahverkehrssystem inklusive U-Bahn und Nahverkehrszügen deutlich bequemer zu nutzen ist als das Auto, lockt es Millionen Menschen an", glaubt die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf.
Nun in die Ukraine, die nach eigenen Aussagen die Vorbereitungen für eine Gegenoffensive abgeschlossen hat. Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU notiert: "Die Ukraine habe nur noch diese eine Chance, ist in westlichen Hauptstädten zu hören. Richtig ist: Sollte die Offensive mit großen Verlusten scheitern, werden die westlichen Partner die ukrainische Armee nicht noch einmal so ausrüsten können, wie es jetzt erfolgt ist. Die zwölf frischen Brigaden, die Kiew aufgestellt hat, sind zum Erfolg verdammt. Aber woran bemisst sich dieser Erfolg? Das wird weder in der Ukraine noch im Westen klar kommuniziert. Derzeit kontrolliert Russland ein Sechstel des ukrainischen Staatsgebiets, eine Fläche größer als Portugal. Das kann die Ukraine nicht alles im Handstreich zurückerobern. Zwar ist jede vom russischen Terror befreite Siedlung ein Gewinn, aber entscheidend ist, ob die Ukraine von Russland benutzte Verbindungswege blockieren, russische Truppenteile voneinander isolieren und ihre Positionen unhaltbar machen kann. Das alles würde kein Ende des Kriegs bringen - es sei denn, wider Erwarten fände in Moskau ein schneller Führungswechsel statt. Aber Kiew kann die Voraussetzungen für eine Phase des Krieges schaffen, in der Russland nur der Rückzug bleibt", meint die KÖLNISCHE RUNDSCHAU.
Der NEW ZEALAND HERALD warnt davor, die Gegenoffensive überzubewerten: "Im Krieg ist nichts garantiert. Die Demütigung Russlands auf dem ukrainischen Schlachtfeld ist ein Beweis dafür. Vor einem Jahr dachte Putin noch, er hätte die zweitbeste Armee der Welt. Heute ist offensichtlich, dass er auch in der Ukraine nur die zweitbeste Armee hat. Aber er hat Masse, und er hat einen militärischen und politischen Apparat aufgebaut, dem es an jeder Moral mangelt. Er ist bereit, die mageren Fortschritte seiner Truppen mit dem Leben Tausender junger Russen zu bezahlen. Dagegen kann selbst der klügste Plan der Welt scheitern, ausgeführt von den motiviertesten Soldaten, mit der besten Technologie, die der Westen zur Verfügung stellen kann. Denn die russischen Soldaten wissen, dass jeder Rückzug oder jede Kapitulation von den Kugeln ihrer eigenen Offiziere beantwortet wird. Es gilt also, vorsichtig mit Siegeserwartungen umzugehen. Sonst könnte auf den Hochmut ein kostspieliger Fall folgen", warnt der NEW ZEALAND HERALD aus Auckland.
Die FINANCIAL TIMES fordert mehr Konsequenz im Umgang mit den Sanktionen gegen Russland: "Es war ermutigend zu sehen, dass rund um den Jahrestag der russischen Invasion einige Anstrengungen in diese Richtung unternommen wurden. Aber es könnte noch mehr getan werden - angefangen bei einer besseren innerstaatlichen Umsetzung der Sanktionen in den verbündeten Ländern und einem stärkeren diplomatischen Engagement. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Verbündeten der Ukraine ihre Lehren aus der unzureichenden Reaktion auf Russlands Annexion der Krim im Jahr 2014 gezogen haben und seit ihrem zögerlichen Start im vergangenen Jahr weit vorangekommen sind. Aber da der Kreml seine Lieferketten und Finanzverbindungen anpasst und verschleiert, muss der Westen seine Aktivitäten ebenfalls anpassen", verlangt die FINANCIAL TIMES aus London.
Zum Abschluss noch ein Blick in den Sudan. Der österreichische STANDARD hält fest: "Der Unterschied für Millionen Sudanesen und Sudanesinnen zu früheren Konflikten im Land ist ein entscheidender. Sie spielten sich sehr oft in der Peripherie des schwachen Staats ab, nicht (auch) in der Zentrale wie jetzt. Tausende fremde Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, darunter auch viele sudanesisch-stämmige, wurden in den vergangenen zehn Tagen außer Landes gebracht. Mit Entsetzen sahen die anderen Menschen zu, sie wussten, was das bedeutet: Mit baldiger Beruhigung der Lage ist nicht zu rechnen. Zuerst setzen sich immer eher erst jene in Bewegung, die es sich leisten können, die hoffen, irgendwo anknüpfen zu können. Die Bevölkerungen in der Region sind gastfreundlich – viel ärmer und viel gastfreundlicher als wir –, aber Ägypten etwa ist ein besonders gutes Beispiel eines Landes, das nun selbst auf seine letzten Ressourcen zurückgeworfen ist, das Wasser steht ihm wirtschaftlich bis zum Hals. Die Sudanesen und Sudanesinnen werden aus der Region weiterziehen; nicht weil sie es wollen, sondern weil sie es müssen, um zu überleben. Es werden vielleicht keine Millionen sein, aber Europa sollte darauf vorbereitet sein – und sich vor allem jetzt schon überlegen, wie es akut helfen kann", unterstreicht der STANDARD aus Wien.