06. August 2023
Die Presseschau

Themen sind unter anderem das Delegiertentreffen der AfD und die erneute Anklage gegen den früheren US-Präsidenten Trump.

Alice Weidel hantiert mit einem Sichtschutz, den sie als individuelle Wahlkabine auf ihrem Tisch auf dem Podium aufbaut. Im Vordergrund sind weitere Teilnehmer der AfD-Europawahlversammlung zu sehen.
Das Delegiertentreffen der AfD in Magdeburg ist Thema in verschiedenen Sonntagszeitungen. (Klaus-Dietmar Gabbert / dpa / Klaus-Dietmar Gabbert)
Die AfD gedeihe in einem Biotop, das weitgehend abgekoppelt sei von der Meinungs- und Medienlandschaft entlang des sogenannten Mainstreams, schreibt die österreichische Zeitung DIE PRESSE AM SONNTAG: "Auch wenn sich die AfD gern als bürgerlich-konservative Kraft darstellt, ist sie anschlussfähig für Rechtsextremisten, Rassisten und Chauvinisten aller Art. Ja, sie ist ein Sammelbecken für diese Gruppen. Und deshalb meiden es die anderen Parteien, an der AfD auch nur anzustreifen. Anders als in Österreich hat der Cordon sanitaire gehalten. In Deutschland nimmt man es mit Prinzipien nicht so locker. Die Ösi-Methode, Rechtspopulisten durch eine Regierungsbeteiligung zu entzaubern, ist für das Nachbarland bisher keine Option. Das kann sich ändern, wenn die AfD weiter wächst. Doch für Europa steht in Deutschland viel auf dem Spiel. Die AfD tritt für einen Rückbau der EU ein, manche liebäugeln sogar mit einem Austritt. Wenn diese Partei im Schlüsselstaat Europas an die Macht kommt, liegt das EU-Projekt auf der Intensivstation", befürchtet die Wiener Zeitung DIE PRESSE AM SONNTAG:
Der TAGESSPIEGEL aus Berlin schreibt: "Je stärker die AfD wird, desto mehr sehen sich die etablierten Parteien, allen voran in der CDU, vor einem Dilemma: Boykottieren oder kooperieren? Abstandhalten oder pragmatische Duldung? Als Metapher für den Abstand zur AfD dient die 'Brandmauer'. Friedrich Merz versprach Ende 2021 in einem Interview mit dem "Spiegel": 'Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben.' Das gelte auch für die 'Landesverbände, vor allem im Osten'. Im jüngsten ZDF-Sommerinterview hat Merz dann aber Kooperationen auf kommunaler Ebene nicht ausgeschlossen. Er erntete einen Sturm. Nun nutzt die AfD selbst das Bild einer bröckelnden Backsteinwand, um ihre Fähigkeit zu illustrieren, Elemente populistischer Propaganda in die gesellschaftliche Mitte zu kehren", meint DER TAGESSPIEGEL.
Die WELT AM SONNTAG konstatiert: "Es gibt eine wachsende Feindschaft gegen Institutionen. Staat, Kirche, Bildung: All das, was in Amerika als 'Establishment' firmiert, steht unter Verdacht. Dazu gehören auch Hetze gegen die Presse, Leugnung von Fakten, Infragestellung der Wissenschaft. Das sind Angriffe gegen die Grundwerte der Demokratie. Wenn nicht nur von links, sondern aus der Mitte der Gesellschaft heraus Bürgerräte etabliert werden, stärkt das vor allem jene, die den Glauben an die Demokratie ohnehin schon verloren haben. Als blanker Opportunismus ist deshalb auch die Äußerung von Bundeskanzler Olaf Scholz zu werten, jede gesetzliche Regelung zur Klimapolitik müsse so gut sein, dass sie in einer Volksabstimmung eine Mehrheit fände. Das muss sie eben nicht! Der Vorbehalt gegen eine plebiszitäre Demokratie auf Bundesebene hat in Deutschland historische Gründe. Gerade in Krisenlagen ist die Regierung gut beraten, das nicht aufzuweichen, selbst nicht in der Theorie. Was es jetzt braucht, ist eine Stärkung der gesellschaftlichen Mitte", unterstreicht die WELT AM SONNTAG.
Themenwechsel. In den USA gibt es eine dritte Anklage gegen den früheren US-Präsidenten Trump, diesmal unter anderem wegen des Vorwurfs der versuchten Wahlbeeinflussung. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG empfiehlt die Lektüre der Anklageschrift von Sonderermittler Jack Smith: "Das Schriftstück dokumentiert schnörkellos, wie Präsident Trump 2020 versuchte, seine Wahlniederlage gegen den Herausforderer Joe Biden mit kriminellen Mitteln in einen Sieg umzubiegen. Trumps Opfererzählung von der beispiellosen 'Hexenjagd' auf einen Unschuldigen ist an seiner Basis längst zum Faktum geworden. Der Mann, der zu Beginn seines ersten Wahlkampfs noch damit prahlte, sich ohne Spenden zu finanzieren, wirbt jetzt nach jeder neuen Anklage Millionen ein - und hat einen Großteil davon schon wieder für Rechtskosten ausgegeben. Für Trump geht es dabei nicht mehr um Politik, sondern darum, sich vor dem Gefängnis zu bewahren. Wenn er die Wahl gewinnt, kann er zumindest die Anklagen gegen sich auf Bundesebene unterdrücken. 2024 könnte es also zu einer Wiederholung der Wahl von 2020 kommen, Biden gegen Trump. Biden tritt wieder mit dem Versprechen an, die amerikanische Demokratie zu retten. Diesmal hat er es schwerer als beim letzten Mal: Trump ist der Angreifer, der kein Tabu mehr kennt und der es geschafft hat, dass seine Anhänger ihm blind folgen", hebt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG hervor.
In einem Gastkommentar der NEW YORK TIMES heißt es: "Das Letzte, was die USA und die Welt brauchen, ist, dass dieser Gerichtsprozess gegen Trump zu einem Spiel ausarten würde, bei dem jede Seite online und in den Fernsehsendern ihre Mannschaft anfeuert, als würde sie von einer Tribüne aus zuschauen und jubeln. Vieles davon wird vermutlich so eintreten. Aber stellen Sie sich vor, wie eine ruhige, methodische, aber sicherlich fesselnde Präsentation der Argumente beider Seiten - die den Beweisregeln und dem Anstand eines Bundesgerichts und nicht den Algorithmen von Facebook und Twitter unterliegt - die nationale Stimmung bei der Verkündung des Urteils abmildern könnte. Zumindest würden die Menschen dadurch besser darüber informiert, was die wichtigste Tätigkeit ihrer Regierung sein könnte", ist in der NEW YORK TIMES zu lesen.
Hören Sie nun einen Kommentar aus der Schweizer NZZ AM SONNTAG zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Gefahr einer Konfrontation der NATO mit Russland steige, meint das Blatt und führt weiter aus: "Der Krieg in der Ukraine macht keine Pause, auch wenn er in diesen Sommertagen aus den Schlagzeilen verschwunden ist. Im Gegenteil: Die Offensive der ukrainischen Soldaten an der Front gegen die russischen Invasoren geht zäh voran. Zugleich aber verdienen die Angriffe und Drohgebärden der Russen an der Peripherie des Krieges, an der Grenze zu den Nato-Ländern im Westen, besonderes Augenmerk. Russland hat diese Woche erstmals einen ukrainischen Binnenhafen im Donaudelta mit Drohnen angegriffen, nur 120 Meter weit entfernt vom rumänischen Staatsgebiet. Weiter im Norden flogen zwei Helikopter des weißrussischen Militärs über polnisches Territorium. Die Privatarmee Wagner bildet weißrussische Soldaten im Grenzgebiet aus und schürt Befürchtungen über einen hybriden Angriff auf die Nato-Staaten Polen und Litauen. Ein kremlnaher Politologe nannte ohnehin jüngst die Grenzen nach Polen und zu den baltischen Staaten künstlich. All dies sind gefährliche Provokationen. Sie können im Handumdrehen zu einer militärischen Konfrontation zwischen der Nato und Russland führen. Wegducken ist aber kein Rezept, um mit Wladimir Putin umzugehen. Die militärische Unterstützung der Ukraine muss weitergehen. Nur so lässt sich der Neoimperialismus des russischen Präsidenten stoppen", mahnt die NZZ AM SONNTAG aus der Schweiz.
In Japan wird in diesen Tagen wieder an die Opfer der US-amerikanischen Atombombenabwürfe erinnert. Die Zeitung ASAHI SHIMBUN plädiert für eine atomwaffenfreie Welt: "Seit dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki gab es in den letzten 78 Jahren keinen Krieg, in dem die Atomwaffen eingesetzt wurden. Würden sie einmal eingesetzt, könnte das nicht nur eine langwierige Katastrophe auslösen, sondern auch die Ordnung und die Moral vom Grund auf zerstören, die die internationale Gemeinschaft lange aufgebaut und bewahrt hat. Diese Gefahr ist weltweit geteilt worden. Die Drohungen des russischen Präsidenten Putin mit Atomwaffen sind eine Herausforderung für die Menschheit. Wie dumm diese Drohungen sind, sollte sich Putin klarmachen. China oder Nordkorea, die eine Aufrüstung oder Entwicklung angestreben, könnten aus dieser falschen Botschaft ableiten, dass Atomwaffen doch ein effektives Mittel seien. Deshalb muss die Verwendung der Atomwaffen und deren Möglichkeit gestoppt werden: Das ist aktuell die dringende Aufgabe der internationalen Gemeinschaft", mahnt die Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio, mit der die Sonntagspresseschau endet.