31. Dezember 2023
Die Presseschau

Kommentiert werden der bevorstehende Jahreswechsel sowie der Vorstoß von Bundesarbeitsminister Heil, Bürgergeld-Empfängern bei Arbeitsverweigerung zeitweise die Unterstützung zu streichen.

Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, spricht im Bundestag.
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, will Arbeitsverweigerern das Bürgergeld kürzen. (dpa / Michael Kappeler)
Dazu schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG: "Seit Wochen stellt Deutschland fest, dass sich für viele Menschen das Arbeiten nicht lohnt, dass sie mit Bürgergeld finanziell nicht viel schlechter dastehen als mit Arbeit und dass der eine oder andere darum erst gar nicht arbeiten will, sondern lieber vom Staat lebt - mitten im größten Arbeitskräftemangel seit Jahrzehnten. Und dann beschließt Arbeitsminister Hubertus Heil: Wer eine Stelle nicht annimmt, der soll zwei Monate lang kein Bürgergeld bekommen. Da doktert er an den Symptomen herum, statt die Krankheit zu kurieren. Das Grundleiden ist ein ganz anderes: In Deutschland gibt es zwei anerkannte Gerechtigkeitsprinzipien, die einander im Prinzip ausschließen. Einerseits sollen arme Menschen nicht abgehängt werden. Sie sollen nicht nur genug Geld zum Überleben bekommen, sondern auch am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Andererseits soll genau das nicht passieren, denn das andere Gerechtigkeitsprinzip heißt: Wer arbeitet, soll mehr haben. In den vergangenen Jahren hatte sich zwischen beiden Forderungen eine Balance gebildet. Die allerdings ist in den vergangenen Monaten verloren gegangen", beobachtet die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
Die Zeitung WELT AM SONNTAG führt aus: "Ein mit der Faust wedelnder Sozialminister, der 'Totalverweigerern' mit einem 'Knallhart-Plan' droht: Die mediale Inszenierung um die Ankündigung, Empfängern das Bürgergeld für zwei Monate zu streichen, die sämtliche Jobs ablehnen, passt so gar nicht zum sonstigen Auftreten von Hubertus Heil und dem 'neuen Geist', den das Bürgergeld als Hartz-IV-Nachfolger atmen soll. Heil schwenkt auf einen Kurs ein, den große Teile seiner SPD sowie die Grünen noch bis vor Kurzem für undenkbar hielten. Hintergrund sind angeblich die Sparziele im Haushalt. Blickt man auf die Zahl der 'Totalverweigerer', ist so aber nicht viel zu holen: Das sind ungefähr drei Prozent aller Empfänger. In vielen Fällen wird gar nicht erst sanktioniert, weil die Jobcenter den fälligen bürokratischen Marathon scheuen. Die wahrscheinlichere Erklärung für den schärferen Ton ist: Heil hat bemerkt, dass die abermalige Erhöhung der Bürgergeldsätze - plus 24 Prozent innerhalb von zwei Jahren - für Unverständnis und Ärger unter großen Teilen der arbeitenden Mitte gesorgt hat. Bei Menschen, die potenziell SPD wählen", vermutet die WELT AM SONNTAG.
Die Zeitung BILD AM SONNTAG befasst sich zum Jahresende mit dem Zustand der Bundesregierung und schaut auf die Rolle der oppositionellen Union: "Kanzler Scholz und seine Ampel-Recken sind bei der Mehrheit der Bürger unten durch. Keiner traut ihnen die Lösung der Probleme zu. Wahr ist aber auch: CDU und CSU simulieren eine Regierungsfähigkeit, die sie derzeit gar nicht haben. Wer will überhaupt von der Union gegen Scholz antreten? Bisher war klar: Merz will es auf jeden Fall. Aber jetzt macht er zum Jahreswechsel plötzlich selbst Zweifel an seiner Eignung zum Kanzler öffentlich - von wegen zu alt, falsche Wähler, Familie. Und Söder schwört weiter: ohne mich! Und Wüst stichelt nur gegen andere, bringt aber keinen geraden Satz zu eigenen Ambitionen über die Lippen. Wer vorgezogene Neuwahlen will, müsste den Eiertanz um den eigenen Kanzlerkandidaten sofort beenden. Doch von ernsthaften Vorbereitungen der Union ist nichts zu spüren. Das lässt nur einen Schluss zu: CDU und CSU glauben selbst nicht an das, was sie fordern. Angesichts des sich abzeichnenden Triumphs der AfD und der Gründung der Wagenknecht-Partei steht die Demokratie in Deutschland nächstes Jahr vor einer echten Bewährungsprobe", befürchtet die BILD AM SONNTAG.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG sorgt sich ebenfalls um die Demokratie: "Der Kreml will sich die Ukraine krallen. Alle hatten nach dem ersten Schock noch gelästert. Museumsreifes Gerät zuckelte Richtung Front, desorientierte Soldaten irrten in Tschernobyl durch die verstrahlten Wälder. Die russischen Generäle, die Kiew mit einem Blitzkrieg einnehmen wollten, glichen Witzfiguren. Präsident Putin schien als impotenter Verbrecher im grossrussischen Rausch entlarvt. Heute zappeln seine Gegner – am versiegenden Tropf der westlichen Militärhilfe. Die Geschichte wiederholt sich, der Westen hat sich einmal mehr geirrt. Sind Diktaturen stärker als Demokratien? Da hat Putin ein bisschen recht. Diktaturen haben nichts zu verlieren. Weder Wohlstand noch Werte. Unsummen von Rohstoff-Erträgen generierte Russland unter Putins Herrschaft, das gemeine Volk ging leer aus. Verachtung und Unterdrückung für seine verarmten Bürger, lautet sein Erfolgsrezept. Treten Europa und die USA den Beweis an, dass Demokratien auch im Ernstfall überlegen sind? Es ist eine rhetorische Frage. Es gibt keine Alternative. Unsere Sicherheit wird im Donbass verteidigt", unterstreicht die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG aus der Schweiz.
DER TAGESSPIEGEL aus Berlin thematisiert den bevorstehenden Jahreswechsel: "Jetzt steht sie an, die Silvesternacht, und Deutschland schaut auf Berlin. Ob die Debatte um das Böllerverbot, die Sorge vor Angriffen auf Sicherheits- und Rettungskräfte oder die Frage, ob der Staat in der Lage ist, gewaltsame Ausschreitungen zu verhindern: All diese Diskussionen finden vor dem Hintergrund der Eskalation auf Berlins Straßen vor einem Jahr statt und der Frage, ob solche Szenen in diesem Jahr verhindert werden können. Die Hauptstadt steht im bundesweiten Fokus. Mal wieder. Denn die Probleme und Debatten dieses Landes werden mehr und mehr in Berlin verhandelt. Nicht nur im Parlament und in der Bundesregierung, auch auf den Straßen und in den Wohnvierteln der Stadt. Nun, in der Mitte der Zwanzigerjahre dieses Jahrhunderts, ist Berlin so präsent und wichtig wie nie zuvor in der Bundesrepublik. Ob Klima-Aktivisten, Corona-Leugner, oder Landwirte: Wer seinen Forderungen Nachdruck verleihen will, macht sie auf den Straßen der Hauptstadt sichtbar", stellt DER TAGESSPIEGEL fest.
Die BERLINER MORGENPOST notiert: "Als 'annus horribilis', als schreckliches Jahr, bezeichnete Königin Elizabeth II. einst in einer Rede Ende 1992 das Jahr, das für die britische Königsfamilie von Skandalen und Katastrophen geprägt war. Die lateinische Phrase ist seitdem untrennbar mit der 2022 verstorbenen Regentin verbunden. Leider passt sie auch hervorragend auf das zu Ende gehende Jahr 2023. Mit Terrorangriffen, Kriegen, Wirtschaftskrise, Dürren, Überschwemmungen und anderen Umweltkatastrophen hat es nicht nur die Politik gefordert, sondern jede Bürgerin und jeden Bürger. Und die Herausforderungen werden bleiben." So weit die BERLINER MORGENPOST.
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE wagt einen Ausblick auf das kommende Jahr: "Ein dermaßen dichtes Wahljahr hat die Welt selten gesehen. 2024 gibt ein gutes Viertel der Menschheit ihre Stimme ab. In insgesamt rund 70 Staaten von Indien bis Südafrika, von Russland bis Indonesien, von den USA bis Österreich. Wer aus den russischen Präsidentschaftswahlen Mitte März als Sieger hervorgeht, ist schon jetzt klar. Der einzige Gegner, den Amtsinhaber Wladimir Putin auch nur ansatzweise fürchten müsste, sitzt in einer Strafkolonie am Polarkreis. Doch ein anderer Urnengang hat das Potenzial, den Lauf der Welt zu verändern. In den USA liegt in Umfragen der autoritäre Ex-US-Präsident Trump bei den republikanischen Vorwahlen uneinholbar vorn." Das war zum Ende der Presseschau DIE PRESSE aus Wien.