07. Januar 2024
Die Presseschau

Kommentiert werden der Wahlkampf in den USA, die Auswirkungen des Hochwassers in Deutschland und die Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof. Doch zunächst zu den Protesten von Landwirten in Deutschland.

Landwirte mit Traktoren und Lkws stehen im Umfeld des Fähranlegers. Wütende Bauern hinderten Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) in Schlüttsiel in Schleswig-Holstein am Verlassen einer Fähre.
Der Protest, bei dem Minister Habeck am Verlassen einer Fähre gehindert haben, sorgt für heftige Diskussionen. (Hagen Wohlfahrt / Schleswig-Holste / Hagen Wohlfahrt)
Dazu schreibt DER TAGESSPIEGEL AM SONNTAG aus Berlin: "Es ist allgemein bekannt, dass die deutschen Bauern schon bei kleinsten geplanten gesetzlichen Änderungen gerne auf die Barrikaden gehen. Es wird in der Branche überdurchschnittlich oft gejammert und sich beklagt. Das mutet etwas bizarr an, weil es deutschen Agrarbetrieben so gut wie lange nicht mehr geht. Die Einkommen vieler Betriebe sind gestiegen. Die Steuervergünstigungen für Agrardiesel sind letztlich eine staatliche Subvention, also Geld der Steuerzahler. Wir leben in einem Land, in dem Beschwerden und Wehklagen zur Tagesordnung gehören. Landwirte, Spediteure, Ärzte, Lokführer und sogar Journalisten. Man regt sich gerne auf. Sicher, es gibt in der Bundesrepublik prekär Beschäftigte, denen es wirklich elend geht. Aber ausgerechnet jene werden in der Regel kaum gehört, auch weil die Lobby fehlt. Geht es uns allen also wirklich so schlecht? Ein bisschen Selbstreflexion und positive Energie statt ständiger Jammerei täte gut", befindet der TAGESSPIEGEL AM SONNTAG.
Die BILD AM SONNTAG notiert: "Gefährliche Trittbrettfahrer der Bauern-Wut finden sich auch in den Parlamenten: AfD-Co-Chef Tino Chrupalla will das Thema 'ins Zentrum der Wahlkämpfe' stellen und ermuntert die Mitglieder zur Teilnahme an den Blockade-Aktionen", und die Zeitung fragt sich, "warum der Bauernverband die geplanten Aktionen nicht aussetzt. Denn die Funktionäre können sich nach Schlüttsiel nicht mehr sicher sein, dass sie die Kontrolle behalten werden. Im Gegenzug sollte der Bundeskanzler zu einem Agrargipfel in der kommenden Woche einladen, um mit den Bauern, denen die bisherigen Angebote nicht ausreichen, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Die Ampel muss endlich Kompromisse mit den Bürgern schließen, nicht nur mit sich selbst", erklärt die BILD AM SONNTAG.
DIE NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG fragt: "Was ist nur los in Deutschland? Der Kanzler wird angepöbelt, wenn er sich im Hochwassergebiet im Osten selbst ein Bild machen will. 'Geh gleich nach Hause!', schallte es Olaf Scholz diese Woche entgegen. Der Wirtschaftsminister wird an der Nordseeküste von einem Mob rabiater Bauern am Verlassen einer Fähre gehindert. Robert Habeck rettete sich wohl nur mit der Rückfahrt auf seine Ferieninsel vor der Erstürmung des Schiffs. In Koblenz steht eine Gruppe von Wirrköpfen vor Gericht, die den Gesundheitsminister Karl Lauterbach entführen wollten. Der Kompass für Moral und Anstand, für die Spielregeln der politischen Auseinandersetzung in einer Demokratie scheint ganzen Kreisen der deutschen Gesellschaft abhandengekommen zu sein", kritisiert die NZZ AM SONNTAG aus der Schweiz.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG geht auf die Folgen des Hochwassers in Deutschland ein: "Zu hoffen wäre, dass die Wassermassen auch manchen Hausbesitzer darüber nachdenken lassen, wie er oder sie gegen Wasserschäden versichert ist. So ein Hochwasser kann sonst den finanziellen Ruin bedeuten. Leider werden wohl wieder einmal viel zu wenige die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Nicht einmal die Katastrophe an der Ahr vor zweieinhalb Jahren hat an den Beharrungskräften viel geändert. Der deutsche Versicherungsverband warnte im Juli, dass fast die Hälfte der Gebäude nicht gegen Naturgefahren versichert ist. Deshalb sollte die Bundesregierung endlich handeln und eine Versicherungspflicht einführen", betont die F.A.S.
Die WELT AM SONNTAG bringt das Hochwasser mit dem Heizungsgesetz der Bundesregierung in Verbindung: "Tausende Heizungskeller vor allem in Norddeutschland stehen unter Wasser. Die Eigentümer werden, sofern Versicherung und Geldbeutel dies zulassen, so schnell wie möglich neue Gas- oder Ölthermen installieren - obwohl sie das nach dem neuen Gebäudeenergiegesetz seit 1. Januar 2024 eigentlich nicht mehr dürften: Jede neu eingebaute Heizung muss jetzt zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Nur die noch unvollständige Wärmeplanung in den Kommunen verhindert, dass diese Regel tatsächlich scharf geschaltet ist und Betriebsverbote drohen. Das aktuelle Hochwasser zeigt so deutlich wie kaum etwas die Grenzen der verordnungsgesteuerten Energiewende im Heizungskeller auf", moniert die WELT AM SONNTAG.
Nun zum Wahlkampf in den USA. Die norwegische Zeitung DAGBLADET erinnert: "Vor drei Jahren stürmten wütende Trump-Anhänger den US-Kongress, um die Amtseinführung von Biden zu verhindern. In einem anderen Land würde man das Kind beim Namen nennen: Es war ein versuchter Staatsstreich. Trotzdem bewirbt sich Trump um die Kandidatur für die nächste Präsidentschaftswahl, obwohl viele Verfahren gegen ihn laufen, die ihn auf Lebenszeit ins Gefängnis bringen könnten. Viele seiner Anhänger wurden bereits im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol verurteilt. Die meisten behaupten, auf Befehl von Trump gehandelt zu haben. Trotzdem hat er selbst gute Chancen davonzukommen oder sogar mit der nächsten Präsidentschaft belohnt zu werden. Die politische Entwicklung in den USA ist in erster Linie eine amerikanische Tragödie, aber ein Wahlsieg Trumps würde sich auf die ganze Welt auswirken", konstatiert DAGBLADET aus Oslo.
Die NEW YORK TIMES führt aus: "Wenn einige Menschen noch immer nicht wissen, dass Trump am 6. Januar 2021 die Regierung stürzen wollte; wenn sie nicht wissen, dass die Fanatiker im Kapitol, die Nancy Pelosi verletzen und Mike Pence hängen wollten, Kriminelle und keine 'Patrioten' sind, wie Trump sie lachhaft nennt, - dann wollen sie es nicht wissen, oder es ist ihnen schlicht egal. Aber die Medien dürfen nicht nachlassen. Abgesehen von Trumps Wegbereitern bei Fox News haben Journalisten 2016 eine Menge gelernt. Zum Beispiel: dass jemand, nur weil er im geheiligten Weißen Haus sitzt, noch nicht automatisch den Respekt des damit verbundenen Amtes verdient; zumindest nicht, wenn er einen Lügenkrieg anzettelt oder mit Hochverrat liebäugelt. Dennoch sollte sich Präsident Biden nicht auf Trumps Einfältigkeit verlassen, die ihm den Wahlsieg einbringen könnte. Der Präsident muss sich weiter bemühen, die Menschen zu überzeugen, dass er die beste Alternative ist; dass er mit 81 nicht zu alt für das Amt ist; dass er Lösungen hat, um das Chaos an den Grenzen und das Sterben in Gaza zu stoppen", vermerkt die NEW YORK TIMES.
Nun zur Klage Südafrikas vor dem Internationalen Gerichtshof gegen Israel wegen angeblicher Verletzungen der UNO-Völkermordkonvention im Gaza-Krieg. Dazu schreibt die SUNDAY TIMES aus Johannesburg: "In einer Zeit, in der es keine realistische Aussicht auf einen bevorstehenden Waffenstillstand gibt, nutzt Südafrika einen der wenigen Rechtswege, der schnelle Resultate bringen könnte. Israel wird aufgefordert, seine militärischen Operationen in Gaza auszusetzen und alle Maßnahmen zu ergreifen, um einen Genozid zu verhindern. Der Prozess soll die Rechte der Palästinenser durchsetzen. Als Strategie zum Schutz der Menschenrechte ist der Prozess wertvoll. Südafrikas mutige Initiative vor dem Internationalen Gerichtshof wird positive Effekte haben - egal ob sich Israel am Ende dazu entscheidet, internationales Recht einzuhalten, oder nicht", meint die SUNDAY TIMES aus Südafrika.
HAARETZ aus Tel Aviv hebt hervor: "Israel ist sicher nicht in den Krieg gezogen, um einen Genozid zu begehen, aber in der Praxis begeht es ihn. In Den Haag muss eine Absicht zum Genozid bewiesen werden. Möglicherweise wird dieser Beweis nicht erbracht. Aber das entlastet Israel nicht. Die allgemeine Stimmung im Land sorgt für noch mehr Unruhe. Eine breite Akzeptanz von Kriegsverbrechen entspricht inzwischen dem Zeitgeist. Die Massentötung von Menschen in Gaza ist nicht einmal ein Thema im israelischen Diskurs. Der Internationale Gerichtshof entscheidet zwar, ob das alles für eine Verurteilung wegen Genozids ausreicht. Aus der Gewissensperspektive ist diese Frage längst beantwortet."