24. März 2024
Die Presseschau

Die Sonntagszeitungen befassen sich vor allem mit dem Terroranschlag bei Moskau mit mehr als 130 Toten und vielen Verletzten.

Die Trümmer der abgebrannten Crocus City Hall.
Die Crocus City Hall in der Vorstadt von Moskau nach dem Anschlag vom 22. März 2024. (Imago / Itar-Tass / Russian Investigative Committee)
Dazu schreibt die norwegische Zeitung DAGBLADET: "Präsident Putin verurteilte die Tat und verwies auf mehrere Festnahmen von Personen, die angeblich Kontakt zur Ukraine hatten. Putin bat andere Länder um Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terorrs, was man als Handreichung an die übrige Welt verstehen konnte. So etwas ist selten geworden. Aber sonst war er ganz der alte Putin und leicht zu durchschauen, weil er sofort versuchte, eine Verbindung zum Krieg in der Ukraine herzustellen. Dieses Narrativ ist wichtig für ihn, weil er Begründungen für den Überfall auf das Nachbarland braucht. Aber wie glaubwürdig ist das? Die Ukrainer wissen, dass sie damit die Unterstützung des Westens gefährden würden, und Russland hat ohnehin bereits seinen Krieg, der nun auch offiziell so heißen darf. Die Handschrift von Islamisten ist ungleich deutlicher zu erkennen, und der IS übernahm rasch die Verantwortung", vermerkt das DAGBLADET aus Oslo.
"Der Anschlag bei Moskau macht deutlich, wie verworren und komplex die aktuelle geopolitische Lage ist", heißt es im Berliner TAGESSPIEGEL. "Der IS kehrt mit der Attacke zurück auf die internationale Bühne – als ernstzunehmender Player. Er fügt der Komplexität der neuen multilateralen Lagerbildung aus China und Russland einerseits, dem Westen, der aber auch in vielen Punkten nicht einig ist, anderseits, eine weitere Dimension hinzu. Denn der IS passt nicht in dieses Schema, er steht quer zu den Lagern. Er spielt sein eigenes, brutales, menschenverachtendes Spiel. Dies alles beschreibt die eine Seite der Verheerung. Die andere ist, wie Russland diesen Anschlag versucht zu instrumentalisieren. Putin wird den Anschlag benutzen, um eine neue Mobilmachung in Russland zu rechtfertigen und die Angriffe auf die Ukraine weiter zu verstärken. Aus der Putin-Logik heraus muss er das auch. Denn sonst würden sich viele Blicke in seine Richtung wenden, mit der Frage, warum er einen solchen Anschlag nicht zu verhindern wusste. Schafft Putin es nicht, seiner Bevölkerung das Gefühl von Sicherheit im eigenen Land zu vermitteln, kann das für ihn gefährlich werden", überlegt der TAGESSPIEGEL.
Die WASHINGTON POST sieht es ähnlich: "Putin stützt seine Macht teilweise darauf, dass er viele Menschen in Russland davon überzeugt hat, dass seine Herrschaft die beste Hoffnung auf Sicherheit sowohl im Ausland als auch im eigenen Land darstellt. Zum Leidwesen von Putin gilt: Wenn nur ein Mann regiert, dann kann im Falle einer Katastrophe auch nur ein Mann dafür verantwortlich gemacht werden."
Die türkische Zeitung KARAR aus Istanbul hofft, "... dass Russland nicht emotional reagiert, sondern versucht, diese Tragödie in eine politische Chance zu verwandeln."
Die Zeitung RHEINPFALZ AM SONNTAG notiert: "Nach einem solchen Attentat sollte die Trauer um die Opfer im Mittelpunkt stehen. Spekulationen verbieten sich, solange nicht wenigstens ein Minimum an Fakten gesichert ist – eigentlich. Dem russischen Propagandaapparat ist das egal. Das Land ist im Krieg. Das Feindbild ist klar. Alles hat sich dem unterzuordnen. Zumal ein solches Attentat ein Schock für eine Bevölkerung ist, der Tag für Tag mit patriotischem Hurra eingetrommelt wird, der Kreml habe alles im Griff. Dass die Kiewer Regierung einen Anschlag wie in der Crocus City Hall orchestriert, ergibt wenig Sinn. Präsident Selenskyj wäre klar, dass ein derart feiges Attentat auf Zivilisten von Moskau ausgeschlachtet würde. Genau das wird aber wohl auch so geschehen, egal, was und wer wirklich dahinter steckt," Das war die RHEINPFALZ AM SONNTAG aus Landau.
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE AM SONNTAG führt aus: "Der Moskau-Terror ist eine Erinnerung, dass andere Bedrohungen nicht verschwinden, nur weil Russland einen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine führt. Die Gefahr durch islamistischen Terror ist im Sog des Gaza-Kriegs sogar gewachsen. Den Anschlag hat der Islamische Staat Khorasan für sich reklamiert, ein IS-Ableger, dem selbst die Taliban zu gemäßigt sind. Russland war stets im Visier der Gruppe, wegen des sowjetischen Feldzugs in Afghanistan, der Tschetschenien-Kriege und der Intervention in Syrien. Im IS haben Russland und der Westen einen gemeinsamen Feind. Der Schutz von Zivilisten zwingt daher beinahe zur partiellen Kooperation. Trotz allem. Und die US-Geheimdienste haben Russland auch öffentlich vor einem Anschlag gewarnt. Putin aber tat das als Propaganda ab. Er ist jetzt bloßgestellt", findet DIE PRESSE AM SONNTAG aus Wien.
Im britischen SUNDAY TELEGRAPH heißt es: "Präsident Putin mag sich eingeredet haben, dass Russlands Hauptfeind im Westen liegt. Doch der Anschlag auf eine Moskauer Konzerthalle zeigt, dass islamistische Terroristen eine weitaus größere Bedrohung für das Wohlergehen Russlands darstellen. Putin wäre gut beraten, anstatt die Konfrontation mit dem Westen zu verschärfen, die internationalen Anstrengungen zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus zu unterstützen", empfiehlt THE SUNDAY TELEGRAPH aus London.
Der österreichische KURIER AM SONNTAG erinnert: "Nach den Anschlägen im Moskauer Dubrowka-Theater im Jahr 2002 und in einer Schule in Beslan zwei Jahre später ließ Putin sich von der Duma mit weitreichenden Befugnissen ausstatten. Er werde die Terroristen erledigen, sagte er 1999 und gewann dadurch stark an Popularität. Putin wird sich auch jetzt als starker Mann präsentieren und Vergeltung üben – gegen wen auch immer es ihm passt. Das Narrativ der 'ukrainischen Nazis', unterstützt vom 'woken Westen', die mit den Islamisten zusammenarbeiten würden, wird in den kommenden Wochen noch stärker in den russischen Medien propagiert werden – und einer traumatisierten Gesellschaft ein noch deutlicheres Feindbild geben", erwartet der KURIER AM SONNTAG aus Wien.
Zum Schluss geht es um den Nahostkrieg. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG kommentiert: "Es nimmt langsam Züge eines kalten Krieges an, was zwischen Washington und Jerusalem passiert. Die amerikanische Regierung denkt sich immer neue Varianten aus, ihren Unmut über Benjamin Netanjahu zum Ausdruck zu bringen, ohne die Konfrontation vollends eskalieren zu lassen. Aber die Maßregelungen und Drohungen werden offener. Rafah, wohin mehr als eine Million Palästinenser vor den israelischen Angriffen geflohen sind, ist einer der Kristallisationspunkte des Konflikts. Man darf sich aber nicht täuschen: Die Offensive steht nicht so unmittelbar bevor, wie die Drohungen es suggerieren. Die Armee wäre zu einer groß angelegten Bodenoffensive vermutlich gerade gar nicht in der Lage. Netanjahus Paradedisziplin ist es seit Jahren, sich als derjenige zu inszenieren, der Israels Interessen gegenüber einer feindlich gesinnten Welt verteidigt. Immer wieder spricht er jetzt vom 'internationalen Druck', den nur er abwehren könne. Und er brüstet sich damit, dass er eine 'diplomatische Kampagne' führe mit dem Ziel, Zeit für die 'militärische Kampagne' zu gewinnen. Übersetzt heißt das: Während alle über Rafah diskutieren, geht der Krieg anderswo unvermindert weiter", analysiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
Die israelische Zeitung HAARETZ kommt zu dieser Einschätzung: "Trotz der beispiellosen Unterstützung Israels durch US-Präsident Biden nach den Hamas-Angriffen vom 7. Oktober ignoriert Premierminister Netanjahu amerikanische Forderungen und Interessen. Stattdessen streitet Netanjahu öffentlich mit Biden über eine Bodenoffensive in Rafah und ignoriert die Warnungen der USA. Die Vereinigten Staaten betrachten Israel als Verbündeten, aber Netanjahu ist zu einer Belastung geworden. Solange er an der Macht ist, wird Israel weiterhin einen Preis für seine arrogante Politik zahlen müssen. Dies ist ein großer Schaden, der zu all den anderen Schäden hinzukommt, die Netanjahu Israel zugefügt hat. Er muss zurücktreten", fordert HAARETZ aus Tel Aviv.