Montag, 29. April 2024

14. April 2024
Die Presseschau

Erste Zeitungen greifen bereits den iranischen Angriff auf Israel auf.

14.04.2024
Dieses Videostandbild zeigt, wie Abfangraketen über Jerusalem in den Himmel geschossen werden. Nach dem iranischen Angriff hat es in der Nacht zum Sonntag an verschiedenen Orten in Israel Raketenalarm gegeben.
Der Iran hat erstmals Israel direkt angegriffen. (dpa / AP / Sam Mednick)
"Die militärische Spannung in der Region hat ihren Höhepunkt erreicht", notiert die Zeitung MÜSAVAT aus Aserbaidschan: "Wenn die iranische Führung die Folgen und Probleme eines Krieges richtig analysiert hätte, hätte sie auf den Angriff verzichtet. Aber das ist nicht geschehen, denn die Führung war von Hass und Rache erfüllt. Teheran hätte zumindest zur Kenntnis nehmen müssen, dass Israel über Atomwaffen verfügt, auch wenn Israel das offiziell nicht zugibt. Diese Waffen werden für den 'Tag X' aufbewahrt und als Garantie für die eigene Existenz angesehen. Aber wenn es jetzt eine echte Bedrohung gibt, wer wird Israel aufhalten? Hinzu kommt, dass sowohl Israel als auch die USA seit geraumer Zeit nach einem Vorwand suchen, um die unterirdische Atomanlage des Iran in Buschehr anzugreifen. Denn sie sind sich sicher, dass der Iran in Buschehr Atomsprengköpfe produzieren will. Würden israelische Raketen in Buschehr einschlagen, wäre das eine Katastrophe für die Region", warnt MÜSAVAT aus Baku.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN erläutert: "Für den Iran war es eine schwierige Entscheidung: Einerseits will er direkte, frontale Zusammenstöße mit Israel vermeiden, das eine enorm hohe militärische Kraft sowie Atomwaffen besitzt. Andererseits war es für den Iran als Anführer der antiisraelisch eingestellten Staaten in der Nahost-Region notwendig, im In- und Ausland seine Autorität zu zeigen. Um beides zu erfüllen, hat Tehrean wohl überlegen müssen, auch bei der Wahl der Angriffsmethoden des Vergeltungsschlags. Das war ein Spagat: Der Großangriff auf Israel könnte zur Konfrontation mit den USA und Europa führen. Eine ausbleibende Vergeltung des Irans hätte allerdings nicht nur zu weiteren Provokationen aus Israel geführt, sondern auch zur Enttäuschung der Ultrakonservativen, die das Regime unterstützen. Der direkte Angriff des Irans auf Israel ist allerdings beispiellos. Die Wahrscheinlichkeit für eine heftige Reaktion aus Israel ist hoch", befürchtet ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
HABERTÜRK aus Istanbul schreibt: "45 Jahre nach der islamischen Revolution hat der Iran Israel nun direkt angegriffen. Der Krieg zwischen den beiden Ländern, der bisher indirekt über Stellvertreter geführt wurde, ist gestern Abend in einen direkten Krieg umgeschlagen. Die weitere Entwicklung wird von der Reaktion Israels abhängen. Wird Israel für diesen Angriff Vergeltung üben? Und wird der Iran, der am Vortag das Frachtschiff eines israelischen Geschäftsmannes bei der Durchfahrt durch die Straße von Hormus aufgebracht und nun Israel mit Drohnen und ballistischen Raketen angegriffen hat, Halt machen? Es ist nicht zu erwarten, dass Teheran seine Angriffe unmittelbar fortsetzt. Die Rachegelüste im Land wurden befriedigt. Es ist zu hoffen, dass die Spannungen auf diesem mittelmäßigen Niveau bleiben. Die Folgen eines regionalen Krieges sind seit gestern Abend jedoch klar erkennbar", betont die türkische Zeitung HABERTÜRK.
Die JERUSALEM POST bemängelt eine zu lasche Unterstützung der USA: "Die Biden-Regierung hat sich zurückgelehnt und zugelassen, dass der Iran in der Region ungestraft Schaden anrichtet. Nach Jahren erbärmlich unwirksamer Diplomatie sollte es nicht überraschen, dass der US-Präsident dem Iran zwar sagt, dass er nicht angreifen sollte, Teheran aber nicht auf ihn hört. Der Krieg des Irans gegen den Westen ist nicht nur das Problem Israels, er ist und war immer Amerikas Problem. Wir brauchen einen Anführer, der dies erkennt und danach handelt. Und nicht einen, der nur mit leeren Worten und einer rückgratlosen Politik aufwarten kann. Der Nahe Osten und die Vereinigten Staaten müssen sich nun auf einen möglicherweise hässlichen regionalen Konflikt vorbereiten", folgert die JERUSALEM POST.
Dazu noch eine andere Meinung aus Israel. Die Zeitung HAARETZ aus Tel Aviv schrieb wenige Stunden vor dem iranischen Angriff: "Wenn der Iran Israel angreift, liegt die Schuld bei den unverantwortlichen Entscheidungsträgern in Israel".
Die NEW YORK TIMES bemerkt: "Die Vereinigten Staaten haben Israel in Jahrzehnten der Kriege und Krisen diplomatisch und militärisch den Rücken gestärkt. Bündnisse sind keine einseitigen Beziehungen, und die meisten Israelis, einschließlich der hochrangigen israelischen Militärkommandeure, sind sich dessen bewusst. Dennoch hat Netanjahu den USA und ihren Bitten den Rücken gekehrt und eine Krise in den amerikanisch-israelischen Beziehungen ausgelöst, obwohl Israels Sicherheit und die Stabilität der gesamten Region auf dem Spiel stehen", kritisiert die NEW YORK TIMES.
Der TAGESSPIEGEL aus Berlin befasst sich mit der möglichen deutschen Reaktion, falls die Lage weiter eskaliert: "Es zieht ein Orkan auf. Entfaltet er seine volle Zerstörungskraft, würde dies nicht nur den Nahen Osten verwüsten. Das Resultat wäre ein weiterer verheerender Großkonflikt in einer von Krisen und Konfrontation geprägten Welt. Der Iran greift Israel direkt an – viel schlimmer könnte es nicht kommen. Deutschland kann es nicht bei Worten der Empörung belassen. Denn das gebietet die viel beschworene Staatsräson, nach der Israels Sicherheit höchste Priorität besitzt. Kommt es zu einer Attacke etwa auf Haifa oder Tel Aviv, ist Berlin in der Pflicht, Beistand zu leisten. Womöglich sogar militärisch, sofern die Regierung in Jerusalem darum bittet. Ein Einwand wie 'Wir können doch nicht diese rechtsextreme Führung um Benjamin Netanjahu unterstützen' verfängt nicht. Es geht allein darum, Israelinnen und Israelis zu zeigen: Deutschlands Staatsräson ist mehr, als sie allein in Sonntagsreden frei von tatsächlicher Verantwortung zu beschwören", hält der TAGESSPIEGEL fest.
Auch in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG geht es um die deutsche Unterstützung Israels - allerdings mit Blick auf den Militäreinsatz im Gazastreifen: "Die deutsche Parteinahme für Israel wurde stets mit der besonderen historischen Verantwortung wegen des Holocausts begründet. Dieser Verantwortung kann tatsächlich niemend entrinnen. Aber legt sie Deutschland nicht auch eine besondere Verantwortung auf, auf die Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu achten? Die Aporien der deutschen Israel-Politik sind den Nachbarn in der EU ebenso aufgefallen wie den Staaten im Süden. Entscheidend ist, was Berlin daraus lernt. Dazu müssen rechtliche und moralische Belange mit nationalen Interessen abgewogen werden. Kann es etwa im deutschen Interesse liegen, dass der Gazastreifen dauerhaft unbewohnbar wird und die nächste Flüchtlingswelle auf Europa zurollt? Wer nicht Getriebener der Zeitläufte sein will, muss sich solchen Fragen stellen", verlangt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
Die Zeitung ARAB NEWS aus Saudi-Arabien hofft auf ein Umschwenken der israelischen Regierung in Sachen Gaza: "Netanjahu und sein rechtsextremes Kabinett haben sich selbst in ein großes Loch gegraben, aus dem sie nicht mehr herauskommen. Die Tragödie ist, dass die von ihnen angeordneten Militäroperationen weiterhin unschuldige Palästinenser und andere Menschen töten, während sie dies versuchen. Dieser so genannte 'Verteidigungs'-Krieg ist in Wirklichkeit ein Rachefeldzug und wurde schnell zu einer absolut chaotischen Militäroperation ohne realistisch erreichbare Ziele und ohne politischen Horizont für das weitere Vorgehen. Die israelischen Behörden stolpern weiterhin von einem Fehler zum nächsten - ohne einen kohärenten Plan oder eine vernünftige, intelligente Denkweise. Die Nachrichtendienste sollten jetzt der Regierung klugerweise raten, ihre politischen Verluste und die menschlichen Kosten zu begrenzen, indem sie die schlecht durchdachte Kampagne in Gaza beenden." Mit diesem Kommentar der ARAB NEWS aus Dschidda endet die Presseschau.