Sonntag, 12. Mai 2024

28. April 2024
Die Presseschau

Kommentiert werden der Besuch von Bundespräsident Steinmeier in der Türkei, die Reise von US-Außenminister Blinken nach China sowie das Abschiebeabkommen zwischen Großbritannien und dem ostafrikanischen Ruanda.

28.04.2024
Sunak steht bei einer Pressekonferenz hinter einem Rednerpult. Im Hintergrund ist die britische Flagge zu sehen.
Großbritanniens Premier Sunak hat im Wahlkampf versprochen, die Migration ins Königreich zu begrenzen. (AP / Toby Melville)
Dazu schreibt die norwegische Zeitung VERDENS GANG aus Oslo: "Kommst du zu uns, schicken wir dich nach Afrika. So lautet der Bescheid des britischen Premiers Sunak an alle Migranten, die sich über den Ärmelkanal nach Großbritannien wagen. Asylzentren in Afrika sind schon lange ein Traum für alle Migrationsgegner. Aber der Plan ist in vieler Hinsicht absurd. Das gesamte Asylverfahren soll in Ruanda abgewickelt werden. Nur in ganz speziellen Fällen gibt es ein Rückflugticket nach London. Ruanda hat ein stabiles, aber autoritäres Regime, das nicht sonderlich sicher für politische Dissidenten ist. Aber das ist auch so beabsichtigt. Der Plan soll abschreckend wirken, weil Sunak seinen Wählern versprochen hat, die Überfahrten über den Ärmelkanal zu stoppen. Aber die Boote werden auch künftig kommen – und sinken. Außerdem stehen in Ruanda nur 2.200 Plätze für die Aufnahme zur Verfügung, während jährlich bis zu 50.000 Migranten den Kanal überqueren", gibt VERDENS GANG zu bedenken.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG ist folgender Meinung: "Fast alles an diesem Abkommen ist schlecht. Trotzdem finden diese und ähnliche Ideen bereits heute zahlreiche Nachahmer. Inzwischen diskutieren achtzehn europäische Staaten darüber, Asylverfahren in Drittstaaten durchzuführen. Der Versuch, die Migrationsfrage vermehrt mit den afrikanischen Staaten anzugehen, setzt einige Dinge voraus. Es beginnt damit, dass europäische Länder nur mit Staaten zusammenarbeiten, die gewisse rechtsstaatliche Bedingungen erfüllen. Es geht damit weiter, dass sie ernsthaft auf die Bedürfnisse und Interessen der afrikanischen Länder eingehen – dass sie nicht auftreten wie die Kolonialherren von einst, sondern mit Respekt und Wertschätzung. Wenn all dies erfüllt ist, warum sollte man eine engere Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern bei der Durchführung von Asylverfahren nicht zumindest versuchen? Es ist allemal besser, als den Tod von tausenden Menschen hinzunehmen, die jedes Jahr in der Wüste ausgesetzt werden oder auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer ertrinken", unterstreicht die NZZ AM SONNTAG aus der Schweiz.
Der britische SUNDAY TELEGRAPH druckt einen Gastkommentar des früheren Staatssekretärs für Immigration, Jenrick. Er war im Dezember aus Protest zurückgetreten, weil ihm der Gesetzentwurf für das Asylabkommen mit Ruanda nicht weit genug ging. In seinem Kommentar heißt es: "In den letzten drei Jahrzehnten haben Regierungen bei dem Versuch, die illegale Migration zu bekämpfen, versagt. Der jüngste Versuch - der Entwurf für das Asylabkommen mit Ruanda - wird in Kürze ebenfalls auf dem Friedhof der Gesetze landen, die es nicht geschafft haben, unsere Süd-Grenze zu sichern. Aber so provozierend und gefährlich die illegale Migration auch ist: Der größere Skandal ist der Umgang mit der legalen Migration, weil die Zahlen, um die es geht, so viel größer sind. Letztes Jahr sind ungefähr 30.000 Menschen illegal mit kleinen Booten angekommen, aber das wurde durch die 1,2 Millionen Menschen in den Schatten gestellt, die völlig legal eingereist sind", zählt Jenrick im SUNDAY TELEGRAPH aus London auf, und fordert: "Wir müssen ein weitaus restriktiveres System schaffen, das sich darauf konzentriert, hochqualifizierte, gut bezahlte Migranten anzuziehen, die einen Beitrag zu unserer Wirtschaft leisten."
In der MAIL ON SUNDAY verteidigt der britische Regierungschef Sunak den Deal mit Ruanda. Er erläutert in seinem Gastkommentar: "Als ich Premierminister wurde, habe ich gesagt, dass ein sinnvolles Abschreckungsmittel der einzige Weg ist, die Boote zu stoppen. Jetzt folgen selbst führende Parteien in Europa unserem Beispiel. Wenn Großbritannien weltweit den Ruf erwirbt, hart gegen illegale Migration vorzugehen, fühle ich mich damit sehr wohl. Es ist das Richtige für unser Land", ist in Sunaks Gastkommentar in der MAIL ON SUNDAY zu lesen, die ebenfalls in London erscheint.
Themenwechsel. Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN blickt auf den Besuch von US-Außenminister Blinken in China: "Die Fortsetzung des Dialogs zwischen den beiden Staaten auf so hoher Ebene ist zu begrüßen. Die derzeitige Realität ist besorgniserregend: Die Kriege in Europa und im Nahen Osten verschlimmern sich, die Zahl der Opfer steigt. Die beiden Großmächte sollten nicht vergessen, dass sie Verantwortung dafür tragen, die Welt zu stabilisieren. China pflegt nicht nur enge militärische Beziehungen zu Russland. Auch der Handel zwischen den beiden Staaten hat seit Beginn des russischen Invasionskrieges einen Höchststand erreicht. Das kann man als klare Unterstützung Pekings für Moskau werten. Um Russlands unmenschliches Vorgehen zu stoppen, ist eine konstruktive Rolle Chinas unabdingbar. Wichtig ist auch, eine weitere Eskalation im Nahost-Konflikt zu verhindern. China, das im Energiesektor stark abhängig von der Nahost-Region ist, besitzt das Potenzial, Einfluss auf den Iran und seine Stellvertreter auszuüben. Die Stabilisierung der Region ist eine gemeinsame Aufgabe Chinas und der Vereinigten Staaten", analysiert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT merkt an: "Die USA sind sich der Schwäche Chinas bewusst und versuchen, Peking unter wirtschaftlichen Druck zu setzen. Das Weiße Haus in Washington glaubt, dass Peking unter allen Umständen eine Wirtschaftskrise vermeiden will und gezwungen sein wird, die Forderungen der USA zu erfüllen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der jüngste Besuch von US-Außenminister Blinken in China. Er soll der chinesischen Führung einige wirtschaftliche Zugeständnisse gemacht haben, die im direkten chinesischen Interesse liegen. Im Gegenzug verlangen die USA, dass China seine Beziehungen zu Russland einschränkt. Insbesondere fordern die Vereinigten Staaten, den Verkauf von elektronischen Komponenten, die für die Produktion von Rüstungsgütern von großer Bedeutung sind, an Russland vollständig einzustellen. Das heißt nichts anderes, als dass die USA versuchen, China aus seiner militärisch-politischen Partnerschaft mit Russland herauszureißen. Weigert sich China, drohen harte Wirtschafts- und Handelssanktionen der USA und des Westens", stellt MÜSAVAT aus Baku klar.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG thematisiert den Besuch von Bundespräsident Steinmeier in der Türkei: "Der Bundespräsident ist in der Türkei nicht mit dem erhobenen Zeigefinger aufgetreten. Steinmeier hat den türkischen Präsidenten Erdogan geradezu umarmt und seine Kritik an den undemokratischen Verhältnissen in Watte gepackt. Das muss nicht verkehrt sein. Moralpredigten haben in Ankara schon in der Vergangenheit nicht viel bewirkt. Ohnehin hat Deutschland als Anwalt für Menschenrechte selbst in den Augen regierungskritischer Türken wegen seiner Haltung zum Gazakrieg an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Auch ist es in der aktuellen Weltlage richtig, die Türkei enger an Europa binden zu wollen. Eindruck dürfte im Präsidentenpalast aber Steinmeiers Umgang mit der türkischen Opposition gemacht haben. Er traf gleich drei ihrer führenden Politiker sowie prominente Menschenrechtler, hielt sich aber mit Aussagen zu den Gesprächen zurück. So konnte er auf den politischen Wandel im Land hinweisen und der Opposition den Rücken stärken, ohne Erdogan Angriffsfläche zu bieten. Schlecht beraten war Steinmeier allerdings mit der Idee, in seinem Flugzeug 60 Kilo Dönerfleisch mitzunehmen. Zwar ist nichts dagegen einzuwenden, Einwandererfamilien zu würdigen, die aus kleinen Anfängen einen Milliardenmarkt geschaffen haben. Doch viele Deutschtürken fühlten sich verständlicherweise herabgewürdigt, weil sie seit Jahrzehnten auf das Dönerklischee reduziert werden. " Das war zum Ende der Presseschau die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.