23. Juni 2024
Die Presseschau

Die Sonntagszeitungen beschäftigen sich unter anderem mit den Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen. Ein weiteres Thema sind Forderungen nach einer Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten.

EU-Schild mit Aufschrift Grenze und geschlossener Schlagbaum (Fotomontage)
Sollen Asylverfahren demnächst in Staaten außerhalb der EU stattfinden? (IMAGO / Christian Ohde / IMAGO / Christian Ohde)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG hält eine Durchführung von Verfahren in Ländern außerhalb der EU für möglich und meint zur deutschen Debatte über das Thema: "SPD und Grüne sind in die Defensive geraten. Noch vor zwei Jahren, als der 'Ruanda-Plan' der Briten Kontur annahm, gab es in Deutschland so gut wie niemanden, der das Modell auch nur dem Wesen nach befürwortete. Inzwischen sprechen sich dafür nicht nur führende Fachleute aus, sondern viele europäische Regierungen und Parteien. Dass sich die Vernunft, auch in Fachkreisen, manchmal quälend langsam durchsetzt, weiß man spätestens seit der viel zu späten Umkehr in der deutschen Russlandpolitik. Bemerkenswert ist, dass nicht einmal die Gegner der Drittstaatenidee prinzipielle rechtliche Einwände erheben. Hindernisse im EU-Asylrecht ließen sich aus dem Weg räumen, wenn die Bundesregierung ihre Blockade aufgäbe. Die meisten Einwände der Skeptiker sind praktischer und finanzieller Natur. Auch sie ließen sich überwinden", glaubt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
Die WELT AM SONNTAG blickt auf die Wirtschaftslage in Deutschland und warnt die Bundesregierung angesichts der Entwicklung in den Nachbarländern Frankreich und Italien vor einer Lockerung der Schuldenbremse - denn, Zitat: "Die Wachstumsraten dort sind kaum höher als hierzulande – obwohl Rom und Paris seit Jahren genau den ausgabenfreudigen Kurs steuern, den Rot-Grün auch für Deutschland propagiert. Frankreichs Kreditwürdigkeit wurde wegen ausufernder Staatsverschuldung jüngst herabgestuft. Das Land zahlt ebenso wie Italien nun höhere Zinsen. Auch hat die EU-Kommission gegen beide Länder Defizitverfahren angekündigt. Und diesem schlechten Beispiel wollen Deutschlands Grüne und Sozialdemokraten allen Ernstes folgen? Es ist eine Mär, dass die Schuldenbremse staatliche Investitionen verhindert. Die Regelung zwingt die Politik aber dazu, Prioritäten zu setzen. Die Ampel vernachlässigt – wie dies auch schon die große Koalition unter Angela Merkel getan hat – die Investitionen und legt das Schwergewicht auf den Konsum. Weil bei den Sozialausgaben des Bundes wie dem Rentenzuschuss, den Pensionen oder dem Bürgergeld immer mehr draufgesattelt wird, bleibt viel zu wenig für Infrastruktur, Forschungsförderung oder die Digitalisierung. Eine Finanzpolitik, die das Wachstum nachhaltig ankurbeln soll, müsste diese Schieflage endlich angehen, statt mit immer neuen Ausreden noch mehr Schulden zu machen", findet die WELT AM SONNTAG.
Die türkische Zeitung KARAR beschäftigt sich mit einer Personalie - das Blatt ist froh, dass der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte vermutlich neuer NATO-Generalsekretär wird: "Rutte scheint genau der richtige Mann zu sein. Seine politische Erfahrung besteht darin, Parteien verschiedener Ausrichtung in Koalitionen zusammenzubringen, und er weiß, wie man verhandelt. Der Krieg in der Ukraine wird für ihn sicherlich sehr schwierig werden. Er wird sich darum bemühen müssen, das Bündnis auf dem schmalen Grat zwischen Abschreckung und direkter Kriegsbeteiligung zu halten. Er wird versuchen, die Ukraine mit Waffen zu versorgen. Und er wird sich den Herausforderungen stellen müssen, die der Aufstieg der europäischen Rechten und ein möglicher Amtsantritt Trumps mit sich bringen. Die NATO wird Strategien entwickeln müssen, den Herausforderungen zu begegnen, die Interessen und Erwartungen ihrer Mitglieder auszubalancieren, die politische Architektur für Kompromisse zu schaffen und neue Wege zur Bewältigung von Krisen in der Welt zu finden. Hoffentlich helfen wir Rutte, und Rutte hilft uns. Künftige Generationen werden sich an ihn als einen Glücksfall für eine Welt erinnern, die am Rande eines neuen großen Krieges und der Zerstörung stand", hofft die Zeitung KARAR aus Istanbul.
Die spanische Zeitung EL PERIODICO DE CATALUNYA macht sich in einem Gastkommentar Gedanken über die Rüstungsausgaben in der NATO: "Die russischen Aggressionen sowie die zunehmenden Spannungen im indopazifischen Raum haben zu einem weltweiten Anstieg der Rüstungsausgaben geführt. Das gilt auch für die NATO: Mittlerweile erfüllen 23 ihrer 32 Mitglieder das Zwei-Prozent-Ziel. Dabei fällt auf, dass dies vor allem für Länder wie Polen oder Estland zutrifft, die Grenzen zu Russland haben, während Spanien mit 1,28 Prozent auf dem letzten Platz liegt. Die Marke von zwei Prozent gilt übrigens, anders als auf dem NATO-Gipfel 2014 vereinbart, längst nicht mehr als Ober-, sondern längst als Untergrenze. Addiert man die Verteidigungsausgaben aller 32 NATO-Mitglieder, kommt man mittlerweile auf einen Wert, der zehnmal höher liegt als in Russland. Nimmt man die USA und Kanada heraus, liegt der Wert immer noch 3,6 Mal höher. Da mag man sich inzwischen wirklich fragen, um wie viel mal höher die Rüstungsausgaben der Europäer im Vergleich zu Russland noch liegen müssen, bis uns der Wahnsinn der Rüstungsspirale klar wird, in die wir uns mittlerweile begeben haben", heißt es in EL PERIODICO DE CATALUNYA aus Barcelona.
Die in Zürich erscheinende NZZ am Sonntag kommentiert die Drohgebärden des russischen Präsidenten Putin gegenüber dem Westen und das jüngste Abkommen Russlands mit Nordkorea: "Das russische Propagandamedium 'Russia Today' droht diese Woche den Schweizern mit einer Atomrakete, der russische Diktator Wladimir Putin schliesst zur selben Zeit Waffenbruderschaft mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un. Nichts davon ist wirklich ernst zu nehmen. Weder die Rakete, die 13 Minuten Flugzeit brauche von Russland nach Zürich-Kloten. Noch der Beistandspakt zweier abgewirtschafteter, in Machtphantasien schwelgender Autokraten. Der Kreml hat, anders als Putin glauben machen will, keine Waffen abzugeben an Diktatorenfreunde. Er braucht sie selbst für den Krieg gegen die Ukraine, er hat gar nicht genug davon. Was der russische Präsident jedoch will und was ihm auch gelingt, ist Angst und Unruhe zu verbreiten. Als Botschafter des globalen Chaos ist er nach Ostasien gereist und hat dort mit vagen Drohungen Amerikas Verbündete aufgebracht. Ähnliches hat Russlands Vizeaussenminister Sergei Rjabkow im Sinn, der jüngst wieder die Weitergabe von weit reichenden Raketen in Lateinamerika ankündigte – eine Art Kubakrise wie 1962. Russland hat einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen, doch global ist es in der Defensive. Es droht, gestikuliert und kann doch nichts bewegen", ist die NZZ aus der Schweiz überzeugt.
Abschließend noch ein Kommentar aus der israelischen Zeitung HAARETZ zum Krieg im Gazastreifen. Das Blatt sieht für den weiteren Verlauf des Konflikts zwei Möglichkeiten: "Die beiden Optionen für Israel waren noch nie so klar wie heute. Die erste besteht darin, den Krieg fortzusetzen, ohne ein diplomatisches Ziel zu verfolgen, den Gazastreifen zu besetzen und ein 'vorübergehendes' Militärregime zu errichten - alles auf Kosten des Lebens der Geiseln. Israel riskiert damit zugleich einen Mehrfrontenkrieg mit Hamas und Hisbollah, eine Intifada im Westjordanland sowie die Bedrohung durch die Huthis im Jemen, irakische Milizen und natürlich den Iran. Die zweite Option besteht darin, eng mit US-Präsident Joe Biden zusammenzuarbeiten und seinen Vorschlag zur Beendigung des Gaza-Krieges und zur Bildung eines regionalen Verteidigungsbündnisses unter Führung der USA anzunehmen. Israel muss sich der Allianz der Gemäßigten anschließen. Dazu muss es sich der Extremisten in der Regierung entledigen. Premierminister Netanjahu will diese aber nicht loswerden, weil sein politisches Überleben von ihnen abhängt. Deshalb besteht die einzige Möglichkeit, den Staat zu retten und ihn auf den Pfad der Vernunft zurückzuführen, darin, vorgezogene Neuwahlen auszurufen und die schlechteste Regierung, die Israel je hatte, abzulösen", folgert HAARETZ aus Tel Aviv, und damit endet die Presseschau.