
"Worauf sich Bundeskanzler Scholz, Vizekanzler Habeck und Finanzminister Lindner nach wochenlangem Gerangel verständigt haben, verdient schwerlich noch das Wort Entwurf, so gewaltig ist die Lücke zwischen erwarteten Einnahmen und geplanten Ausgaben für 2025. Dafür einen Platzhalter in Höhe von zwölf Milliarden Euro einzusetzen, zeugt nicht von Weitsicht, sondern von einem ausgeprägten Sparunwillen. Den Kopf zu schütteln und mit dem Finger auf 'die da' in Berlin zu zeigen, ist bequem. Dabei fällt der Vorwurf, den man den Ampel-Koalitionären macht, auf jeden einzelnen Bürger zurück: Die Politik handelt, wie sie handelt, aus Feigheit vor dem Wähler", notiert die WELT AM SONNTAG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG befasst sich mit Bundesinnenministerin Faeser: "Sie beherrscht das in den Merkel-Jahren so rar gewordene Handwerk der Symbolpolitik. Deshalb sind von Faeser ständig großspurige Ankündigungen zu lesen, mit ihr selbst in der Hauptrolle: Faeser will Regeln für Messerbesitz verschärfen. Faeser will schnelle Strafverfahren für Angriffe auf Wahlkämpfer. Faeser will größeren Ermittlungsdruck auf Drogenschmuggler. Sobald es komplizierter wird, gibt sie markige Aufträge. Sie lässt prüfen, ob Straftäter nach Afghanistan abgeschoben werden können; ob man die Forderung nach einem Kalifat verbieten kann; ob Asylverfahren außerhalb der EU möglich sind. Bis daraus etwas wird, gibt es schon die nächste Ankündigung. Zugegeben, manchmal braucht es Symbolpolitik. Sie zeigt den Normalbürgern, dass die Ministerin das Problem sieht. Man muss auch Emotionen bewirtschaften, damit es andere nicht tun. Und manchmal ist es besser, etwas zu tun, so klein es auch sein mag, statt immer bloß zu sagen, was alles nicht geht. Wer es aber übertreibt, nutzt den Effekt ab", warnt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
Zu den jüngsten Enthüllungsberichten über die Sabotage-Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines schreibt die schweizerische NZZ AM SONNTAG: "Nun sieht es so aus, als ob Ukrainer den Anschlag im September 2022 verübt hätten und der Staats- sowie der Armeechef zumindest im Bilde gewesen wären. Das wäre, gelinde ausgedrückt, eine politisch schwierige Situation: für den ukrainischen Präsidenten Selenskyj und vor allem für die deutsche Regierung. Sie muss sich hintergangen fühlen von dem Land, dem sie mit militärischer Hilfe so stark unter die Arme greift. Man darf jedoch annehmen, dass der deutsche Kanzler längst über den Stand der Ermittlungen unterrichtet ist und sich die Überraschung in Berlin in Grenzen hält. Am Ende wird es für die Deutschen auf die Abschreibung der Kosten eines politischen Fehlers hinauslaufen: Die Nordstream-2-Pipelines hätten nie gebaut, die Ukraine, Polen und die baltischen Staaten durch die Gasleitungen nie in einen Nachteil versetzt werden sollen", findet die NZZ AM SONNTAG.
Die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ist Thema in der österreichischen Zeitung PRESSE AM SONNTAG: "Die Rückkehr der Mittelstreckenraketen zeigt ein Problem: Das Rüstungskontrollsystem zerbröselt. Der INF-Vertrag, ein nuklearer Abrüstungsvertrag zwischen dem Kreml und den USA, hatte ein Verbot aller landgestützten Mittelstreckenraketen umfasst. Trump kündigte das Abkommen 2019 auf, nachdem es die Russen jahrelang verletzt hatten. Auch andere Verträge sind nur noch ein Stück Zeitgeschichte. Und das letzte bilaterale nukleare Abrüstungsabkommen, 'New Start', wurde von Russland ausgesetzt und läuft Ende 2026 aus. Eine Verlängerung ist nicht in Sicht. Die USA insistieren, dass künftig auch China an die Leine genommen wird. Die Eiszeit kommt zur Unzeit: Auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Krieg müsste dringend reguliert werden. Aber daraus wird nichts. Stattdessen weicht selbst der Konsens über die Nichtverbreitung von Atomwaffen auf. Russland etwa würde sich dem Iran beim Bau der Bombe nicht in den Weg stellen. Der Ukraine-Krieg hat Priorität. Und da ist Teheran ein wichtiger Helfer. Solche strategischen Verschiebungen sind letztlich gefährlicher als die wüsten Drohungen aus dem Kreml", mahnt die PRESSE AM SONNTAG aus Wien.
Zur ukrainischen Offensive gegen den russischen Aggressor im Grenzgebiet Kursk schreibt die türkische Zeitung KARAR: "Es wäre zu wünschen, dass die Russen daraus lernen und sich an den Verhandlungstisch setzen. Aber man hat den Eindruck, dass das Gegenteil passieren wird. Die Gefahr einer weiteren Eskalation des Krieges wächst. Es ist klar, dass in diesem Zusammenhang der Druck auf die Türkei bald zunehmen wird. Die USA könnten neue indirekte Strafmaßnahmen gegen Ankara verhängen, falls die türkische Regierung ihre Beziehungen zu Russland fortsetzt. Die Türkei könnte aber auch als Vermittler auftreten und die Konfliktparteien an einen Tisch bringen, um dort weiterzumachen, wo sie aufgehört haben", empfiehlt KARAR aus Istanbul.
In Israel haben erneut zehntausende Menschen für einen Waffenstillstand im Gazastreifen und für die Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Terrororganisation Hamas demonstriert. Die norwegische Zeitung VERDENS GANG kritisiert: "Unter Netanjahus Führung hat sich Israel massive Kritik aus großen Teilen der Welt zugezogen, und er hat keines seiner Ziele erreicht: Weder ist die Hamas geschlagen, noch sind die Geiseln frei. Nach dem Terrorangriff war das Land kurze Zeit geeint. Alle halfen einander. Netanjahu hätte diese Gelegenheit nutzen können, aber er tat es nicht. Er hatte außerdem die Verantwortung für die Sicherheit. Während sich andere für ihre Versäumnisse entschuldigten, wies Netanjahu jede Schuld von sich. Viele Israelis sehen pessimistisch in die Zukunft. Die Hoffnung ruht auf der Zivilgesellschaft, die nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ihre Stärke unter Beweis stellte. Die Juden wissen, dass es für sie keinen Zufluchtsort gibt. Das kann den Kampfeswillen befeuern, aber es könnte auch den Wunsch nach Versöhnung stärken - untereinander und mit den Palästinensern." Das war VERDENS GANG aus Oslo.
Der französische und der britische Außenminister, Séjourné und Lammy, haben nach einem gemeinsamen Besuch bei ihrem israelischen Amtskollegen Katz an den Iran und Israel appelliert, eine weitere Eskalation in Nahost zu vermeiden. Der britische OBSERVER bemerkt dazu: "Solche Aufrufe wurden schon oft gemacht, aber ebenso oft ignoriert. Ein Grund dafür ist, dass die Anwendung von Gewalt den politischen Entscheidungsträgern das Gefühl gibt, die Ereignisse zu kontrollieren. In Wirklichkeit ist dies eine Illusion. Israel hat nur noch begrenzte Kontrolle über das, was als nächstes passiert. Die Entscheidung liegt beim Iran. Diesmal würde ein Vergeltungsschlag wahrscheinlich zu einem totalen Konflikt führen. Die iranischen Entscheidungsträger hätten nur einen begrenzten Einfluss auf die nachfolgenden Ereignisse, mit möglicherweise schrecklichen Folgen für ihr eigenes Land und die Region. Die iranische und israelische Führung auf diesen Umstand hinzuweisen, könnte mehr Wirkung zeigen als noch mehr Aufrufe zu Frieden und Zurückhaltung", erläutert der OBSERVER aus London.
Ein Angriff von israelischen Siedlern auf ein palästinensisches Dorf im Westjordanland hat in Israel Empörung ausgelöst. "Beschämender Terror" überschreibt die JERUSALEM POST ihren Kommentar: "Auch wenn noch nicht alle Einzelheiten bekannt sind, muss man sich nur vorstellen, wie dies auf die Außenwelt wirkt, da Israel seit dem 7. Oktober einen ständigen Kampf mit der Weltöffentlichkeit führt. Auch wenn wir uns im Krieg befinden und das Westjordanland nur eine Front in diesem Krieg ist, gibt es keine Entschuldigung für Gewalt. Und es ist eine Schande für jeden, der sie billigt oder für akzeptabel hält. Im Gegensatz zu palästinensischen Terroristen werden aber Israelis, die im Westjordanland Verbrechen begehen, vor israelische Zivilgerichte gestellt. Gewalt und die Störung des Lebens von Zivilisten, ob palästinensisch oder israelisch, sollten verurteilt werden", unterstreicht die JERUSALEM POST.