29. September 2024
Die Presseschau

Heute mit einem Schwerpunkt zu Nahost. Die Sonntagszeitungen kommentieren Israels Militärschlag gegen das Hauptquartier der Hisbollah in Beirut.

Rauch steigt nach israelischem Luftangriff in Beirut auf.
Israelischer Luftangriff in Beirut (dpa / AP Photo)
Die norwegische Zeitung DAGBLADET schreibt: "Die Hisbollah hat viele Stunden gebraucht, um den Tod ihres unangefochtenen Anführers Hassan Nasrallah zu bestätigen. Viele erwarten jetzt, dass die Hisbollah oder sogar der Iran zu einem heftigen Gegenschlag ausholt. Aber steht das wirklich fest? Die schiitische Miliz ist nach den gnadenlosen Angriffen der letzten Tage sicherlich geschwächt, aber wer glaubt, dass sie ausgeschaltet ist, muss wohl noch einmal umdenken. Fakt ist und bleibt, dass es zahlreiche lokale Anführer und massenweise Waffen gibt, derer die israelischen Streitkräfte bislang nicht habhaft werden konnten. Nach dem Tod von Nasrallah gibt es vielleicht nicht mehr Krieg, aber wohl auch keinen Frieden", notiert DAGBLADET aus Oslo.
Die österreichische Zeitung PRESSE AM SONNTAG kommt zu dieser Einschätzung: "Nach Nasrallahs Tod wird die Hisbollah wohl eine massivere Vergeltungsaktion starten, um ihr Gesicht nicht zu verlieren. Die Miliz hat 150.000 Raketen auf Israel gerichtet. Unter der Last dieser Feuerkraft könnte Israels Luftabwehrschirm zusammenbrechen. Allerdings wären der Hisbollah dann vernichtende Gegenschläge gewiss. Und der Iran, der bisher andere für sich kämpfen ließ, verlöre seinen wichtigsten Verbündeten im Fall eines Krieges gegen die Atommacht Israel." Das war die PRESSE AM SONNTAG aus Wien.
Der britische SUNDAY TELEGRAPH konstatiert: "Einmal mehr hat Israel mit bemerkenswertem Elan eine Niederlage in einen Sieg verwandelt. Nach drei Jahrzehnten hat Hisbollah-Chef Nasrallah endlich den Preis für seine Verbrechen bezahlt, dafür dass er sein eigenes Land, den Libanon, ins Verderben gestürzt hat. Der Iran, der für die Auslösung des gegenwärtigen Konflikts verantwortlich ist, hat eine strategische Niederlage erlitten", kommentiert THE SUNDAY TELEGRAPH aus London.
"Nasrallahs Tod ist mehr als ein Sieg für Israel", findet auch die JERUSALEM POST. "Dies ist ein Triumph für jede Nation, die Demokratie über Diktatur und Freiheit über Tyrannei stellt. Die lauwarme Reaktion des Westens auf diesen Sieg unterstreicht jedoch eine beunruhigende Diskrepanz. Es ist an der Zeit, dass der Westen die Rolle Israels nicht nur als regionalen Verbündeten, sondern als entscheidenden Verteidiger der demokratischen Ordnung anerkennt."
Die israelische Zeitung HAARETZ führt aus: "Der Tod von Hisbollah-Anführer Nasrallah sollte den Anfang vom Ende des Krieges markieren, sowohl im Gazastreifen als auch im Norden Israels an der Grenze zum Libanon. Die israelische Regierung unter Ministerpräsident Netanjahu muss das tun, was sie bisher nicht getan hat und zwar ihre militärischen Erfolge in diplomatische Schritte ummünzen. Die Gefahr einer weitreichenden Eskalation ist noch nicht gebannt", warnt HAARETZ.
"Es ist unwahrscheinlich, dass die Hisbollah in der Lage ist, angemessen auf Israels Angriff zu reagieren", schlussfolgert die saudische Zeitung ARAB NEWS. "Ein weiterer Bürgerkrieg im Libanon ist ein denkbares Szenario. Für Nasrallahs Anhänger war er ein Held. Für seine Gegner war er ein Verräter, der nicht dem Libanon, sondern den Interessen des Irans diente. Die religiösen Führer sollten sofort handeln, um ihre Anhänger im Zaum zu halten. Die internationale Gemeinschaft muss rasch einen Waffenstillstand durchsetzen. Und es muss damit begonnen werden, ausländische humanitäre Hilfe und Unterstützung für die Verwundeten und Vertriebenen zu leisten, um eine weitere Verschlechterung der Lage im Libanon zu verhindern", fordern die ARAB NEWS aus Dschidda.
Nun ins Inland. In Thüringen hat die AfD die Konstituierung des Parlaments und die Wahl eines Landtagspräsidenten verzögert. Der Berliner TAGESSPIEGEL fordert Konsequenzen für die AfD: "Ihre fatalen Pläne, Institutionen wie das Parlament zu schädigen, sind deutlich geworden. Da wird es Zeit für zweierlei. Einmal: Verbotsverfahren. Mindestens sollten sie regional versucht werden. Wer nichts versucht, hat schon verloren. Allein schon, wenn über ein AfD-Verbot gesprochen, aber schon gar, wenn es initiiert wird, besteht die Chance, dass Wählerinnen und Wähler aufgerüttelt werden. Darum geht es. Wer sich der AfD weit rechts draußen nähert, gerät in eine Verbotszone, in eine No-go-Area. Wer Verfassung und Grundwerte angreift, muss Widerstand spüren. Verfassungsfeindlichkeit darf nicht ungestraft bleiben. Sie nur politisch zu bekämpfen, hat ja bisher nicht zum Erfolg geführt. 20 Prozent laut Umfragen bundesweit, 30 Prozent bei Landtagswahlen im Osten – jetzt geht’s drum. Bevor es zu spät ist", mahnt der TAGESSPIEGEL.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG nimmt den Rücktritt der Grünen-Spitze zum Anlass, über die Zukunft der Ampel-Koalition nachzudenken. "Der Ruf nach Neuwahlen ist nicht wirklich durchdringend, weder in der Opposition noch in der Öffentlichkeit. Die Zurückhaltung wurzelt in der tief sitzenden Sorge vor Instabilität. Berechenbare politische Verhältnisse gelten als wertvollstes Kapital der Bundesrepublik, das man nicht leichtfertig riskiert. Aber wäre es, nach 75 soliden Jahren unter dem Grundgesetz, wirklich ein Hasardspiel, würde man eine Wahlperiode vorzeitig beenden – schlicht weil eine zerfallende Regierung sich unfähig zeigt, drängende Probleme zu lösen? Dem staatstragenden Argument vom demokratischen Auftrag, der für vier Jahre gegeben wurde, sollte entgegengehalten werden, dass der Demokratie nicht gedient ist, wenn es nur noch Leerlauf gibt ", findet die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
Die WELT AM SONNTAG geht auf die personelle Neuausrichtung der Grünen näher ein: "Die Parteiführung, die jetzt kollektiv zurückgetreten ist, hat lange gar nicht begriffen, was da vor sich geht. Man begnügte sich damit, die Gründe für den massenhaften Sympathieentzug bei einer gesellschaftspolitischen Polarisierung zu suchen, für die andere Verantwortung tragen. Man zeigte mit dem Finger auf Kreml-Trolle, die digitale Fake-Kampagnen anzetteln, man klagte über die Union, die geradezu lustvoll auf die grüne Konkurrenz einprügelt, sich aber nicht zu schade sei, in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein mit ihr zu koalieren. All das war nicht völlig falsch. Aber das Wichtigste bei der Problemanalyse kam nicht vor: Das eigene Zutun, die Selbstzufriedenheit, die wachsende Distanz zu jenen Wählern, die über die Kernklientel hinausgehen. Das größte Problem der Grünen sind nicht einmal die Stimmenverluste. Ihr Problem ist vielmehr, dass Union und auch Teile der SPD zu ihnen auf Distanz gegangen sind", analysiert die WELT AM SONNTAG.
Zum Schluss geht es um die Themen Meinungsfreiheit und Zensur in den sogenannten Sozialen Medien. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG führt aus: "Brasilien verbietet Elon Musks Kurznachrichten-Dienst X, Frankreich ermittelt gegen Telegram-Chef Pawel Durow – und hat diesen sogar ein paar Tage in Haft genommen. Obwohl beide Firmen hart am Wind segeln, ist dieses Durchgreifen von Rechtsstaaten gegen Social-Media-Plattformen fragwürdig. Zumal es nun zwei rechts-libertäre Milliardäre zu Märtyrern in Sachen Meinungsfreiheit macht. Durow ist eine undurchschaubare und zwiespältige Figur. Der sprunghafte Musk gibt inzwischen den glühenden Trump-Anhänger. X ist für ihn vor allem ein Lautsprecher in eigener Sache. Kurz: Das Recht auf freie Meinungsäußerung hätte glaubwürdigere Fahnenträger verdient. Und all jene, die sich insgeheim darüber freuen, dass Personen wie Durow und Musk endlich in die Schranken gewiesen werden, sollten sich auch fragen, wie sie es mit der Meinungsfreiheit halten: Diese beginnt bekanntlich immer dort, wo wir mit Aussagen konfrontiert werden, die wir persönlich für falsch, extrem und geschmacklos halten. Vor diesem Hintergrund verdient das Anliegen von Durow und Musk unsere Unterstützung", meint die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG.