20. Oktober 2024
Die Presseschau

Die Sonntagszeitungen kommentieren unter anderem die Migrationspolitik der Europäischen Union und die Lage im Nahen Osten.

Ein palästinensischer Junge hält bei einer Versammlung im Ramallah im Westjordanland ein Foto des getöteten Hamas-Führers Yahya Sinwar in die Höhe.
Die Sonntagszeitungen kommentieren unter anderem die Tötung des Hamas-Führers Sinwar durch die israelische Armee (Archivbild). (AFP / JOHN WESSELS)
Dazu bemerkt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG: "Nun ist die oberste Hamas-Führungsriege ausgeschaltet: Ismail Haniya ist tot, Mohammed Deif ist tot und nun auch Yahya Sinwar. Ist die Terrororganisation damit zerstört? Das war einst das oberste Ziel Israels zu Beginn des Gazakrieges. Öffnet sich jetzt eine Möglichkeit, endlich einen Waffenstillstand auszuhandeln und das Töten von Tausenden von Zivilisten zu beenden? Gibt es jetzt eine Chance, die noch immer rund 100 Geiseln in einem Deal zu erlösen aus ihren unterirdischen Verliessen? Im Moment sieht es nicht so aus. Der Krieg sei nicht zu Ende, bekräftigte Benjamin Netanyahu. Diese Woche zeigte einmal mehr die militärische Übermacht Israels. Doch sie widerspiegelt auch seine strategische Ratlosigkeit", glaubt die NZZ aus der Schweiz.
Die panarabische Zeitung SHARQ AL-AWSAT sieht Israel in einer stärkeren Position als zuvor: "So ist nicht ausgeschlossen, dass es nun auch zu einer Konfrontation zwischen Israel und Syrien wie auch dem Iran kommt. Denn Netanyahu und seine Regierung scheinen entschlossen, die Bedrohung durch den Iran endgültig zu beenden. Und das liefe darauf hinaus, neben der Hamas und der Hisbollah auch die iranischen Stützpunkte in Syrien auszuschalten. Käme es zu einem Angriff auf den Iran, stünde dieser vor zwei Optionen: entweder könnte er die israelischen Bedingungen akzeptieren und die internationalen Aktivitäten seiner Revolutionsgarden beenden. Oder er würde sich auf eine gefährliche Konfrontation mit Israel einlassen", spekuliert SHARQ AL-AWSAT mit Sitz in London.
Die britische Zeitung THE OBSERVER ist sich sicher: "Israels rechtsgerichtete Koalition unter der Führung von Premierminister Benjamin Netanjahu will keinen Frieden. Sie will den totalen Sieg, koste es, was es wolle. Trotz des wachsenden Drucks aus dem eigenen Land und aus den USA besteht Netanjahu darauf, dass der Krieg weitergeht. Er weiß, dass die Zahl der palästinensischen Todesopfer - derzeit etwa 42.500 - auch in Washington für Empörung sorgt. Aber das ist Netanjahu egal. Er rechnet damit, dass Präsident Biden die Waffenlieferungen nicht einstellen wird." Das war THE OBSERVER aus London.
Die WELT AM SONNTAG kritisiert: "Die EU hat keine Nahostpolitik. Das liegt vor allem an Deutschland. Frankreich verfolgt wechselnde Taktiken in der Region, aber vor allem Berlin besitzt keine Nahost-Strategie, auf deren Basis man mit Paris einen gemeinsamen Ansatz formen könnte. Keines der Länder hat allein eine sicherheitspolitische Statur, die es erlauben würde, als Akteur im Nahen Osten ernst genommen zu werden. Wenn Trump wieder US-Präsident wird und so agiert wie vorher, könnten die Europäer dem Chaos vor ihrer Haustür weitgehend hilflos ausgesetzt sein", vermutet die WELT AM SONNTAG.
Die türkische Zeitung MILLIYET beschäftigt sich mit dem Konflikt zwischen Israel und den Vereinten Nationen. Das Blatt aus Istanbul fragt: "Was steckt hinter dem aggressiven Verhalten Israels gegenüber der UNO? Politikwissenschaftler gehen davon aus, dass politische, wirtschaftliche und diplomatische Interessen eine wichtige Rolle spielen. So erschwert beispielsweise das Veto der USA die Verabschiedung ernsthafter Sanktionen gegen Israel durch die Vereinten Nationen. Wenn die UNO-Friedenstruppe auf Verlangen Israels aus dem Libanon abgezogen wird, beschädigt dies ihre Legitimität in anderen Krisenregionen und schwächt die Abschreckungskraft der Vereinten Nationen auf der internationalen Bühne. Bisher gibt es keine andere Struktur, die eine internationale Organisation wie die UNO, in der 190 Staaten vertreten sind, ersetzen könnte. Deshalb müssen die Vereinten Nationen effektiver und in jeder Hinsicht zeitgemäß reformiert werden", verlangt MILLIYET.
Thema in der spanischen Zeitung EL PERIODICO DE CATALUNYA ist die Migrationspolitik der Europäischen Union. "Ein italienisches Gericht hat den Plan der ultrarechten Regierung von Giorgia Meloni gekippt, 16 Asylbewerber in Albanien einzusperren. Das könnte dazu verleiten, zu glauben, dass doch noch nicht alles verloren ist. Aber stärker wiegt der Eindruck, dass sich die EU in ihrer Migrations- und Asylpolitik auf einen ebenso irrigen wie ineffektiven Weg begeben hat. Die 27 entfernen sich immer weiter von den Werten und Prinzipien, die sie angeblich schützen wollen, und nähern sich damit jenen an, die in Migranten nur Verbrecher und Terroristen sehen. Diese werden als Bedrohung für die öffentliche Sicherheit betrachtet, und ihre Abschiebung wird als innovative Lösung bezeichnet. Aber die Erfahrung lehrt seit Jahrzehnten, dass es nicht möglich ist, die Menschen wirksam abzuschrecken, die in ihren Herukunftsländern nichts zu verlieren haben. Immer höhere Mauern schwächen den Migrationsdruck nicht ab, und trotzdem fallen immer mehr Regierungen jeglicher Couleur darauf herein", vermerkt EL PERIODICO DE CATALUNYA aus Barcelona.
Nordkorea hat Südkoreas Geheimdienst zufolge beschlossen, in großem Umfang Truppen zur Unterstützung Russlands gegen die Ukraine zu entsenden. Dazu lesen wir in einem Gastkommentar der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio: "Russland und Nordkorea haben jüngst eine so genannte Strategische Partnerschaft abgeschlossen. Nun erwartet Machthaber Kim für die Entsendung seiner Soldaten nach Russland sicher eine Gegenleistung. Diese könnte vielleicht so aussehen: Moskau schickt bei einem möglichen militärischen Notfall auf der koreanischen Halbinsel seine Soldaten, um Pjöngjang zu helfen."
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE AM SONNTAG beklagt, dass sich die Regierungsbildung nach der Nationalratswahl weiter hinzieht: "Bundespräsident Alexander Van der Bellen ersuchte die Parteichefs von FPÖ, ÖVP und SPÖ, in Zweiergesprächen auszuloten, ob eine Zusammenarbeit prinzipiell möglich ist. Er hätte genauso gut - wie das eigentlich üblich ist - dem Chef der stimmenstärksten Fraktion, nämlich Herbert Kickl, den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen und diesen mit einer Frist versehen können. Auch in dem Format hätte sich vermutlich schnell gezeigt, dass nach den Schmähungen der vergangenen Monate niemand mit Kickl koalieren will und die FPÖ keine Mehrheit zustande bringt. Es wäre der klarere Weg gewesen und hätte den Freiheitlichen das Dolchstoß-Argument genommen, dass für sie andere Regeln gelten und sie von der Macht ferngehalten werden sollen. Doch diese Bühne mochte der Bundespräsident den Freiheitlichen offenkundig nicht geben. Zudem wollte er nicht das Risiko eingehen, eine Partei in Position zu bringen, deren Nähe zu Russland bei westlichen Nachrichtendiensten die Alarmglocken schrillen lassen, die Viktor Orbáns illiberales Modell verehrt, einen Hang zu seltsamen Verschwörungstheorien aufweist und eine klare proeuropäische Linie vermissen lässt", schreibt DIE PRESSE aus Wien.
Abschließend geht die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG ein auf die sogenannte "Pegida"-Bewegung, die heute nach zehn Jahren zum letzten Mal in Dresden demonstrieren will: "Versuche, die Bewegung auf andere sächsische Städte, etwa nach Leipzig, oder in westdeutsche Bundesländer auszudehnen, scheiterten. Irgendwann verebbte die Dynamik der Bewegung. Die Mobilisierung von Demonstranten, die meist aus dem ländlichen Sachsen anreisten, erlahmte. Die 'Spaziergänge' in Dresden wurden seltener, zuletzt kamen nur noch wenige hundert Teilnehmer. Viele Anhänger fanden eine neue Heimat bei Montagsdemonstrationen in ihren eigenen Orten, die von 'Querdenkern' organisiert wurden oder von den 'Freien Sachsen' und anderen rechtsextremistischen Parteien und Gruppen. Die AfD, die nur ein inoffizielles Bündnis mit Pegida hatte, verwurzelte sich in Ostdeutschland immer mehr. Sie stellt heute in zwei Landesparlamenten mehr als ein Drittel der Abgeordneten. Pegida wird in dieser Situation nicht mehr gebraucht. Die letzte Demo dürfte nur noch ein Treffen für Nostalgiker sein", schätzt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG zum Ende der Presseschau.