
"Assad und seine Familie haben während der jahrzehntelangen Herrschaft die Bevölkerung brutal unterdrückt, und der Diktator hat es verdient, in Den Haag vor Gericht gestellt zu werden. Aber in die Freude mischt sich auch Sorge. Die Rebellen werden von der dschihadistischen Miliz Hayat Tahrir al-Sham angeführt, die ihren Ursprung im IS hat. Inzwischen gilt die Gruppe als weniger extremistisch, aber es gibt dort noch immer genug hartgesottene Islamisten. Syrien hat eine lange Geschichte der Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten aufzuweisen. Gelingt es diesen Rebellen, die Macht in dem Land zu übernehmen, könnte das zu einer neuen Flüchtlingswelle führen. Europa kann und muss jetzt alles tun, um eine Vertreibung von Alawiten, Drusen, Christen und Menschen weiterer Konfessionen zu verhindern - und es sollte sich darauf vorbereiten, den Wiederaufbau in Syrien zu unterstützen", empfiehlt POLITIKEN aus Kopenhagen.
Der britische SUNDAY TELEGRAPH erläutert: "Wenn das Regime in Syrien fällt, könnten auch Russlands Luft- und Marinestützpunkte in dem Land davon betroffen sein. Das würde Wladimir Putin einen schweren Schlag versetzen. Und dem Iran wäre es nicht gelungen, einen seiner wenigen Verbündeten zu stützen. Assads Abgang wäre zwar zu begrüßen, doch was danach kommen könnte, ist möglicherweise keine Verbesserung. Der Kommandeur der Rebellen, der die Offensive anführt, kämpfte für Al-Kaida und kehrte auf Geheiß des Anführers des Islamischen Staates nach Syrien zurück", erinnert THE SUNDAY TELEGRAPH aus London.
"Israel hat ein klares Interesse daran, dass Syrien aus dem Machtbereich des Iran entfernt wird", konstatiert die Zeitung JERUSALEM POST: "Syrien unter der Führung von Assad war ein Grund für die Stärke der Hisbollah im benachbarten Libanon. Vor allem über Syrien wurden Raketen und moderne Waffen geschmuggelt. Ohne Syrien dürfte es der Hisbollah im Libanon – die bereits unter den Angriffen Israels leidet – schwer fallen, sich neu zu formieren", überlegt die Zeitung JERUSALEM POST.
Die türkische Zeitung KARAR notiert: "Wenn das Assad-Regime fällt, besteht die Hoffnung, dass Syrien durch die Rückkehr der Flüchtlinge aus der Türkei und Jordanien wieder aufgebaut werden kann. In Syrien gibt es eine - wenn auch noch schwache - Hoffnung, den Bürgerkrieg durch Versöhnung zu beenden." Das war KARAR aus Istanbul.
Nun nach Frankreich. In Paris wurde am Abend die durch ein Feuer zerstörte Kathedrale Notre-Dame feierlich wiedereröffnet. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG wirft ein Schlaglicht auf die Rolle des französischen Präsidenten: "Achtzig Jahre Alliiertenlandung in der Normandie, Olympische Spiele in Paris und jetzt auch noch die Wiedereröffnung von Notre-Dame – Emmanuel Macron hatte dieses Jahr viele Gelegenheiten, sich als starker Staatschef einer stolzen Nation in Szene zu setzen. Er ließ sie nicht verstreichen. Macron beherrscht das Showgeschäft und ist ein eloquenter Redner. Er sagt kluge Dinge und hat eine gute Vorstellung davon, wie sich Europa im 21. Jahrhundert als politische und wirtschaftliche Macht behaupten kann. Als er Ende Mai vor der Dresdner Frauenkirche sprach, versetzte er ein Millionenpublikum in Begeisterung. Der Kontrast zum bräsigen Kanzler könnte größer kaum sein. Und dennoch ist es weniger Redekunst als vielmehr erratische Politik, die von Macron in diesem Jahr in Erinnerung bleibt. Im Inland stößt seine Sprunghaftigkeit schon lange auf große Ablehnung", analysiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
Die WELT AM SONNTAG führt aus: "Dank der Entschlossenheit von Präsident Macron, der Meisterschaft der französischen Architekten, Ingenieure und Handwerker und der großzügigen Spenden steht Notre-Dame strahlend im Herzen der französischen Hauptstadt wie ein Symbol der Hoffnung. Das andere Gesicht, das Frankreich gerade der Welt zeigt, ist von tiefen Sorgenfalten zerfurcht. Während in Notre-Dame die Chöre singen, wird die Luft draußen vom Gezeter einer politischen Krise zerrissen. Ohne Regierung, mit einem blockierten Parlament, gefährlich überschuldet, ideologisch gespalten, politisch seltsam unvernünftig trudelt der politische Betrieb gerade vor sich hin. Ein selbstverliebter Präsident an der Spitze, der sich anfangs noch als Neuerfinder Europas und Verhinderer der Rechtsnationalen inszeniert hatte, hat den Faden verloren und die Gestaltungsmacht ohnehin, drei Jahre vor Ende seines Mandats. In einem Akt kindischer Entschlossenheit verkündete er nach schwachen Europawahlergebnissen seines Lagers Neuwahlen, die nicht zu einer von ihm versprochenen Klärung führten, sondern ins Chaos. Diese Woche hat gezeigt, dass Minderheitsregierungen nicht funktionieren können, wenn sie vom Wohlwollen rechter und linker Extremisten abhängig sind", resümiert die WELT AM SONNTAG.
Die französische Zeitung DIMANCHE OUEST FRANCE nennt die Wiedereröffnung der Notre-Dame einen großen Tag für Frankreich: "Dies zeigt, was unser Volk erreichen kann, wenn es sich in wesentlichen Fragen einig ist und seine traurige Zwietracht, seine schäbigen Rivalitäten und seinen unfruchtbaren Hass beiseite lässt. Es beweist, dass wir die Schwierigkeiten des Landes überwinden können, fernab von Spielverderbern, Demagogen und Dekonstrukteuren, deren Erbe nur aus Ruinen, Gewalt und Verbitterung besteht.Stellen wir uns also der Herausforderung, Frankreich in einer paar Jahren wieder aufzurichten", empfiehlt DIMANCHE OUEST FRANCE aus Rennes.
Weiter geht es mit Rumänien. Dort hat das Oberste Gericht die erste Runde der Präsidentschaftswahl annulliert. Hintergrund ist eine mögliche Beeinflussung aus Russland. Die österreichische Zeitung DIE PRESSE AM SONNTAG zeigt sich besorgt: "Wenige Wochen vor der ersten Wahlrunde hatte der zuvor mäßig bekannte prorussische Rechtsextremist Georgescu durch Wahlwerbung via TikTok und Telegram starken Rückenwind erhalten, der ihn sogar zum Wahlsieg trug. Die umstrittene Entscheidung ist nicht im Sinne von Verfechtern der Demokratie. Und warum sollten Menschen, egal, wie und durch wen 'informiert', bei einer Neuaustragung anders entscheiden? Wer Georgescu gewählt hat, wird wohl nicht dankbar dafür sein, als offenbar nicht zurechnungsfähig 'korrigiert' worden zu sein. Möglicherweise schlägt das Pendel sogar noch weiter nach rechts. Appelle an die Vernunft werden in der derzeitigen gesellschaftspolitischen Lage genauso verhallen wie überall sonst auch. Überhaupt scheint die Zeit der guten Ratschläge vorbei. Sie erzeugen im Gegenteil wohl noch mehr Wut und Widerstand gegen etablierte Institutionen. Man will sich nichts mehr sagen lassen, denn wohin hat es geführt, wenn Ende des Jahres außer von Krisen nur von Krieg und Düsternis die Rede ist?" Das war die PRESSE AM SONNTAG aus Wien.
Zum Schluss nach Südkorea. Dort ist die Opposition damit gescheitert, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Staatschef Yoon einzuleiten. Zur politischen Krise in dem Land schreibt die japanische Zeitung YOMIURI SHIMBUN: "Dass Präsident Yoon aufgrund der stagnierenden Innenpolitik das Kriegsrecht in autoritärer Weise ausgehängt hat, ist nichts anderes als eine Gewalttat. Andererseits liegt einer der Gründe für die Eskalation auch im Verhalten der Opposition. Sie hat im Parlament die Mehrheit und will ihre politischen Ziele durchsetzen. Der Konservative Yoon hat großen Wert auf die Verbesserung der Beziehungen zu den USA und Japan gelegt. Es ist zu hoffen, dass die Regierungspartei und die Opposition sich um eine Verständigung bemühen, damit die Krise in Südkorea keine negativen Folgen für die internationale Politik hat."