
Zu Letzterem schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG: "Im Widerstand gegen Russlands Imperialismus hat Bundeskanzler Merz einiges richtig gemacht. In seiner ersten Amtswoche hat er eine europäische Reisegesellschaft aus Staats- und Regierungschefs in die Ukraine geführt. Damit hat er bewusst ein Pfand seiner Glaubwürdigkeit hinterlegt. Jetzt muss er es durch Taten einlösen. Die erste wichtige Tat ist die Zusage, die er jetzt dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj gegeben hat: Deutschland wird der Ukraine helfen, weitreichende Flugkörper zu bauen, mit denen sie auch Ziele in Russland angreifen kann. Allerdings macht Merz keine Anstalten, auch den Marschflugkörper Taurus freizugeben, obwohl der besser ist als alles, was die Ukraine bauen kann, und obwohl er ihn im Wahlkampf versprochen hat. An die Stelle des 'Ich will' ist jetzt ein 'Vielleicht' getreten. Dieses 'Vielleicht' haben die Leute des Kanzlers in 'strategische Ambiguität' umbenannt. Die Methode der bewussten Unschärfe hat wirklich vieles für sich. Sie ist eine Hauptkomponente der militärischen Abschreckung, denn wenn der Feind nicht weiß, wo die Stolperdrähte liegen und was sie auslösen können, wird er seine Schritte vorsichtig setzen oder im Idealfall gar nicht. Es gibt aber ein Problem: Manches deutet darauf hin, dass der Kanzler mit der Unschärfe beim Taurus nicht etwa verbirgt, wann er ihn liefern will, sondern dass er ihn gar nicht liefern will", gibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG zu bedenken.
Die Zeitung WELT AM SONNTAG führt aus: "Nach Jahren des verbalen Zauderns hat Bundeskanzler Merz Deutschland innerhalb weniger Wochen als Führungsmacht auf die europäische Bühne zurückgeholt. Das sehen nicht nur viele Verbündete so. Auch in Moskau hat man das erkannt. In Kiew ist man erleichtert - und dankbar. 'Wir erleben eine neue Tonlage: direkter, klarer, engagierter', sagte der ukrainische Botschafter Makeiev nach dem Besuch von Präsident Selenskyj in Berlin. Bei dem Treffen hatte Merz zugesagt, die Ukraine bei der Produktion weitreichender Raketen zu unterstützen. Auch über eine mögliche Lieferung des Marschflugkörpers Taurus soll es Gespräche gegeben haben. Über das Ergebnis vereinbarten beide Seiten Stillschweigen - ganz im Sinne der neuen Strategie des Kanzlers, Waffenlieferungen nicht mehr öffentlich zu debattieren. Verbal hat er alles richtig gemacht. Das Problem ist nur: Mit verbaler Stärke allein lässt sich Russland nicht in die Knie zwingen. All die Warnungen, die nicht nur aus Berlin, sondern auch in einer verwirrenden Kakofonie aus Washington kommen, prallen an Putin ab. Der russische Machthaber weiß genau: Bis sich die Europäer auf ein 18. Sanktionspaket einigen können, wird es dauern", bemerkt die WELT AM SONNTAG.
Nun in den Nahen Osten. Zur Lage in Gaza schreibt die türkische Zeitung KARAR: "Jeden Tag sterben Menschen in Gaza, viele davon Kinder. Sie wurden durch israelische Bomben getötet, ihre verkohlten Körper waren nicht wiederzuerkennen. Das berichten britische Journalisten, die vor Ort waren. Sie dokumentieren damit diese große Tragödie. Die Berichte werden die Netanjahu-Regierung jedoch nicht davon abhalten, die Bewohner des Gazastreifens zu vertreiben. Sie will die durch den Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 geschaffene 'Gelegenheit' nutzen, um das israelische Staatsgebiet erneut auszudehnen. Hätten Ägypten und Jordanien zugestimmt, hätte Israel den Gazastreifen längst evakuiert. Doch beide Länder wehrten sich - und so wird der Krieg unvermindert fortgesetzt. Die Versuche Katars und in gewissem Maße auch die der USA, den Krieg zu beenden, scheinen keine dauerhaften Ergebnisse zu erzielen. Und auch die übrigen arabischen Länder sind zwar das Palästinenserproblem leid, haben aber nicht die Absicht einzugreifen. Von Zeit zu Zeit werden Krokodilstränen vergossen - mehr nicht. Es ist an der Zeit, dass die arabischen und islamischen Länder politisch, diplomatisch und wirtschaftlich tätig werden, um eine Expansion Israels zu verhindern und um das Leid im Gazastreifen zu beenden", findet KARAR aus Istanbul.
Die dänische Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen blickt auf den Konflikt zwischen Syrien und Israel: "Nun hat der neue Machthaber in Syrien Verhandlungen mit Israel über ein Ende des beidseitigen Konflikts begonnen. Sollte es dazu kommen, wäre das ein dramatischer Wendepunkt für den Nahen Osten. Al-Sharaa hat unterstrichen, dass er nach jahrzehntelanger Diktatur in Syrien ein Ende der Auseinandersetzungen wünscht und dass Syrien keine Bedrohung für Israels Sicherheit darstellen soll. Das Regime von al-Scharaa hat außerdem den Iran dazu veranlasst, seine Soldaten aus Syrien abzuziehen. Ein dramatischer Schritt? Das wäre noch untertrieben. Beide Seiten haben auch darüber gesprochen, Syrien in das Abraham-Abkommen für eine Normalisierung zwischen arabischen Staaten und Israel einzubeziehen. Damit es aber dazu kommen kann, müssen sich die beiden Staaten noch über den Verlauf der Grenze verständigen, denn Israel hält seit Jahrzehnten die Golanhöhen besetzt. Syrien hat recht, dass es sich dabei um eine Eroberung durch israelisches Militär handelt. Letztlich geht es darum, ob Syrien einen Krieg riskieren will, um den Golan zurückzubekommen, und ob Israel einen Krieg führen will, um ihn zu behalten. Ein Kompromiss würde eine Demilitarisierung vorsehen. Zudem haben neue Technologien längst dazu geführt, dass eine Kontrolle über die Golanhöhen keine so große Rolle mehr spielt. Al-Scharaa hat einen wichtigen Schritt auf Israel zu gemacht – aber nun muss auch die Regierung Netanjahu zeigen, ob sie bereit zu einem Frieden ist", unterstreicht POLITIKEN.
Themenwechsel. Die BILD AM SONNTAG thematisiert die Vorhaben der neuen Gesundheitsministerin Warken: "Im schwarz-roten Koalitionsvertrag ist von einem 'verbindlichen Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte' die Rede. Dahinter verbirgt sich gesundheitspolitischer Sprengstoff: Haus- und Kinderärzte sollen in Zukunft festlegen, bis wann - und ob überhaupt - ein Patient einen Facharzt besuchen darf. Wahlweise soll man die Kassenärztlichen Vereinigungen anrufen und die stellen dann am Telefon fest, ob ein Patient 'den medizinisch notwendigen Bedarf für einen Facharzttermin' hat und legen den dafür 'notwendigen Zeitkorridor' fest. Echt jetzt? Es fehlen Tausende Hausärzte in Deutschland und auch Kinderarzt-Termine sind nur schwer zu bekommen. Möglicherweise geht es der Regierung gar nicht darum, dass künftig möglichst viele Kassenpatienten möglichst schnell einen Facharzttermin bekommen. Vielleicht geht es darum, dass möglichst viele dieser Termine künftig verhindert werden. Das spart viel Geld. Sicher ist eines: Die geplante Reform schafft das Prinzip der freien Facharztwahl weitgehend ab. Wenn unser Gesundheitssystem diese nicht mehr gewährleisten kann, dann sollte die Regierung das offen sagen und den Mut haben, für das Poliklinik-System der DDR zu werben", findet die BILD AM SONNTAG.
Nun noch ein Kommentar zur Zukunft der Künstlichen Intelligenz. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG analysiert: "Ende 2022 lancierte Open AI sein KI-Sprachmodell Chat-GPT. Seither ist in der IT-Welt kein Stein auf dem anderen geblieben. Alibaba, Google, Microsoft, Meta, Tencent, X und eine ganze Reihe von Jungfirmen haben Milliarden in KI investiert. Mit dem Resultat, dass Chat-GPT nur noch ein Sprachmodell unter vielen ist. Nun spannt Open AI mit dem langjährigen Apple-Designer Jony Ive zusammen, um KI-Geräte zu entwickeln. Dieser Schachzug zeigt, dass das KI-Rennen nun in eine nächste Phase tritt. Ein Sprachmodell ist dann besonders nützlich, wenn es sieht und hört, was seine Nutzer sehen und hören. Wenn ein KI-Chatbot dagegen nur auf einer Handy-App oder auf dem PC zu Hause ist, wird er an Relevanz verlieren." Das war zum Ende der Presseschau die NZZ AM SONNTAG.