22. Juni 2025
Die Presseschau

Einzelne Zeitungen thematisieren schon jetzt die nächtlichen US-Angriffe auf iranische Atomanlagen. In vielen Kommentaren zur Lage im Nahen Osten ist die aktuelle Entwicklung aber noch nicht berücksichtigt. Kommentiert wird zudem der bevorstehende NATO-Gipfel.

US-Präsident Trump spricht in ein Mikrofon. Im Hintergrund steht US-Außenminister Rubio.
Präsident Trump äußert sich nach den US-Angriffen auf Atomanlagen im Iran. (dpa / Carlos Barria)
Zur Entscheidung von US-Präsident Trump, direkt in den Krieg zwischen Israel und Iran einzugreifen, schreibt die WASHINGTON POST: "Trump hat Teheran aufgefordert, 'Frieden zu schließen', andernfalls drohe dem Iran eine weitaus größere Tragödie, als man sie in den letzten acht Tagen erlebt habe. Es gebe schließlich viele andere Ziele, die die Vereinigten Staaten treffen könnten. Daran besteht kein Zweifel. Trump hat die Vereinigten Staaten in einen Krieg mit dem Iran verwickelt, auf den das US-Militär offenbar gut vorbereitet war, der Rest des Landes jedoch nicht. Aber er hat nicht definiert, wie der von ihm geforderte 'Frieden' aussehen soll. Eine Verpflichtung Teherans, niemals Atomwaffen zu entwickeln? Ein Ende der vom Iran staatlich geförderten Gewalt im gesamten Nahen Osten? Ein Regimewechsel? Strategische Zweideutigkeit kann manchmal hilfreich sein, um einen Gegner in die Irre zu führen. Aber die Amerikaner brauchen Klarheit darüber, was Trump erreichen will - und wie er es erreichen will", konstatiert die WASHINGTON POST.
"Die Luftangriffe der USA auf drei iranische Nuklearanlagen sind eine historische Intervention", betont das HANDELSBLATT: "Trump überschreitet damit eine Linie, die nicht nur von vielen seiner Vorgänger, sondern lange auch von ihm selbst gezogen worden war. Unvergessen sind die wutgetränkten Tweets in seiner ersten Amtszeit in Richtung Iran, die Drohungen von Krieg und Bomben. Glücklicherweise blieb es damals bei Drohungen, es kam nicht zu einem heißen Konflikt. In dieser Amtszeit aber rücken die USA nun, wieder unter Trump, gefährlich nahe an eine Situation, die er eigentlich vermeiden wollte: Dass die Amerikaner in den Nahost-Krieg tief hineingezogen werden und die USA ein direkter Mit-Aggressor in einem Konflikt werden, der immer nur neue Eskalationen und niemals diplomatische Durchbrüche zu kennen scheint", notiert das HANDELSBLATT.
Die UPSALA NYA TIDNING aus Schweden kommentiert die Verhandlungsfähigkeit von US-Präsident Trump, noch vor den nächtlichen Angriffen: "Wir sollten nicht vergessen wie alles begann, nämlich 2018, als Trump ein von den USA ausgehandeltes Abkommen aufkündigte. Egal, ob man es für gut hält oder nicht, aber es war unterzeichnet, und der Iran hatte spürbare Zugeständnisse als Ausgleich für Lockerungen von Sanktionen gemacht. Anderen Abkommen aus der Zeit vor Trumps zweiter Präsidentschaft erging es ähnlich, nämlich zu Israels Kriegen gegen die Hisbollah im Libanon und gegen die Hamas in Gaza. Man kann sich leicht vorstellen, welchen Eindruck der Iran von Trumps Verhandlungskünsten bekommen hat. Welcher iranische Führer wird in der aktuellen Lage sein Schicksal in die Hände der USA legen?", fragt die schwedische Zeitung UPSALA NYA TIDNING.
"Über die Natur des iranischen Atomprogramms muss man sich keine Illusionen machen", ist die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG überzeugt: "Mochte vielleicht die Führung des Regimes in Teheran noch nicht entschieden haben, ob man nach der ultimativen Bombe greifen möchte, an den technischen Voraussetzungen dafür hat man zunehmend unverhohlen gearbeitet. Wie die Internationale Atomenergiebehörde festgehalten hat: Kein anderes Land auf der Welt reichert Uran so hoch auf einen beinahe waffenfähigen Grad an, wie es Iran tut – oder jedenfalls bis vor einer Woche getan hat. Es ist aber alles andere als gewiss, ob dieser israelisch-iranische Krieg zu einer Stärkung des Nichtverbreitungsregimes in der Welt führt. Es ist nicht einmal klar, ob das Atomprogramm Teherans dadurch nachhaltig gestoppt werden kann", meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
Israel setze im Iran auf eine komplexe Zermürbungsstrategie, vermerkt ELAPH aus dem Libanon: "Dabei geht es nicht darum, den Gegner in einer bestimmten Schlacht vollständig niederzuringen. Vielmehr geht es darum, seine Strukturen zu schwächen, und zwar so lange, bis auch das Zentrum dieses Staates schließlich wankt. Wenn das iranische Regime seine Fähigkeit zur Abschreckung und Kontrolle schließlich ganz verloren hat und auch an der innenpolitischen Front unter immer größerem Druck steht, dann - so das Kalkül - könnte der Moment gekommen sein, an dem es endgültig zusammenbricht. Dabei handelt es sich aus israelischer Sicht nicht nur um einen Kampf zwischen zwei Staaten. Vielmehr wird in ihm ein neues Kräfteverhältnis im Nahen Osten ausgehandelt", unterstreicht ELAPH aus Beirut.
KARAR aus Istanbul hält fest: "Für die Türkei ist es wichtig, dass dieser Krieg so schnell wie möglich beendet wird, der Iran seine nuklearen Ambitionen endgültig aufgibt und sich mit Israel versöhnt. Teheran darf Israel nicht mehr zum Ziel seiner hegemonialen Ambitionen machen oder das Land als existenzielles Problem betrachten. Der vernünftigste Weg ist, dies auf dem Verhandlungsweg zu erreichen, um weitere Verluste an Menschenleben sowie militärischen und wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden", mahnt die türkische Zeitung KARAR.
Nun zum NATO-Gipfel, der kommende Woche in den Niederlanden stattfindet. DIE PRESSE AM SONNTAG aus Wien schreibt: "Die Führung um Mark Rutte will nichts dem Zufall überlassen. Wenn am Dienstag in Den Haag das nächste Gipfeltreffen beginnt, dann wird sich vieles darum drehen, den Gast aus den USA bei Laune zu halten, was keine leichte Aufgabe ist. Der geplante politische Kniefall vor Donald Trump wird nicht allen gefallen, aber er ist womöglich nötig, und er spiegelt die transatlantischen Abhängigkeiten wider. Wie wenig die Europäer geopolitisch zu melden haben, zeigt sich in diesen Tagen aber auch Tausende Kilometer östlich von Den Haag, am Himmel über Israel und dem Iran. Dass die EU-Staaten über den bevorstehenden Krieg in der Nachbarschaft allenfalls kurz davor in Kenntnis gesetzt wurden, ist ein Debakel. Seither changieren die Europäer zwischen der Rolle als Zuschauer und als bemühter Vermittler. Aber wirklich zu melden haben sie nichts", betont DIE PRESSE AM SONNTAG.
Es habe im Vorfeld des Gipfels 'bizarre Wortmeldungen' gegeben, kritisiert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG AM SONNTAG: "Sie kamen von Europäern, was zeigt, wie tief die Störung der NATO durch US-Präsident Trump ist, der sich nicht mehr an die militärische Beistandspflicht gebunden fühlt. So erklärte Italiens Verteidigungsminister, die NATO habe in ihrer jetzigen Form keine Daseinsberechtigung mehr, sie müsse sich vielmehr um den globalen Süden kümmern. Der slowakische Regierungschef Robert Fico ließ wissen, dass sein Land besser gleich aus der NATO austreten und neutral werden solle. Sein spanischer Amtskollege Pedro Sánchez nannte die Anhebung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung unverantwortlich. Nichts davon wird am Ende Bestand haben. Die Europäer in der NATO sollten sich auf sich selbst besinnen und auf den Gegner Russland, den sie in Schach halten müssen", appelliert die NZZ am Sonntag.
Zum Schluss noch ein Kommentar zur Deutschen Bahn, die bekanntgab, dass sich die Sanierung des Schienennetzes verzögert. "Der Aufschub wirft Fragen auf", stellt die WELT AM SONNTAG fest: "Vor allem lenkt er den Blick auf ein strukturelles Missverständnis. Die Infrastruktur ist nicht unterfinanziert, sie ist überfordert. Es fehlen Baukapazitäten, Fachkräfte, Zulieferer. Gleichzeitig treiben Krieg und Inflation die Baukosten zusätzlich in die Höhe. Hinzu kommt: Das System selbst ist längst am Limit. Während die Streckennetzlänge seit der Bahnreform um rund 15 Prozent geschrumpft ist, ist die Verkehrsleistung – also Personen- und Güterverkehr – um rund 27 Prozent gestiegen. Die Bahn kann nicht saniert werden wie eine Brücke. Sie ist ein Dauerpatient. Wer hier heilen will, braucht mehr als Geld. Er braucht einen belastbaren Plan und die Kraft, ihn umzusetzen." Das war zum Ende der Presseschau die Meinung der WELT AM SONNTAG.