27. Juli 2025
Die Presseschau

In den Sonntagskommentaren geht es unter anderem um den Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha und die Ukraine. Hauptthema aber ist die Lage der Menschen im Gazastreifen.

Menschen im Gazastreifen drängen sich, als eine Wohltätigkeitsorganisation warme Mahlzeiten an Palästinenser verteilt.
Nahostkonflikt - Humanitäre Lage im Gazastreifen (Omar Ashtawy/APA Images via ZUMA Press Wire/dpa)
Dazu heißt es in der türkischen Zeitung SABAH: "Der Hunger ist Israels neue Waffe in Gaza. Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen hat jeder dritte Mensch im Gazastreifen seit Tagen nichts mehr gegessen. Jetzt, da die Gräueltaten ein unvorstellbares Ausmaß erreicht haben und der internationale Druck wächst, hat Israel eingewilligt, Hilfsgüter per Luftbrücke in den Gazastreifen zu schicken. Wahrscheinlich versucht Israel, aus dem weltweiten Aufschrei über das Geschehen in Gaza Kapital zu schlagen. Es ist ein Versuch, von der geplanten Massenaushungerung abzulenken. Schließlich wartet längst eine Flottille von 6.000 Lastwagen in Jordanien und Ägypten darauf, in den Gazastreifen zu fahren. Alles, was die israelischen Soldaten tun müssten, ist, diese humanitären Hilfe passieren zu lassen", bemerkt SABAH aus Istanbul.
"Die Vereinten Nationen warnen seit Ende Oktober 2023 vor einer drohenden Hungersnot in Gaza", notiert die irische Zeitung SUNDAY INDEPENDENT: "Wenn diese Warnungen in guter Absicht ausgesprochen wurden, warum wird das Wort 'Hungersnot' auch jetzt noch nicht offiziell verwendet, obwohl Berichte über Hungertote und ausgemergelte Kinder auf unseren Bildschirmen zu sehen sind? Der Grund, warum nicht offiziell von einer 'Hungersnot' die Rede ist, ist technischer Natur – und paradox. Denn eine offizielle Einstufung hängt von der Sterblichkeitsrate, der Unterernährungsrate und dem Prozentsatz der Haushalte ohne Nahrungsmittel ab. Damit eine Krise als Hungersnot eingestuft werden kann, muss jemand in der Lage sein, diese Faktoren zu messen. Eine genaue Messung der Bevölkerungsdaten in Gaza ist jedoch unmöglich. Das, was eine Hungersnot verursachen könnte – Israels Kriegshandlungen –, ist also auch das, was eine offizielle Einstufung als solche verhindert. Die Weltgesundheitsorganisation spricht stattdessen von einer 'vom Menschen verursachten Massenhungersnot'. Wie auch immer wir es nennen, es ist ein Kriegsverbrechen", resümiert der SUNDAY INDEPENDENT aus Dublin.
Die WELT AM SONNTAG fragt: "Welchen Kurs verfolgt Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit den fortgesetzten Attacken? Es ist das gute Recht der Europäer im Allgemeinen und der Bundesregierung im Besonderen, auf eine Antwort jenseits der Phrasen zu beharren. Genauso haben sie das Recht, darauf zu dringen, dass die Welthungerhilfe und/oder das Rote Kreuz die Versorgung der Bevölkerung verantworten. Die israelischen Ersatzorganisationen sind offenbar nicht in der Lage, eine zufriedenstellende Versorgung zu ermöglichen. Israel deshalb den gezielten Versuch des Völkermordes zu unterstellen, ist nicht nur böswillig, sondern ein Zeichen ideologischer Verblendung ohne einen Bezug auf die juristische und historische Bedeutung des Begriffs. Wie auch immer – es wird Zeit, dass die Regierung Netanjahu erklärt, welche politische Perspektive sie für den Gazastreifen sieht. Wenn dazu Druck aus dem Ausland nötig ist, dann ist er legitim", betont die WELT AM SONNTAG.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO beleuchtet die von Frankreichs Präsident Macron geplante Anerkennung eines palästinensischen Staates: "Diese Entscheidung kommt nicht von ungefähr. Sie entspricht der Palästina-sympathischen Position Frankreichs schon unter Präsident Charles de Gaulle. Als europäischer Staat mit hohem Anteil sowohl jüdisch-, als auch islamstämmigen Bürgern liegt die Stabilität im Nahen Osten im eigenen Interesse Frankreichs. Darüber hinaus könnte Präsident Macron den jetzigen Zeitpunkt als geeignet angesehen haben, um in der Nahost-Politik mehr Einfluss zu nehmen", überlegt JIEFANG RIBAO aus Shanghai.
Der Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha wird in einem Gastkommentar der taiwanesischen Zeitung LIANHE BAO beleuchtet: "Der jüngsten Entwicklung nach scheint eine größere Eskalation eher unwahrscheinlich. Ohnehin würden sich die westlichen Mächte da wohl lieber heraushalten und Peking die heiße Kartoffel überlassen. China pflegt in der Tat ein gutes Verhältnis zu beiden Konfliktparteien. Eine weitere Eskalation der Gewalt liegt daher sicher nicht im Interesse des Landes. Das heißt aber nicht automatisch, dass Peking eine Vermittlungsrolle übernehmen wird. Denn es weiß zu gut Bescheid, dass es bei einer solchen Angelegenheit besser ist, der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN den Vortritt zu lassen. Dies entspricht ohnehin der pragmatisch geprägten Diplomatie der Volksrepublik", meint LIANHE BAO aus Taipeh.
Themenwechsel. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG befasst sich mit der Debatte um die geplanten Anti-Korruptionsgesetze in der Ukraine: "Präsident Selenskyj hat der Ukraine Schaden zugefügt. Er hat ein Gesetz durchgebracht, das die zentralen Institutionen des Landes im Kampf gegen die Korruption entmachtet: die Ermittlungsbehörde NABU und die Sonderstaatsanwaltschaft SAP. Jetzt hat er zwar nach Demonstrationen in Kiew und in anderen Städten sowie nach ein paar harten Worten der europäischen Verbündeten ein neues Gesetz angekündigt und auch gleich einen Text dafür vorgelegt. Und das Aktionszentrum gegen Korruption ANTAC, eine angesehene zivilgesellschaftliche Einrichtung, hat anerkannt, dass der Entwurf den alten Zustand wiederherstellen könnte. Aber erstens ist der noch nicht beschlossen, und zweitens ist jetzt das Vertrauen in Selenskyjs Einsatz für Demokratie und Rechtsstaat im In- und Ausland ramponiert", unterstreicht die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
"Es war keine gute Woche für Selenskyj", findet auch die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG am Sonntag: "Noch nie gingen so viele Menschen auf die Straße seit der russischen Großoffensive, um gegen ein Gesetz zu demonstrieren, das die Unabhängigkeit von zwei wichtigen Antikorruptionsbehörden hätte beenden sollen. Doch Selenskyj schockierte nicht nur seine Bevölkerung, auch im westlichen Ausland reagierte man entsetzt und erinnerte sich daran, dass die Ukraine vor dem Krieg zu den korruptesten Ländern in Europa gehörte und Selenskyj damals nie ernsthaft die Korruption bekämpfte. – Selenskyj hat seit 2022 eine Aufgabe: den Westen um Hilfe zu bitten im Krieg gegen Russland. Diese Lobbyarbeit machte er bisher hervorragend, im Westen gilt er als Kriegsheld. Doch nun untergräbt er sein wichtigstes Gut: seine Glaubwürdigkeit. Offenbar will er beim Gesetz nun zwar zurückrudern, ob er den angerichteten Vertrauensverlust jedoch beheben kann, ist offen", notiert die NZZ aus der Schweiz.
Zum Schluss noch ein Blick auf die jüngsten Äußerungen von Bundeswirtschaftsministerin Reiche zur Lebensarbeitszeit. In der BILD AM SONNTAG lesen wir: "Katherina Reiche wird viel Ärger bekommen, weil sie ausspricht, was wir alle – wenn wir ehrlich sind – wissen: Wir werden länger arbeiten müssen. Mindestens unsere Kinder. Unsere Enkel sowieso. Man muss die deutsche Rentenformel nicht verstehen, um zu kapieren: Es geht nicht anders. Seit Jahrzehnten belügen wir uns selbst, glauben lieber weiter an das alte Volksmärchen 'Die Rente ist sicher'. Warum? Weil die Wahrheit brutal ist, weil für diese Rentenkassenzukunft Otto Normalarbeiter nicht jobben will. Dabei gehen schon heute 20 Prozent des Bundeshaushaltes als Staatszuschuss in die Rente! Und weil seit vielen Jahren zu wenige Kinder geboren werden, wird das System kollabieren. Jedenfalls, wenn sich nicht grundlegend etwas ändert. Es wäre ja schon viel gewonnen, wenn wenigstens die Masse der Neurentner die nötigen 45 Beitragsjahre Vollzeit gearbeitet hätte – statt der lächerlichen 30 Prozent, die es aktuell sind. Dieses Mal darf die Rentendebatte nicht wieder mit 'aber die Dachdecker', 'aber die Krankenpfleger' beerdigt werden. Ausnahmen finden sich immer." Das war zum Ende der Presseschau ein Auszug aus der BILD AM SONNTAG.