14. Dezember 2025
Die Presseschau

Die Kommentatoren beschäftigen sich mit den Verhandlungen über eine Friedenslösung für die Ukraine sowie den Folgen der neuen US-Sicherheitsstrategie für Europa. Ein weiteres Thema ist der CSU-Parteitag in München.

Wolodymyr Selenskyj (l-r), Präsident der Ukraine, der britische Premierminister Keir Starmer, der französische Präsident Emmanuel Macron und der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz stehen vor der Tür der 10 Downing Street in London.
Der ukrainische Präsident Selenskyj, der britische Premierminister Starmer, der französische Präsident Macron und Bundeskanzler Merz bei einem Treffen Anfang der Woche in London (Kin Cheung / AP / dpa / Kin Cheung)
Vor weiteren Gesprächen in Berlin über ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs schreibt die WELT AM SONNTAG: "Geht es um die Ukraine, sind Europas Politiker nackt in ihren Kleidern. Friedrich Merz, Emmanuel Macron und Keir Starmer, aber auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und mit ihr fast alle anderen Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union leiden seit dem russischen Angriffskrieg an Ideenarmut. Weder haben sie ein Gefühl, wohin sie wollen, noch eine Ahnung, wie dieser Konflikt enden kann, von geopolitischer Weitsicht zu schweigen. Seit 2023 verstecken Deutsche, Franzosen und Briten ihre Blöße hinter Phrasen und moralischer Entrüstung. Es liegt im Wesen des moralischen Anspruchs, dass bei ihm kein Kompromiss möglich ist. Der ist aber nötig. Kompromiss heißt in diesem Fall für Kiew, Gebiete abzutreten, gleichzeitig aber muss dafür gesorgt werden, dass auch Moskau zu Konzessionen gezwungen ist", meint DIE WELT AM SONNTAG.
Die österreichische PRESSE AM SONNTAG warnt die Ukraine vor Zugeständnissen ohne "handfeste Sicherheitsgarantien" - denn, Zitat: "... sonst greifen die Russen nach einer kurzen Atempause bald wieder an. Wer so naiv ist und Putin nach der Annexion der Krim 2014 und nach der großen Invasion 2022 noch über den Weg traut, dem ist nicht mehr zu helfen. Russland hat seit dem Zerfall der Sowjetunion mehrmals rechtsverbindlich zugesichert, die territoriale Integrität und Souveränität zu achten. Die Verträge waren das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben waren. Die Ukrainer brauchen, wenn sie schon zur Abtretung von Gebieten gezwungen werden, diesmal harte Beistandsklauseln nach dem Vorbild von Artikel 5 im NATO-Vertrag. Am besten wäre aus Sicht der Ukraine ein NATO-Beitritt. Doch das lehnt Russland kategorisch ab, ebenso wie die Stationierung von Soldaten aus NATO-Ländern in der Ukraine. Die Russen wollen, dass das Versprechen vage bleibt und mithin keinen Schutz bietet", ist DIE PRESSE AM SONNTAG aus Wien überzeugt.
Die Züricher NZZ AM SONNTAG hält fest: "Seit Wochen verwenden die Führungen in Kiew, London, Paris und Berlin wieder einen beträchtlichen Teil ihrer Zeit und Energie darauf, die Amerikaner zu bremsen und deren russlandfreundliche Friedenspläne zur Beendigung des Ukraine-Krieges zu korrigieren. Am Montag ist es am deutschen Kanzler, in Berlin eine weitere solche Therapiesitzung mit den Emissären der Regierung Trump zu moderieren. Der Zug bewegt sich gleichwohl in Richtung Diktatfrieden. Mit jeder Drehung und Wendung der amerikanischen Diplomatie verlieren die Ukrainer an Verhandlungsmasse. Die ukrainische Armee? Hat plötzlich eine Grössenbeschränkung. Der von den Russen nicht eroberte Teil des Donbass? Soll entmilitarisierte Zone werden. Alles, was die Geschäftsmänner Trump, Witkoff und Kushner auf den Tisch legen und den Ukrainern aufzuzwingen versuchen, bleibt dort. Gleichgültig, ob die Europäer es schaffen, diese Zugeständnisse abzumildern oder ganz abzuräumen. Die Russen notieren alles und warten, bis für sie die Zeit für Verhandlungen kommt", glaubt die NZZ AM SONNTAG aus der Schweiz.
Zum zweiten Thema. Die spanische Zeitung EL DIARIO resümiert mit Blick auf die unlängst veröffentlichte Sicherheitsstrategie der US-Regierung von Donald Trump: "Die neue Sicherheitsstrategie der USA fegt alle Dokumente beiseite, die seit dem Kalten Krieg verfasst wurden, und sie bedeutet einen radikalen Wandel in den internationalen Beziehungen. Statt einer regelbasierten Weltordnung sollen die größten, reichsten und mächtigsten Länder die Welt in Interessensphären einteilen, und es soll Gewalt an die Stelle von Recht treten. Als das größte Problem Europas macht die US-Regierung nicht Russland aus, sondern einen drohenden Verlust der kulturellen Identität durch Migration und sinkende Geburtenraten. Aber wer hat das Trump eigentlich erzählt? Etwa seine ultrarechten politischen Freunde, die täglich Politiker und Institutionen angreifen und sich über fehlende Meinungsfreiheit beklagen, während sie selbst ein Tabu nach dem anderen brechen? Was Europa betrifft, lässt sich Trumps Sicherheitsstrategie so zusammenfassen: Es soll alles zerstört werden, was die Europäer in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben", notiert EL DIARIO aus Madrid.
"Die USA haben Europa gezeigt, dass das transatlantische Bündnis keine Partnerschaft zwischen Gleichberechtigten ist", bemerkt die maltesische SUNDAY TIMES OF MALTA. "Stattdessen ist es nur eine Bühne, auf der die USA die EU bestrafen und ihre Regulierungsmacht gegen den ungezügelten und brutalen amerikanischen Kapitalismus zerschlagen wollen. Wenn die Einflusssphären Washingtons, Moskaus und Pekings zu den Organisationsprinzipien der Weltpolitik werden, sollte dies Empörung und ernsthafte Überlegungen auf höchster Ebene in Europa hervorrufen, das die Auswirkungen seiner feigen Politik gegenüber den USA erkennen sollte. Es ist ein Weckruf für die führenden Politiker der EU, ihre Strategie gegenüber den USA zu ändern und Trump, dessen Hass auf Europa kein Ende zu nehmen scheint, zu konfrontieren, statt ihn zu beschwichtigen", heißt es in der SUNDAY TIMES OF MALTA.
Die LÜBECKER NACHRICHTEN gehen auf die Vergabe des Friedensnobelpreises in dieser Woche ein. Die Zeitung urteilt nach der Verleihung an die venezolanische Oppositionspolitikerin María Corina Machado, der Preis sei inzwischen aufgrund eines globalen Kulturkampfes "vergiftet". Dabei spiele auch US-Präsident Trump eine Rolle. "Es ist nachvollziehbar, dass Machado als Oppositionsführerin mit Trumps Truppenaufmarsch die Hoffnung verbindet, der Albtraum ihres Landes möge bald enden – und sei es durch eine US-Invasion. Einen Gefallen tat sie der eigenen Sache damit aber nicht. Die 58-jährige Machado sollte die Bühne nutzen, die sich ihr mit dem Nobelpreis jetzt bietet, um der Welt zu erklären, wie sie sich ein demokratisches Venezuela vorstellt: Möchte sie Präsidentin aller Venezolaner sein, die Spannungen mit den Nachbarstaaten Guyana und Kolumbien abbauen, Presse- und Meinungsfreiheit garantieren? Oder setzt sie auf eine venezolanische Variante der Maga-Politik ihres Freundes Trump?", fragen die LÜBECKER NACHRICHTEN.
Zum Schluss noch ein Blick ins Inland. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG kommentiert die Wiederwahl des bayerischen Ministerpräsidenten Söder zum CSU-Chef: "Es war reine Formsache, dass Markus Söder auf dem Parteitag der CSU in München im Amt bestätigt worden ist. Es gab keinen Gegenkandidaten, weder formal noch in den Herzen der Delegierten. Darüber hinaus gibt es – außer Granden wie Horst Seehofer oder Erwin Huber – niemanden, der es wagt, Söder öffentlich zu kritisieren. Für die Partei ist das nicht gut. Es mangelt ihr an Inspiration, programmatischer Tiefe und Breite. Eben davon könnte auch Söder profitieren. Aber so weit scheint er nicht zu denken. Ihm geht es momentan vor allem um die Absicherung seiner eigenen Macht. Dass er die noch lange nicht abzugeben bereit ist, hat er zuletzt wissen lassen. Sein Renteneintritt werde 'sehr spät' sein, denn er habe 'eigentlich vor, ziemlich bis zum Umfallen zu arbeiten'. Das hatte sich zu Beginn seines Wirkens als Ministerpräsident noch ganz anders angehört: Damals gab Söder an, nach zehn Jahren aufhören zu wollen. Dass er sich daran nicht mehr gebunden fühlt, erklärt er mit dem damaligen Unwillen der Opposition, eine Amtszeitbegrenzung in die Verfassung zu schreiben. Aber es ist eigentlich auch egal. Auf eine Positionskorrektur mehr oder weniger kommt es im Gesamt-Œuvre Söders auch nicht mehr an", findet die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, und damit endet die Presseschau.