Dienstag, 21. Mai 2024

28. Februar 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Mit Stimmen zu Waffenlieferungen an die Ukraine, der Pflegereform und zur möglichen Einführung eines Werbeverbots für ungesunde Lebensmittel. Zunächst aber geht es um die Einigung zwischen Großbritannien und der EU auf ein Nordirland-Protokoll nach dem Brexit.

28.02.2023
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und derritische Premier Rishi Sunak.
Thema in den Zeitungen: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Premier Rishi Sunak haben im Konflikt um das Nordirland-Protokoll eine Einigung erzielt. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Dan Kitwood)
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG meint: "Das Protokoll ist eine Beruhigungspille aus Papier – einzunehmen von der eigenen Fraktion und den protestantischen Hardlinern in Nordirland. Der Zeitpunkt ist halbwegs günstig: Die Tories können sich vor wichtigen Kommunalwahlen keinen großen Streit erlauben; und die protestantische Democratic Unionist Party steht unter Druck, endlich die Regierung in Nordirland zu bilden. All dies garantiert nicht, dass die Brexit-Dämonen nun tatsächlich von Premierminster Sunak weichen. Zuvor besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Tories den ultimativen Preis für den größten innerbritischen Umbruch seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden zahlen müssen: die Abwahl", mahnt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Der KÖLNER STADT-ANZEIGER lobt: "Für die EU und Großbritannien ist dies der beste Tag seit dem Brexit-Referendum 2016. Endlich hat es der Rest Europa mit einem wieder etwas normaleren London zu tun, einer Hauptstadt, die Lösungen findet, statt nur Streit zu suchen. Die Briten haben eingesehen, dass sie sich ihre jüngsten Probleme im Handel und im Verkehr schlicht und einfach selbst geschaffen haben", findet der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
Das STRAUBINGER TAGBLATT stellt fest: "Ganz gleich wie die Details eines überarbeiteten Deals zum Nordirland-Protokoll aussehen, eins ist jetzt schon sicher: Für die Menschen und Unternehmen in dem nördlichen Landesteil des Vereinigten Königreiches würde es bedeuten, dass sie endlich Planungssicherheit hätten", betont das STRAUBINGER TAGBLATT.
Die STUTTGARTER ZEITUNG kommentiert: "Es ist fraglich, ob die angestrebte Übereinkunft lange Bestand haben wird. Dagegen spricht, dass Rishi Sunak sie nicht aus Überzeugung will, sondern aus purer politischer Not. Der Regierungschef muss den immer unzufriedener werdenden Briten einen Erfolg im Brexit-Streit vorweisen. Größeres Ungemach droht Sunak aus dem eigenen Lager. Die Brexit-Hardliner wetzen längst die Messer, um den Premier zu Fall zu bringen. Dabei ist ihnen jedes Mittel recht. So sind sie bereit hinzunehmen, dass wegen des Zollstreits zwischen London und Brüssel der blutige Konflikt in Nordirland erneut aufflammt", ist in der STUTTGARTER ZEITUNG zu lesen.
Bundesernährungsminister Cem Özdemir hat ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel angeregt. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG befindet dazu: "Gleich mehrfach betonte Özdemir, jeder dürfe essen, was er wolle. Das vernichtende Wähler-Echo auf den Veggie-Day-Vorstoß ist den Grünen nachhaltig in Erinnerung geblieben. Doch auch wenn Özdemir sagt, er wolle niemandem etwas verbieten - was er vorhat, ist ein Verbot light. Werbung für ungesunde Lebensmittel wie Chips und Süßigkeiten soll überall dort, wo Kinder sie sehen könnten, weitgehend eingeschränkt werden. Es stimmt, dass viele Kinder und Jugendliche Übergewicht haben. Doch was die Eltern ihnen zu Hause vorleben, dürfte auf ihre Ernährung weitaus größeren Einfluss haben als Werbespots in der Pause eines Fußballspiels", kritisiert die F.A.Z.
Die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz empfiehlt: "Statt Verbote auszusprechen, sollte man Kindern Dinge erklären, um sie zu eigenständigem Denken und Handeln zu erziehen. Dazu gehört es zum einen zu wissen, was gesunde Ernährung ist - und wie wichtig Sport ist."
Die OM-MEDIENGRUPPE, in der unter anderem die OLDENBURGISCHE VOLKSZEITUNG erscheint, verweist auf die Zuckersteuer in Großbritannien. "Nach deren Einführung ging der Konsum deutlich zurück, Hersteller reagierten und süßten weniger. Mehr als jeder zweite Deutsche ist übergewichtig. Gesunde Ernährung zu fördern, könnte dabei helfen, Krankheiten und Todesfälle zu vermeiden. Die Industrie streitet den Zusammenhang gerne ab, verniedlicht das Problem und mischt den Fruchtjoghurts und Gummibärchen Vitamin C bei und verkauft das Zeug noch als gesund - und damit die Käuferinnen und Käufer für dumm. Das muss ein Ende haben", fordern die Zeitungen der OM-MEDIENGRUPPE.
Auf die geplante Pflegereform blickt die FREIE PRESSE aus Chemnitz: "Karl Lauterbach ist immerhin ehrlich. Jedenfalls räumt der Gesundheitsminister ein, dass seine neuen Vorschläge für die Finanzierung des Pflegesystems nur ein erster Schritt seien. Mehr als ein Notnagel ist das Konzept des SPD-Politikers tatsächlich nicht. Und der reicht angesichts der schwierigen Lage, in der viele Pflegebedürftige heute schon stecken, schlicht nicht aus. Schließlich stürzt der reale Wertverlust viele längst in ein Dilemma: Sie können sich bei einem ambulanten Pflegedienst nicht mehr so viel Unterstützung leisten, wie sie es eigentlich brauchen. Die Solidargemeinschaft, sagt Lauterbach, dürfe nicht wegschauen und die höheren Kosten von guter Pflege den Pflegebedürftigen und ihren Familien überlassen. Genau das jedoch ist schon der Fall", bemängelt die FREIE PRESSE.
Die SÜDWEST PRESSE aus Ulm warnt: "Der wirklich große Brocken kommt erst noch: Die Länder haben gerade klargemacht, dass sie die dringend notwendige Reform der Kliniklandschaft nur mittragen, wenn der Bund sich an den Umbaukosten beteiligt. Kann sich Lauterbach im aktuell tobenden Ampel-Streit um den Bundeshaushalt nicht durchsetzen, bleiben nur höhere Beiträge – und zwar deutlich höhere. Und das bedeutet dann doch wieder hohen ökonomischen Druck – nämlich für Arbeitnehmer und Unternehmen als Beitragszahler", erinnert die SÜDWEST PRESSE.
Waffenlieferungen an die Ukraine sind Thema in der VOLKSSTIMME: "Olaf Scholz hat Leopard-Lieferungen an die Ukraine stets in nötiger NATO-Kooperation mit den USA gefordert. Und es als Erfolg gefeiert, dass Leoparden ebenso in Marsch gesetzt werden sollen wie amerikanische Abrams-Panzer. Hat Joe Biden wegen deutscher Intervention gehandelt? Eher aus taktischem Kalkül. Der US-Präsident kann sich die Zusage leisten - die Panzer werden sowieso erst zum Jahresende in der Ukraine sein. Bis dahin könnte der Krieg vielleicht zu Ende sein. Biden müsste nicht eine weitere rote Linie gegenüber Moskau verletzen, was ihm die Republikaner im Wahlkampf 2024 um die Ohren hauen könnten. Scholz dagegen sitzt tief in der Panzer-Falle", analysiert die VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle/Saale unterstreicht: "Der Kanzler hatte sich von vornherein von der Entscheidung der Amerikaner abhängig gemacht. Nun hätten die Europäer durchaus mit der Billigung der USA eine Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine organisieren können. Scholz aber wollte mehr: Er bestand darauf - so stellen es die USA dar - dass die Amerikaner gleichziehen und die Abrams liefern. Mit seinem dringenden Wunsch, die Allianz der Ukraine-Verbündeten eng beieinander zu halten, hat der Kanzler offensichtlich das Gegenteil erreicht. Die Amerikaner bis hinauf zu Präsident Biden sind über den von Deutschland aufgebauten Druck verärgert", folgert die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
Die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus hält fest: "US-Sicherheitsberater Jake Sullivan hat soeben mit überraschender Klarheit im Fernsehen dargelegt, dass diese Allianz nicht aus inhaltlicher Überzeugung zustande kam, sondern aufgrund deutscher Sturheit. Bemerkenswert ist, dass der enge Vertraute von Präsident Joe Biden die Sache wenige Tage vor dem Washington-Besuch von Scholz auf den Tisch legt. Das bedeutet dreierlei: Biden ist in dieser Erzählung derjenige, ohne den es nicht geht im Bündnis. Die deutsche Leopard wird als die militärisch entscheidende Waffe markiert, die nun, im Gegensatz zu den Abrams, schnell zur Verfügung stehen muss. Und schließlich enthält Sullivans Interview auch eine kleine Warnung an den Kanzler: Einmal machen wir so etwas mit, ein zweites Mal eher nicht." Und mit dieser Stimme aus der LAUSITZER RUNDSCHAU endet die Presseschau.