Donnerstag, 25. April 2024

03. März 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden das Parteiverfahren der Sozialdemokraten gegen Altkanzler Schröder und die Einigung der Berliner CDU und SPD, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Zunächst geht es aber um die Regierungserklärung von Bundeskanzler Scholz zum russischen Krieg gegen die Ukraine.

03.03.2023
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht im Bundestag.
Bundeskanzler Scholz (SPD) gibt im Bundestag seine Regierungserklärung ab. (dpa / Kay Nietfeld)
Dazu schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU: "Die Ampelkoalition hat sicher dazu beigetragen, dass Deutschland die Folgen der russischen Invasion besser überstanden hat als befürchtet. Deshalb ist es durchaus angemessen von Kanzler Olaf Scholz, die Regierung, aber auch andere Akteure für ihr Handeln zu loben. Die Ukraine existiert noch dank eines westlichen Bündnisses, das in EU und NATO trotz aller Unterschiede im Detail zusammensteht gegen den Aggressor Russland. Dennoch hätte man gerne gehört, wie die Ampelkoalition etwa die Bundeswehr mit welchen Waffen ausrüsten oder wie sie die anderen Krisen bewältigen will, die Putins Krieg verschärft hat", moniert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Die AUGSBURGER ALLGEMEINE führt aus: "Bundeskanzler Scholz beschränkte sich darauf, vermeintliche Erfolge seiner 'Zeitenwende' aufzuzählen. Die Schattenseiten blendete er aus. 'Wir schaffen das', hatte seine Vorgängerin Angela Merkel einst ausgerufen und damit sowohl Zuversicht wie auch eine gesunde Portion Selbstzweifel ausgedrückt. Es wäre der Stimmung im Land zuträglich gewesen, wenn sich Scholz neben viel Eigenlob einen ähnlich prägnanten Satz hätte einfallen lassen."
In der LANDSHUTER ZEITUNG ist zu lesen: "Sondervermögen und Erhöhung des Wehretats, die milliardenschwere Unterstützung der Ukraine, die Unterbringung der Flüchtlinge – all das kostet sehr viel Geld. Weil man das nicht drucken kann, wird es noch spannend, was sich der Finanzminister wohl einfallen lässt. Noch ist dazu von Christian Lindner nicht viel zu hören. Die Verteilungskämpfe stehen erst noch an und dann wird die Zeitenwende nicht mehr nur militärisch und sicherheitspolitisch buchstabiert, sondern auch sozial und finanziell. Davon wollte Scholz in seiner Regierungserklärung noch nicht reden", bemerkt die LANDSHUTER ZEITUNG.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG hält fest: "Putins Krieg hätte das Ende deutscher Selbstgefälligkeit bedeuten können. Doch wer auf einen politischen Ruck gehofft hatte, um Wirtschaft und Gesellschaft widerstandsfähiger, zukunftstüchtiger zu machen, sieht sich enttäuscht. Der Reformeifer der Ampel ist von parteipolitischem Gezänk erstickt, und die Beschwichtigungsrhetorik ist zurück. Dänemark schafft für seine Militärausgaben einen Feiertag ab. Die Bundesregierung streitet über die Abschaffung von Ölheizungen. Wenn das so weitergeht, bleibt die Zeitenwende unvollendet", befürchtet die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Die Zeitungen der MEDIENGRUPPE BAYERN, zu denen unter anderem die PASSAUER NEUE PRESSE gehört, erläutern: "Die Ein-Jahres-Bilanz von Scholz fällt durchwachsen aus: Deutschland tat sich schwer, in die Zeitenwende zu finden, hat aber mitgeholfen, dass die Ukraine gegenüber dem russischen Aggressor nach wie vor widerstandsfähig ist. Die Nachrüstung der maroden Bundeswehr bleibt ein Trauerspiel. Erfolgreicher ist die Bundesregierung bei der Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen: Keine Massenarbeitslosigkeit, keine Massenarmut, keine Blackouts. Zur Wahrheit gehört natürlich: Dafür muss die Scholz-Regierung ungezählte Milliarden aufwenden. Der Preis für die Zeitenwende ist hoch. Ihn nicht zu leisten, käme noch teurer", meint die MEDIENGRUPPE BAYERN.
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle/Saale sieht es so: "Von dieser Zeitenwende haben sich viele Menschen erhofft, dass sich insgesamt etwas ändern würde. Dass der Krieg vor der Haustür den Blick im eigenen Land schärft für das, was wichtig ist im Leben: Sicherheit, Gesundheit, Bildung. Bei aller Hilfe für die Ukraine, bei aller Fokussierung auf die Bundeswehr – die Bundesregierung muss sich auch um den Klimawandel, bezahlbare Mieten, gute Schulen, gesunde Ernährung, die Sanierung des Gesundheitssystems und die Integration von Migranten kümmern", gibt die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG zu bedenken.
Nun in die Hauptstadt Berlin. Nach der SPD hat sich auch der Landesverband der CDU dazu entschlossen, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG notiert: "Die Hauptstadt steuert auf eine schwarz-rote Regierung zu. Alle, die dachten, Rot-Grün-Rot werde einfach weiterwursteln, haben sich geirrt. Das liegt nicht zuletzt an Franziska Giffey. Sie hätte an der Linkskoalition festhalten können, wäre Regierende Bürgermeisterin geblieben. Aber Giffey hat begriffen, dass sie den Makel einer Politikerin, die alles tut, um an der Macht zu bleiben, nicht mehr hätte abstreifen können. Mit 44 Jahren hat die Sozialdemokratin noch eine Karriere vor sich, die ein Mindestmaß an Glaubwürdigkeit verlangt. Es ist nicht ausgemacht, ob Schwarz-Rot zum Segen für Berlin wird. Manche halten das Vorhaben für ein tollkühnes Abenteuer. Die letzte Erfahrung mit einem rot-schwarzen Senat unter Klaus Wowereit und CDU-Frontmann Frank Henkel von 2011 bis 2016 ist in keiner guten Erinnerung", schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
Kai Wegner von der CDU könnte Berlins nächster Regierender Bürgermeister werden. DER TAGESSPIEGEL merkt an: "Mit Wegner im Roten Rathaus und der Giffey-SPD an seiner Seite endet eine Phase, in der die Interessen der Innenstadt-Berliner im politischen Denken und Handeln deutlich Übergewicht hatten. Die Verwandlung der Innenstadt in ein 'Bullerbü' kann nur gut finden, wer darin wohnt. Alle anderen dürfen ihr tägliches Nähebedürfnis in überfüllten Bahnen oder auf zugestauten Straßen erfüllen. Die Aufgabe Wegners wird es sein, beide Welten zu vereinen: den politisch schwarz-gefärbten Rand mit der grünen Mitte Berlins. Dass er dafür ausgerechnet die rote SPD gewählt hat, mag nur auf den ersten Blick überraschen. Die Partei scheint zum Regieren verdammt und wird sich Wegner mit dessen fortwährender Option auf Schwarz-Grün nur bedingt in den Weg stellen", vermutet DER TAGESSPIEGEL aus Berlin.
"Aus Sicht der Grünen kann man das Ergebnis der Berliner Sondierungsgespräche als mittelschweres Desaster ansehen", heißt es in der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG: "Liebäugelte Spitzenkandidatin Bettina Jarasch vor wenigen Wochen noch mit dem Posten der Regierenden Bürgermeisterin, ist sie nun dort, wo sie auf keinen Fall sein wollte: in der Opposition. Als Gründe werden ein schlechter Wahlkampf und ein zu forsches Auftreten in den Sondierungsgesprächen genannt. Doch der Ausgang der Verhandlungen ist nicht nur eine Schlappe für die Berliner. Er dürfte auch ein Fingerzeig für die Partei sein. Bei den kommenden Landtagswahlen wird es darauf ankommen, wie stark das Führungspersonal ist – und dass die Grünen mit ihren Themen eine breitere Wählerschicht ansprechen." So weit die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder.
Nun zum Parteiverfahren gegen Gerhard Schröder. "Er darf in der SPD bleiben. Das ist auch richtig so", unterstreicht die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg. "Dass Schröder mit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine nicht den schnellen und kompletten Bruch mit Wladimir Putin vollzogen hat, ist schlimm. Dennoch gilt: Für Parteiausschlüsse gibt es Regeln – und die müssen eingehalten werden. Eine SPD-Schiedskommission hat nun entschieden, dass es für einen Rauswurf Schröders keine juristische Grundlage gibt."
Die PFORZHEIMER ZEITUNG wirft ein: "Sie werden ihn einfach nicht los: Gerhard Schröder bleibt Genosse. Aber wenn jemand die Linie der Partei in einem zentralen Punkt nicht mitträgt, sondern konterkariert oder ständig auf Krawall aus ist, seinen eigenen Leuten auf die Nerven geht und für Unruhe sorgt – warum sollten sie ihn weiter in ihren Reihen dulden? Weil es oft unbequeme Geister sind, die für Bewegung sorgen, die wichtige Debatten anstoßen und eine Partei zur Volkspartei machen. Von einem Ausschluss Schröders würden sich viele in ihrer Überzeugung bestätigt sehen, dass bestimmte Meinungen in Deutschland nicht opportun sind."