Sonntag, 28. April 2024

14. März 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Themen sind die vom Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof angekündigten Filialschließungen und die sich abzeichnenden Personalentscheidungen im Bundesverteidigungsministerium. Doch zunächst geht es um die geplante Wahlrechtsreform der Ampelkoalition.

14.03.2023
Das Reichstaggebäude in Berlin
Die Zeitungskommentare beschäftigen sich unter anderem mit der geplanten Wahlrechtsreform der Ampelkoalition. Im Bundestag soll die Zahl der Abgeordneten schrumpfen. (picture alliance / dpa / Annette Riedl)
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG erläutert: "Gemessen an der Reform des Wahlrechts, die CDU/CSU und SPD in der vergangenen Legislaturperiode beschlossen hatten, ist die Beschränkung der Größe des Parlamentes auf 630 Abgeordnete ein Kompromiss mit Augenmaß. Hoch anzurechnen ist es den drei Koalitionsparteien, dass sie den Spuk von Überhang- und Ausgleichsmandaten endlich beenden wollen. Den Preis in Gestalt womöglich 'verwaister' Wahlkreise zahlt aber nicht die CSU allein. Auch CDU und SPD müssen damit rechnen, dass die fehlende Zweitstimmendeckung dazu führen wird, dass direkt gewählte Bewerber nicht auf direktem Weg in den Bundestag einziehen. Nicht schade ist es um die immer schon systemwidrige Grundmandatsklausel. Dass deren Abschaffung von der Linkspartei skandalisiert wird, ist verständlich, erscheint ihr Überleben in Fraktionsstärke derzeit am unwahrscheinlichsten", notiert die F.A.Z.
Aus Sicht der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG ist das Projekt auch ein Lackmustest für die repräsentative Demokratie: "Die große Koalition ist bei diesem Test krachend durchgefallen. Die Ampel besteht ihn jetzt – wenn auch unter Schmerzen. Wie schwer ihr die Reform fällt, sieht man daran, dass sie im letzten Moment vor der eigentlich versprochenen Reduzierung auf 598 Abgeordnete zurückgeschreckt ist. Das ist ärgerlich. Noch viel ärgerlicher ist aber, dass die Ampelkoalition von der Selbstbeschränkung, für die sie sich jetzt lobt, ansonsten nicht viel hält. Die Zahl der Mitarbeiter in den Bundesministerien steigt jedenfalls ohne Unterlass. Und keine Regierung hat sich bisher so viele Parlamentarische Staatssekretäre gegönnt wie die amtierende. Von Genügsamkeit ist hier nichts zu spüren", moniert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Ähnlich äußert sich die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus: "Es lohnt sich, den Blick vom Reichstag rüber zu Kanzleramt und Ministerien schweifen zu lassen. Das Phänomen Personalaufwuchs ist auch dort in aller Pracht zu besichtigen. Erstmals, so stellte der Bund der Steuerzahler gerade fest, sei die Zahl der Regierungsstellen auf über 30.000 gestiegen. Anders als im Parlament scheint das aber in der Regierung niemand als Problem zu empfinden. Verwiesen wird auf die vielen neuen Aufgaben - als ob sich die Abgeordneten nicht mit Klimaschutz, Energiewende oder Digitalisierung zu befassen hätten! Balance zwischen Legislative und Exekutive sollte auch bedeuten: Wenn die einen sich verschlanken, sollten die anderen das auch können", findet die LAUSITZER RUNDSCHAU.
Die Zeitung ND.DER TAG, das frühere "Neue Deutschland", vertritt diese Ansicht: "Zwar wird die Zahl der Abgeordneten nach der Reform sinken, was allein aus Kostengründen sinnvoll ist, aber die Vielfalt im Parlament dürfte darunter leiden. Wenn 100 Sitze wegfallen, werden einige Parteien bluten müssen. Dass die Kräfte, welche die Regierung tragen, dies auf Kosten der kleinsten Fraktion durchsetzen wollen, zeugt von einem mangelhaften Demokratieverständnis", argumentiert ND.DER TAG.
Der TAGESSPIEGEL beobachtet: "SPD, Grüne und FDP haben sich nicht durchringen können, einen Reformentwurf vorzulegen, der über alle Zweifel erhaben ist. Und der wirkt. Als sei er aus einem Guss. Dass SPD, Grüne und FDP nun auf ihre eigene Mehrheit setzen statt auf den großen Konsens aller Fraktionen im Bundestag, ist nicht nur ihr gutes Recht. Angesichts der doch etwas absonderlichen Haltung der Unions-Fraktion - und auf die vor allem wäre es bei einem Konsens-Modell ja angekommen - ist es auch politisch sinnvoll. Zu sehr hängen CDU und CSU an einem Wahlrechtsmodell, das die anderen Fraktionen nicht wollen – eben eines, welches das Parteienverhältnis nicht korrekt abbildet", argumentiert der TAGESSPIEGEL.
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG gibt zu bedenken: "Ein neues Wahlrecht, mit dem alle Fraktionen zufrieden sein werden, ist nicht machbar. Das haben die jahrelangen Verhandlungen um ein neues Gesetz inklusive einer Verkleinerung des Bundestags belegt. Nun wird in dieser Woche aller Voraussicht nach eine Reform durchkommen, die den Schmerz bei den Ampel-Parteien in Grenzen hält, bei Union und Linken hingegen scharfen Protest hervorruft - und wahrscheinlich eine Klage in Karlsruhe provoziert. Dass am Ende das Verfassungsgericht entscheidet, ist sinnvoll und sogar notwendig", meint die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.
Themenwechsel. Der SÜDKURIER aus Konstanz geht ein auf die sich abzeichnenden Personalentscheidungen im Bundesverteidigungsministerium: "Boris Pistorius hat den Auftrag, die Bundeswehr wieder kampf- und verteidigungsbereit zu machen. Weil Aufbruch auch meist bedeutet, mit neuen Köpfen voran zu marschieren, ist es kaum überraschend, dass der Minister Generalinspekteur Eberhard Zorn von seinem Posten als oberster Soldat ablöst. Sein Nachfolger, der als 'Corona-General' bekannte Carsten Breuer, soll seit geraumer Zeit für den Posten bereitstehen. Der Militär muss sich nun als Krisenmanager bewähren, der die Mangelwirtschaft Richtung Vollausstattung dreht. Eine Ironie dieser Personalie: Breuer erwarb sich seine ersten Sporen als Offizier bei der Heeresflugabwehr, die dem Sparkurs der nuller Jahre zum Opfer fiel. Jetzt werden ihre Gepard-Panzer in der Ukraine gebraucht – und Pistorius braucht Breuer. Die Generalität rückt wieder näher an die Politik. Das lässt hoffen", vermerkt der SÜDKURIER.
Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG bemerkt: "Dass Pistorius nun auch die von Vorgängerin Christine Lambrecht eingesetzte Staatssekretärin Margaretha Sudhof durch seinen Weggefährten Nils Hilmer ersetzt, ist noch folgerichtiger. Während die bisherige Staatssekretärin Sudhof offensichtlich schon an einer aussagekräftigen Bestandsaufnahme der Bundeswehr scheiterte, braucht es jetzt jemanden, der sich schnell einen Überblick verschaffen kann. Hilmer scheint so einer zu sein: Er und Pistorius haben schon im Osnabrücker Rathaus zusammengearbeitet. Die neue Führungsriege im Ministerium zeichnet also vor allem eines aus: dass sie organisieren kann. Und das hat das Verteidigungsressort nötiger denn je." So weit die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Nun noch Stimmen zum angeschlagenen Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof, der bis Anfang nächsten Jahres 52 seiner derzeit noch 129 Filialen schließen will. Der KÖLNER STADT-ANZEIGER analysiert: "Grund für die mittlerweile Dauer-Misere von Galeria ist sicherlich der Wandel im Handel mit hartem Wettbewerb und einem veränderten Kaufverhalten im Netz. Das ist aber nicht neu. Seit Jahren geben sich Manager mit den immer gleich anmutenden Ideen in immer kürzeren Abständen die Klinke in die Hand. Immer wieder wurden Visionen formuliert und halbherzige Konzepte entworfen, die dann augenscheinlich nicht mal konsequent umgesetzt wurden. Allein die Idee im neuen Sanierungsplan, endlich regionalen Einheiten mehr Macht und Handlungsspielraum zu geben, könnte erfolgversprechend sein. Denn die Verantwortlichen vor Ort kennen die Wünsche ihrer Kunden besser als die Zentrale in Essen. Und sie kennen ihre Konkurrenz ganz genau, müssen aber anfangen, nach Jahren der Vorgaben der Zentrale unternehmerisch zu denken," empfiehlt der KÖLNER STADT-ANZEIGER.
In der BADISCHEN ZEITUNG aus Freiburg ist zu lesen: "Vielleicht bietet der jetzige Kahlschlag, der erneut Tausende Mitarbeiter den Arbeitsplatz kostet und daher äußerst bitter ist, die Chance auf ein Gesundschrumpfen. Kleiner, aber besser. Verdient hat das die Belegschaft fraglos. Sie muss nicht nur seit Jahren um ihre Jobs zittern, sondern verzichtet auch auf Teile des Gehalts. Die Gläubiger haben ebenfalls große Zugeständnisse gemacht, und der Staat sprang Galeria mit Geld der Steuerzahler bei. Es ist allerhöchste Zeit, dass Eigentümer René Benko nun einen angemessenen Betrag investiert."