
Die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN nennen die Reform "hart, aber verfassungsfest" und blicken auf die Union: "Eigentlich gilt es als guter Brauch, Wahlreformen im größtmöglichen Einvernehmen zu gestalten, auch um lange Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Doch die Union, die häufig von der alten Regelung profitierte, pokerte in Verhandlungen zu hoch. Nun sollten sich Merz und Co auf die neuen Realitäten einstellen und ihren Vorteil im politischen Wettbewerb suchen – und nicht bei einem wenig aussichtsreichen Gang nach Karlsruhe."
Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz meint hingegen: "Union und Linke wollen vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Das ist ihr gutes Recht, und es ist gut, wenn Karlsruhe hier das letzte Wort hat. Erst eine höchstrichterliche Entscheidung kann in dieser vergifteten Debatte für eine Befriedung sorgen. Bis zur nächsten Bundestagswahl ist dafür noch genügend Zeit."
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG befürchtet: "Ganz gleich, zu welchem Ergebnis das Bundesverfassungsgericht kommen wird: Bei nächster Gelegenheit wird die Union nichts unversucht lassen, das Wahlrecht ein weiteres Mal zu ändern. Sollte das jüngste Reformverfahren das Ziel gehabt haben, dem Bürger zu beweisen, dass der Bundestag in eigener Sache reformfähig ist, und auf diese Weise das Vertrauen in die repräsentative Demokratie zu befestigen - das Ergebnis könnte kaum verheerender sein", urteilt die F.A.Z.
Die LANDSHUTER ZEITUNG macht diesen Vorschlag: "Die Ampel-Parteien auf der einen Seite und die Unionsparteien auf der anderen sollten sich jetzt zusammensetzen und zum alten Wahlrecht zurückkehren. Nur die Anzahl der Wahlkreise sollten sie deutlich senken, etwa auf 200. Dann müssten keine Wahlkreisgewinner ausgesperrt werden, das Verhältnisprinzip bliebe gewahrt und ein weiteres Aufblähen des Parlaments wäre trotzdem verhindert."
Die FREIE PRESSE aus Chemnitz wirft ein: "Dass es nach den neuen Regeln vorkommen kann, dass ein Bewerber seinen Wahlkreis zwar direkt gewinnt, aber trotzdem nicht in den Bundestag einzieht, ist nicht schön – bundesweit vielleicht verschmerzbar, könnte aber den Osten benachteiligen, wenn es dabei bleibt, dass die Kandidaten hier nach Erststimmen enger beieinanderliegen als im Westen."
Die NORDSEE-ZEITUNG aus Bremerhaven hält dagegen: "Dadurch, dass das Mehrheitswahlrecht ein integraler Bestandteil des Wahlrechts bleibt, sind grundsätzlich auch künftig die Regionen im Bundestag breit vertreten. Mag sein, dass es explizit regionalen Parteien den Einzug ins Parlament erschwert, aber wäre das wirklich tragisch? Sollten im Bundestag vertretene Parteien nicht vor allem eine Politik für das ganze Land im Sinn haben, statt allein regionale Interessen? Gerade die CSU führt doch immer wieder vor, wie sie die Bundespolitik lahmlegen kann, weil sie zuallererst darauf schielt, in Bayern gewählt zu werden", analysiert die NORDSEE-ZEITUNG.
Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg konstatiert: "Völlig überschätzt wird hingegen die Bedeutung des Direktmandats. Um dieses zu erringen, reicht ja eine relative Mehrheit - unter Umständen sind das gerade einmal 20 Prozent der Stimmen. Was daran 'direkter', bürgernäher sein soll, als an einem Wahlrecht, das sich an den Listen der Parteien orientiert, bleibt rätselhaft. Vor allem in einer Zeit, in der immer neue Parteien auf den Plan treten, wird ein 'echter' Wahlkreissieger schlicht zur Ausnahme. So gesehen fehlt auch zunehmend die Legitimation für Direktmandate. Mit anderen Worten: Die Erststimme hätte man auch gleich ganz abschaffen können."
Themenwechsel: Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Putin erlassen. Die STUTTGARTER NACHRICHTEN ordnen die Entscheidung historisch ein: "Einen Haftbefehl gegen einen amtierenden Präsidenten zu erlassen, das hat sich das Haager Gericht bisher nicht oft getraut. Gegen Omar al-Baschir, den damaligen Machthaber im Sudan und gegen Muammar al-Gaddafi, den Tyrannen in Libyen zum Beispiel. Ihnen wurden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Und jetzt also Wladimir Putin. Die Vorwürfe ähneln sich. Dass Putin von Russland ausgeliefert wird, ist derzeit undenkbar. Vertragsstaaten des Gerichtshofs sind nun zwar verpflichtet, Putin festzunehmen, wenn er ihr Territorium betritt - doch das hat schon bei al-Baschir nicht funktioniert", stellen resigniert die STUTTGARTER NACHRICHTEN fest.
Auch die GLOCKE aus Oelde dämpft die Erwartungen: "Dass der russische Machthaber Wladimir Putin jemals vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag stehen wird, ist nicht zu erwarten. Dass dieser gegen den Aggressor jetzt Haftbefehl erlassen hat, ist dennoch ein starkes Zeichen. Die internationale Gemeinschaft muss deutlich machen, dass sie Putin für seinen Angriffskrieg nicht nur politisch, sondern auch juristisch zur Rechenschaft ziehen will."
Der SÜDKURIER aus Konstanz beschreibt die politische Botschaft des Haftbefehls so: "Auch die Verschleppung tausender Kinder ist kein Kollateralschaden eines Konflikts, sondern ein Verbrechen. Man darf Putin nun offiziell einen gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher nennen. Sein Steckbrief ist nicht bedeutungslos: Er schränkt die Bewegungsfreiheit Putins ein. Immerhin stehen 123 Vertragsstaaten hinter dem Strafgericht. Bei Einreise würde Putin die Festnahme drohen."
Nun zur Rentenreform in Frankreich. Für die SÜDWEST PRESSE aus Ulm ist die Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre überfällig. "In keinem EU-Mitgliedsstaat ist die Lebenserwartung höher und das Renteneintrittsalter niedriger als in Frankreich. Es kommt hinzu, dass unsere Nachbarn die höchste Durchschnittsrente in der EU beziehen. Dass es so nicht weitergehen kann, ist selbst den Franzosen zumindest unterschwellig klar. Der Rentenkasse drohen in den kommenden Jahren Milliardendefizite. Doch das alleine erklärt nicht Macrons eiserne Entschlossenheit. Scheitert die Rentenreform, welche er als die Mutter aller Reformen ansieht, würde das nicht nur sein gesamtes Modernisierungsprogramm infrage stellen. Er droht auch frühzeitig nur noch als eine Ex-Führungspersönlichkeit dazustehen."
Ganz anders sieht es die TAGESZEITUNG aus Berlin: "Bei der vorliegenden Rentengesetzgebung in Frankreich wird mit einem autoritären Machtwort eine Verschlechterung durchgesetzt, deren Auswirkungen genau jene Schichten treffen, die ohnehin schon um eine ausreichende Altersvorsorgebangen mussten: In der französischen Gesellschaft sind das die Frauen, die in Teilzeit arbeiten, die Erwerbstätigen mit niedrigen Löhnen und mit besonders mühseligen oder gefährlichen Arbeitsbedingungen, die oft auch die Lebenserwartung senken. Auch wenn die angekündigten Misstrauensanträge gegen das Ministerkabinett und die Premierministerin Elisabeth Borne wohl an der höchst gegensätzlichen Zusammensetzung der linken und rechten Opposition scheitern dürften, ist Macrons Regierung, die sich nur noch auf ihre institutionelle Staatsmacht stützt, erheblich angezählt. Nun auf die eventuelle Resignation der Wütenden zu zählen, ist ein gefährliches Kalkül Macrons", schätzt die TAZ
Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth wendet ein, dass ein geschwächter französischer Präsident auch Auswirkungen auf Deutschland hat: "Wie er die vier Jahre bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen überstehen soll, bleibt schleierhaft. Für wirkliche Reformen in Schlüsselbereichen wie Finanzen, Klima, Energie oder Steuern hätte er kaum mehr die Kraft. Paris könnte für Berlin in den nächsten Jahren ein schwacher, instabiler Partner werden. Das gibt Anlass zur Sorge in bedrohlichen Zeiten, die beherzte deutsch-französische Initiativen erfordern."