Mittwoch, 24. April 2024

27. März 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die Zeitungen kommentieren den bundesweiten Warnstreik, den Vorstoß von Finanzminister Lindner für eine Kfz-Steuerreform und die von Russland angekündigte Atomwaffen-Stationierung auf belarussischem Gebiet.

27.03.2023
Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin reichen sich die Hand und lächeln.
Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin (Archivbild) (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Sergei Guneyev)
"Unterm Strich ändert Präsident Putins Schachzug am Kriegsverlauf wenig", analysieren die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe. "Der Kreml kalkuliert die Angst vor der Atombombe in seine Strategie mit ein, um den Westen zu erpressen. Die Reaktionen im Westen waren jedoch bislang besonnen - und werden es hoffentlich weiterhin so bleiben. Es wäre ein Riesenfehler, dieser Erpressung nachzugeben oder Nervosität zu zeigen."
"Die Angst ist Putins stärkste Waffe", meint auch die NEUE PRESSE aus Coburg und führt aus: "Seine Armee kommt in der Ukraine nicht voran. Hält der Westen an seinen Waffenlieferungen fest, drohen Russland Niederlagen. Faktisch ändert die Stationierung von Atomwaffen in Belarus nichts an der Bedrohungslage. Sie ändert aber das Bedrohungsgefühl im Westen. Dabei wäre es ein fundamentaler Fehler, der Angst nachzugeben. Denn dann wird Putin weitermachen."
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU wägt ab: "Es ist richtig, wenn der US-geführte Westen gelassen reagiert. Es gehört zu Putins Strategie, mit immer neuen Drohungen nach innen Stärke zu demonstrieren und nach außen zu versuchen, Gegner zu verunsichern. Doch Putin kann es sich nicht leisten, die Unterstützung vor allem Chinas zu verlieren. Und Peking hat unmissverständlich den Einsatz von Atomwaffen im Krieg gegen die Ukraine als rote Linie definiert. Zu guter Letzt erinnert der Kremlherrscher alle daran, dass Russland nuklear bewaffnet ist, weshalb die westlichen Verbündeten der Ukraine auch nicht alle Waffen liefern, die Kiew fordert. Beunruhigend ist es natürlich dennoch, wenn Putin mit Atomwaffen droht. Es zeigt, wie ernst es ihm und seinem Regime ist, Russland wieder zu imperialer Größe zu führen", mahnt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
"Putin meint, er mache ja nur, was die USA schon länger täten", schreibt die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle. "Er zielt damit auf die 'nukleare Teilhabe' in der NATO. Dazu gehört die Stationierung von US-Atomwaffen in Westdeutschland. Die erlaubt Deutschland eine nukleare Abschreckung, ohne selbst Atommacht zu sein. Das war seit dem Ende des Kalten Krieges hochumstritten. 1994 hatte indes die Ukraine auf ihre Atomwaffen verzichtet und wurde damit verwundbar - im Gegenzug hatte Russland aber zugesagt, die ukrainische Souveränität zu achten. Seit dem 24. Februar 2022 weiß man, was diese Zusage wert war. Solange Putin Russland regiert, kann sich kein Nachbarstaat sicher fühlen. Er befeuert mit seinen Stationierungsplänen ein neues Wettrüsten, das am Ende Russland wie einst die Sowjetunion ruinieren wird", glaubt die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG.
"Es ist ein klassischer Putin", lesen wir in der BERLINER MORGENPOST. "Der Kremlchef weist die Schuld dem Westen zu. In Wirklichkeit geht es ihm nicht ums Prinzip, nicht um Verträge. Die Stationierung in Belarus ist nichts anderes als eine zugespitzte Drohung mit der Bombe. Der Rest ist Propaganda."
"In Europa senkt sich von Norwegen bis Bulgarien ein neuer Eiserner Vorhang herab", bilanziert die VOLKSSTIMME aus Magdeburg: "Mit der Aufstellung von taktischen Atomraketen aus Russland wird Weißrussland endgültig vom Westen abgeschottet. Kremlchef Wladimir Putin ist seit langem dabei, sich Weißrussland einzuverleiben und dabei im Zuge seines Krieges gegen die Ukraine ein gehöriges Stück weitergekommen. Dass in den jetzt so fern erscheinenden 1990er Jahren die Ukraine und Belarus zugunsten Russlands auf ihre Atomwaffenarsenale verzichteten, war ein beispielhafter Sicherheitsgewinn. Nun drehen die Russen Stück für Stück alles zurück, was damals erreicht wurde. Russland und die NATO kommen sich nur noch in einem nahe: dem Ausbau der Bedrohungspotenziale in unmittelbarer Nachbarschaft. Dieser Eiserne Vorhang wird auch nach einem Ukraine-Frieden bleiben", prophezeit die VOLKSSTIMME.
Die heutigen bundesweiten Warnstreiks bei Bahnen, an Flughäfen und auf Wasserstraßen sind das nächste Thema. Die AUGSBURGER ALLGEMEINE schreibt: "Richtig ist: Bei allen Beschäftigten, gleich in welcher Branche, hat die Teuerung an der Kaufkraft genagt. Manche Großkonzerne haben aber trotz oder sogar gerade wegen der Krisen riesige Gewinne eingefahren, etwa im Energiesektor. So ist der Wunsch nach einem Inflationsausgleich so groß wie verständlich. Ohne faire Bezahlung wird sich der Mangel an Arbeits- und Fachkräften gerade im Mobilitätssektor immer weiter verschärfen. Doch all das ist bekannt bei Kommunen, Bund und Bahn. Vor allem muss also nicht das ganze Land in den Stillstand gezwungen werden, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen", heißt es in der AUGSBURGER ALLGEMEINEN.
"Deutschland wird sich an die neue Macht der Arbeitnehmer gewöhnen müssen", ist sich die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG sicher: "Die Babyboomer werden in den nächsten Jahren scharenweise in Rente gehen, den Mangel an Arbeitskräften wird das weiter verschärfen. Die Politik arbeitet an Gegenmitteln, aber bis diese wirken, wird es lange dauern. Arbeitnehmer werden damit zu einem knappen Gut, dessen Preis - also ihr Lohn - weiter steigen wird. Das ist gut, weil es dabei hilft, den Graben zwischen der Mittelschicht und den Reichen, deren Vermögen ja wachsen, nicht noch größer werden zu lassen", findet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG befürchtet, dass der Tarifkonflikt tiefe Spuren hinterlassen wird. "Aus den Kommunen, die davon in erster Linie betroffen sind, wird es nach diesem Konflikt einen finanziellen und damit politischen Rückstoß geben, der so gut wie alle Projekte betrifft, die es der 'Fortschrittskoalition' besonders angetan haben. Ob Nahverkehr, Sozialpolitik oder Klimaschutz: Die Daseinsvorsorge, die heute ein wesentlich größeres Feld beackert als noch vor zwanzig Jahren, wird unter dem Eindruck von Inflation, Zinslast, Tarifabschluss und bleibenden personellen Engpässen eine Achterbahnfahrt durchmachen, die jeden Bürger betrifft." Sie hörten die F.A.Z.
Abschließend geht es um den Kompromiss zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission über die Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotor. Die NÜRNBERGER ZEITUNG kann das Vorgehen von Bundesverkehrsminister Wissing nachvollzuiehen: "Wenn er darauf spekuliert haben sollte, dass sein Verhandlungspartner auf Seiten der EU-Kommission, Frans Timmermans, im Streit um die Verbrennertechnologie ihm letztlich doch entgegenkommen würde, dann zeugte das von ziemlicher politischer Coolness. Wissing hatte immer darauf gepocht, dass die Kommission den dem Gesetz vorangestellten 'Erwägungsgrund' auch wirklich ernst nehmen und Vorschläge präsentieren müsse, wie ab 2035 auch Autos mit Verbrennermotoren klimaneutral betrieben werden können. Dass er hier hart geblieben ist, war richtig. Bedenklich, dass es in der EU dafür soviel Druck brauchte."
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder geht auf den Reformvorschlag von Bundesfinanzminister Lindner ein, Besitzer von Autos mit synthetischem Kraftstoff zu entlasten: "Kaum hat sich die FDP mit der Forderung durchgesetzt, den Verkauf von Verbrenner-Autos auch nach 2035 zu erlauben, wenn sie denn synthetische Kraftstoffe nutzen, legt der liberale Finanzminister auch schon nach: Nun soll für Wagen, die mit E-Fuels betankt werden, weniger Kfz-Steuer anfallen. Die große Lenkungswirkung dürfte das nicht zeigen. Denn so gewaltig ist die Kfz-Steuer nicht. Es sähe ganz anders aus, wenn man an der Energiesteuer, als Mineralölsteuer bekannt, drehen würde. Mit dieser steuerlichen Rahmenbedingung kann man dafür sorgen, dass potenzielle Investoren wissen, dass es große Nachfrage geben kann. Weil Millionen Fahrer klassischer Verbrenner durch den Preis motiviert sind, klimafreundliche E-Fuels zu tanken. Und damit wäre viel gewonnen", meint die MÄRKISCHE ODERZEITUNG.