30. März 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Kommentiert werden vor allem die Ergebnisse des Koalitionsausschusses, die die Ampel-Regierung nach dreitägigen Beratungen vorgestellt hat. Außerdem geht es um das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz und um den Besuch des britischen Königs Charles in Berlin.

Die Parteichefs der Koalitionsparteien Christian Lindner (FDP, links), Ricarda Lang (Grüne, Mitte), und Lars Klingbeil (SPD, rechts) sprechen im Bundestag nach dem Koalitionsausschuss.
Die Parteichefs der Koalitionsparteien Christian Lindner (FDP, links), Ricarda Lang (Grüne, Mitte), und Lars Klingbeil (SPD, rechts) sprechen im Bundestag nach dem Koalitionsausschuss. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER verteidigt den Koalitionsausschuss vor seinen Kritikern: "Da haben sich drei Parteien zusammengetan, um die bleierne und lähmende Zeit der Großen Koalition unter Angela Merkel abzuschütteln. Sie haben sich zusammengetan, wohl wissend, dass sie mit sehr unterschiedlichen Lösungsansätzen an verschiedene Fragestellungen herangehen. Logisch, dass dabei Kompromisse gefunden werden müssen. Sie streiten. Ja, zum Glück. Die Spitzen der drei Parteien haben sich an drei Abenden hinter verschlossenen Türen getroffen, um über Inhalte zu ringen. Statt sich in Talkshows gegenseitig mit Worthülsen zu bewerfen. Gut so", urteilt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER.
"Ist diese Koalition noch zu retten?", fragt hingegen die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "Die Ampel verkauft das alles als Ausdruck unbedingten Fortschrittswillens und moderner Sicherheitspolitik. Sicherheitsgefühle aber werden sich mit ihrer Art, Politik zu treiben, in Deutschland nicht verbreiten. Vieles wurde auch jetzt wieder ausgeklammert. Sollte nicht auch die Kindergrundsicherung geklärt werden? Der Koalitionsausschuss tagte noch, da wärmte die SPD ihren Vorschlag auf, gleich das nächste 100-Milliarden-Programm zu schaffen, dieses Mal für Bildung. Da kann man nur sagen: Nein, diese Koalition ist nicht mehr zu retten", unterstreicht die FAZ.
Der WESER-KURIER aus Bremen vermutet: "Der öffentlich ausgetragene Streit dürfte vorerst verstummen. Doch die Konflikte sind nur überdeckt, nicht beendet. Auch bei politischen wunden Stellen reicht es meist nicht, Symptome zu lindern, ohne die Ursache zu ergründen. Sie liegt in der Natur der Ampelkoalition. SPD und Grüne sind kein politisches Traumpaar mehr, FDP und SPD trennt weiterhin vieles, FDP und Grüne verbindet so gut wie nichts", hält der WESER-KURIER fest.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG nimmt die Entscheidungen zum Klimaschutz in den Fokus: "Nichts spiegelt die grüne Schlappe mehr als die Pläne für das deutsche Klimaschutzgesetz. Unter dem wenigen, was die vorhergehende Koalition an Klimaschutz auf den Weg gebracht hatte, war dieses Gesetz mit Abstand das beste: Es setzte Klimaziele für die kommenden Jahre und benannte klar, wer sie wie umsetzen muss. SPD, Grüne und FDP beginnen nun damit, es aufzubohren. Die Verantwortlichkeiten werden verwischt, an die Stelle harter Zahlen sollen Prognosen treten. Das Gesetz wird entkernt. Das kommt vor allem der FDP und deren Verkehrsminister Volker Wissing entgegen; nirgends liegen Soll und Haben so weit auseinander wie in seinem Bereich. Die neuen Pläne der Koalition nehmen ihm einiges von dem Druck, daran etwas zu ändern", schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Das Magazin DER SPIEGEL kommentiert: "Weil Verkehrsminister Volker Wissing seit Monaten durch weitgehende Arbeitsverweigerung beim Klimaschutz auffällt, ist es vor allem sein Ressort, das regelmäßig die im Klimaschutzgesetz vorgeschriebenen Ziele gerissen hat. Doch anstatt nun die Politik auf Kurs der geltenden Rechtslage zu bringen, nutzten die Koalitionäre ihre Marathonsitzung, um das Gesetz so aufzuweichen, dass es besser zur defizitären Politik passt."
Nun zum Fachkräfte-Einwanderungsgesetz, das das Bundeskabinett beschlossen hat. Der KÖLNER STADT-ANZEIGER meint: "Die Ampel geht einen wichtigen Schritt, indem sie die Gesetzgebung zur Fachkräfteeinwanderung modernisiert. Aber essenziell wird sein, dass die neuen Werkzeuge wie die Chancenkarte nach Punktesystem und die Anerkennungspartnerschaften bürokratiearm umgesetzt werden. Hier drohen weitere Papierberge auf die Fachkräfte, Unternehmen und die Antragssteller zuzukommen. Das muss verhindert werden, wenn die Bundesrepublik Fachkräfte anlocken und nicht abschrecken will", mahnt der KÖLNER-STADT-ANZEIGER.
"Es ist richtig, dass die Bundesregierung die Regelungen nun ändert", findet auch die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg. "Allerdings wagt sie den entscheidenden Schritt nicht. Dazu müsste sie gemeinsam mit den Ländern eine Bestandsaufnahme machen und klären, welche der vielen für die Anerkennung zuständigen Stellen und Behörden was genau machen und wie das schneller, digitaler und einheitlicher laufen könnte. Ja, diese gemeinsame Initiative von Bund und Ländern wäre mühsam – aber lohnend. Bei mehr als 350 Berufsbildern, die sich dem Bereich der Industrie- und Handelskammern zuordnen lassen, läuft die Anerkennung ja schon zentral. An dieses Beispiel muss Berlin anknüpfen. Und bei der Gelegenheit auch dafür sorgen, dass Interessenten nicht mitunter mehr als ein Jahr bei einer deutschen Botschaft auf einen Visum-Termin warten müssen", betont die BADISCHE ZEITUNG.
Die HEILBRONNER STIMME kritisiert ebenfalls den langwierigen Visa-Prozess: "Soll qualifizierte Zuwanderung in unseren Arbeitsmarkt in relevantem Umfang stattfinden, muss die Visavergabe vereinfacht und vor allem beschleunigt werden. Heute dauert es mitunter Monate, bis ein Bewerber eine Einreisegenehmigung erhält. Neben den rechtlichen Voraussetzungen ist ein weiterer Faktor zentral dafür, dass Menschen gerne nach Deutschland kommen: Eine Willkommenskultur, die diesen Namen auch verdient", erinnert die HEILBRONNER STIMME.
Der britische König Charles III. ist auf einem dreitägigen Staatsbesuch in Deutschland zu Gast. Das HANDELSBLATT kommentiert: "Es ist eher ungewöhnlich, dass ein britischer König noch vor seiner Krönung bereits eine Auslandsreise unternimmt. Noch ungewöhnlicher ist, dass König Charles III. dafür nicht Länder wie Kanada oder Australien aus dem Commonwealth auserkoren hat, sondern die europäischen Nachbarn Frankreich und Deutschland. Ein Zufall ist das nicht. Der König kommt in politischer Mission. Sein Besuch ist ein weiteres Signal für die politische Wiederannäherung an Europa", vermerkt das HANDELSBLATT.
DIE GLOCKE aus Oelde erinnert: "Die militärische und wirtschaftliche Verbundenheit mit dem Nachbarn in Kontinentaleuropa treibt auch Premier Rishi Sunak voran, auf dessen Empfehlung der König die Visite in das Land seiner väterlichen Ahnen antrat. Je mehr nach dem Tode der Queen Macht und Einfluss des früheren Empires in den Ländern des Commonwealth schwinden, je mehr sieht Großbritannien seine Zukunft in Europa. An dieser Erkenntnis kann selbst der Brexit nicht rütteln", heißt es in der Zeitung DIE GLOCKE.
Die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster notieren: "Vielleicht hat sich Charles III., der grüne König, wie man ihn nennt, beim Spazieren durch seine Biogärten heimlich ein anderes Ziel für seinen ersten Staatsbesuch ausgemalt. Ein fernes Land, in dem er die Zerstörung der Regenwälder hätte ins Licht rücken können. Doch der royale Vollprofi weiß: In Zeiten wie diesen, in denen sich in London die Premiers die Klinke in die Hand geben und die Beziehungen zum EU-Festland angespannt sind, hat seine Rolle als volksnaher Brückenbauer zu Nachbarn Priorität. Eine Rede im Bundestag kann eine große Bühne für eine neue britische Charmeoffensive sein", schreiben die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN.
Ähnlich sieht es die Zeitung FREIES WORT aus Suhl: "Das britische Verhältnis zur EU, das sich stets auf Deutschland auswirkt, ist noch nicht wieder stabil. Das Land leidet unter den Folgen des Brexits, es steckt in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Im vergangenen Jahr gehörte Großbritannien nicht mehr zu den zehn wichtigsten Handelspartnern Deutschlands. Im folgenden Jahr geht außerdem der Wahlkampf los, spätestens im Januar 2025 müssen die Briten ein neues Unterhaus wählen. Auf Berlin und London warten noch einige Herausforderungen, bevor klar sein wird, ob Charles' Besuch das gewesen sein wird, was er sein sollte: ein Neuanfang." Das war ein Kommentar aus der Zeitung FREIES WORT.