
Der MÜNCHNER MERKUR lobt den Auftritt der Außenministerin: "Baerbock hat in Peking nicht zurückgezogen. Ihre Warnung vor neuen Schockwellen dürfte das Regime als das verstanden haben, was es war: die Ansage harter Sanktionen für den Fall eines Überfalls der Volksbefreiungsarmee auf Taiwan. Hat Baerbock damit die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands beschädigt, wie murrend aus SPD und CSU zu hören ist? Umgekehrt wird ein Schuh draus. Viel teurer käme es Europa am Ende zu stehen, wenn es China dank unklarer Signale ermutigen würde, das Wagnis einzugehen; auch Putin überfiel ja die Ukraine, weil er glaubte, Europa werde sich wegducken. Nicht um 'Moral' geht es, sondern um Realpolitik", stellt der MÜNCHNER MERKUR klar.
Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG findet, Baerbock habe sich gut geschlagen: "Dass die grüne Ministerin einen realistischeren Blick auf die Welt hat als sich selbst groß fühlende Weltpolitiker wie Emmanuel Macron, hat sich bei ihrem Besuch in China gezeigt. Ein militärischer Konflikt um Taiwan sei ein 'Horrorszenario', sagte Baerbock. Das trifft den Sachverhalt genau. Die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft wären verheerend. Deshalb war es auch richtig, der chinesischen Regierung in dieser Frage ins Gewissen zu reden", betont die F.A.Z.
"Auch in Bezug auf Russland formulierte Baerbock eine klare Haltung", ergänzt die FRANKENPOST aus Hof: "Sie frage sich, weshalb Peking Russland nicht dazu auffordere, den Krieg zu stoppen. Natürlich mischte sie diesem Statement auch diplomatische Töne bei. Jedoch nach einem klaren Prinzip: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Dass es von deutscher Seite noch immer keine klare China-Strategie gibt, liegt ganz wesentlich daran, dass sich Kanzleramt und Außenministerium über diesen Punkt noch nicht geeinigt haben", notiert die FRANKENPOST.
Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG bezweifelt, dass Baerbocks offenes Ansprechen von Missständen ein kluger Schachzug war: "Bei ihrer grünen Basis in Deutschland dürfte sie damit gut ankommen. Ob sie aber ihrem Land damit einen Dienst erwiesen hat, steht auf einem anderen Blatt. In einer Gesellschaft wie China, die Gesichtswahrung als oberstes Gebot begreift, sind verbale Angriffe auf offener Bühne ein Affront. Angesichts der großen Abhängigkeit von China, in der Deutschland steckt, könnten sich ihre allzu offenen Worte noch als großer Fehler erweisen", befürchtet die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder.
Die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG überlegt zu einer neuen Ausgestaltung der deutschen China-Politik: "Sollten sich Baerbock und Bundeskanzler Olaf Scholz demnächst auf eine China-Strategie dieser Bundesregierung einigen, werden sie nach der Russland-Lektion eine zu starke Abhängigkeit Deutschlands von einem anderen Land künftig unbedingt vermeiden müssen. Deutschland braucht für einen solchen Kurswechsel zwingend neue Partner in der Welt. Und ein Europa, das vor allem eines können muss: mit einer Stimme sprechen", hält die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG fest.
Das sieht die FRANKFURTER RUNDSCHAU ähnlich: "Die freundliche Kritik von Außenministerin Annalena Baerbock an Chinas Politik ist nötig, wird aber nicht ausreichen, um Pekings Regierung zu beeindrucken. Dafür müssen die EU-Staaten eine gemeinsame Strategie erarbeiten und vertreten, damit es keine Irritationen mehr gibt wie nach dem Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Doch davon sind die EU-Staaten noch weit entfernt. Immerhin sind erste gemeinsame Ziele erkennbar. Doch zu vieles ist noch unpräzise. Wie sollen Abhängigkeiten abgebaut werden, wenn Konzerne wie VW Teile ihrer Gewinne in dem asiatischen Land erzielen?", fragt sich die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Themenwechsel. Heute werden die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz genommen. Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG hält diesen endgültigen Ausstieg aus der Kernkraft für einen – Zitat "folgerichtigen Schlusspunkt" einer gesellschaftlichen und politischen Entwicklung: "auch wenn die strahlenden Altlasten noch ungezählte Generationen belasten werden. Mit Blick auf diese Ewigkeitskosten ist auch die gern erzählte Geschichte vom billigen Strom aus der Kernspaltung ein modernes Märchen. Und was ist eigentlich mit den anderen Ländern, auf die Kritiker des Ausstiegs gern verweisen und die weiter auf Atommeiler setzen? Auf diese Länder hat Deutschland keinen Einfluss, was aber nichts an der Richtigkeit der eigenen Entscheidung ändert. Andere Länder haben auch einen ganz anderen Umgang etwa mit Justiz und Umweltschutz und Pressefreiheit, aber möchte jemand lieber dort leben?" Das war die Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG.
Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER gibt zu bedenken, dass die Entscheidung negative Folgen haben könnte: "Denn die fehlende Strommenge muss bis zum Ausbau der erneuerbaren Energien irgendwie ersetzt werden. Das geschieht ausgerechnet durch das Hochfahren von Kohlekraftwerken. Eine der klimaschädlichsten Arten der Stromerzeugung."
Der TAGESSPIEGEL aus Berlin hält den endgültigen Ausstieg für falsch: "Er ist und bleibt ein Fehler, wenn auch nur noch ein kleiner. Korrigieren könnten ihn derzeit nur die Grünen. Was so wahrscheinlich ist wie die Zuwendung der FDP zum Sozialismus. Das ist bedauernswert und gibt manchem Anlass, über Gründungsmythen und Verbohrtheit der Grünen zu klagen. Besser ist es, die Sache abzuhaken und den deutschen AKWs einen guten und erfolgreichen Rückbau zu wünschen. Ihr letzter Strom produzierender Rest ist die Aufregung und Kontroverse nicht mehr wert", befindet der TAGESSPIEGEL.
Es bringt nichts, sich mit dem aufzuhalten, was war, meint auch die SCHWÄBISCHE ZEITUNG aus Ravensburg: "Das haben auch maßgebliche Energiekonzerne verinnerlicht. Sie erwarten von der Bundesregierung deshalb zurecht weniger Debatten über einen weiteren Ausstieg aus dem Ausstieg, sondern den Abbau bürokratischer Hürden, um den Ausbau der Erneuerbaren voranzutreiben."
Und nach Ansicht der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG bedeutet der Atommaustieg "einen Streitpunkt weniger, etliche Streitpunkte mehr. Einig sind sich die Deutschen, dass alle ein komfortables Leben wollen. Einig sind sich auch alle, wo der nötige Strom erzeugt werden soll: nicht bei ihnen. Ein Atomkraftwerk, eine Wiederaufarbeitungsanlager, ein Endlager gar wollten viele keinesfalls in ihrer Nachbarschaft haben – ein Windrad und Stromtrassen nun aber auch nicht."
Zum Schluss hören Sie noch zwei Kommentare zum Datenleck in den USA. Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg fasst die jüngsten Erkenntnisse zusammen: "Ein 21-jähriger Gefreiter der Nationalgarde - die außerhalb der US Army und den zahlreichen Geheimdiensten operiert - soll nahezu im Vorbeigehen an Akten höchster Geheimhaltungsstufe gekommen sein und diese über Monate fast unbemerkt im Internet verbreitet haben. Darunter sind Papiere, durch deren nun öffentlich bekannte Inhalte sogar der weitere Kriegsverlauf in der Ukraine zugunsten Russlands gekippt werden könnte. Spätestens an diesem Punkt muss man fragen, ob die Darstellung der US-Behörden von der Einzeltäterschaft eines unbedarften jungen Mannes realistisch ist", konstatiert die VOLKSSTIMME .
In den Augen der BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN sind die jüngsten Erkenntnisse für die USA vor allem peinlich: "Die Enttarnung zeigt, wie einfach es die Supermacht Spionen, Geheimnisverrätern und Wichtigtuern gleichermaßen macht, in den Besitz vertraulicher Materialien zu gelangen. Der leichte Zugang ist das Ergebnis der Reformen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Diese sollten sicherstellen, dass wichtige Informationen nicht unbeachtet bleiben, weil Behörden nicht miteinander kommunizieren. Die USA haben das Kind mit dem Bad ausgeschüttet, indem sie den Zugang so einfach gemacht haben, dass jeder halbwegs fähige Auslandsgeheimdienst in das System hineinfinden kann", schreiben die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN, und damit endet die Presseschau.