26. April 2023
Die Presseschau aus deutschen Zeitungen

Die meisten Kommentare befassen sich mit US-Präsident Biden, der angekündigt hat, bei den Wahlen im kommenden Jahr erneut zu kandidieren. Außerdem geht es um die Ständige Impfkommission, die ihre Corona-Impfempfehlung für Minderjährige aufheben will. Zunächst aber zur Diskussion über die Strafbarkeit von Unfallflucht.

Joe Biden im Porträt
US-Präsident Joe Biden will eine zweite Amtszeit. Ernsthafte Konkurrenten bei den Demokraten hat er nicht. Ein erneutes Duell mit dem Rpeublikaner Donald Trump ist wahrscheinlich. (imago / UPI Photo / Chris Kleponis)
DIE GLOCKE aus Oelde notiert: "Geht es nach dem Vorschlag von Bundesjustizminister Buschmann, dann wird Unfallflucht ohne Personenschaden künftig nicht mehr als Straftat bewertet, sondern zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft. Das wäre ein schwerer Fehler, der dem Rechtsempfinden vieler Bürger, die durch Unfallflucht auf hunderten, möglicherweise tausenden Euro Schaden sitzen geblieben sind, in eklatanter Weise widerspricht. Ein solches Fehlverhalten muss ein strafwürdiges Vergehen bleiben", verlangt DIE GLOCKE aus Oelde.
"Es ist ja wohltuend, wenn Politiker einmal nicht der Versuchung nachgeben, immer härtere Strafen zu fordern", stellt die STUTTGARTER ZEITUNG fest: "Nur ist Buschmanns Argumentation nicht überzeugend. Er stellt die Frage, ob es angemessen ist, ein Kriminalstrafverfahren bei Vorgängen mit reinen und unbeabsichtigten Sachschäden einzuleiten. Das geht am entscheidenden Punkt vorbei: Die Strafe wird nicht wegen einer unabsichtlichen Sachbeschädigung ausgesprochen. Es geht vielmehr um das Entfernen vom Unfallort, mit dem sich der Unfallverursacher seiner Verantwortung entzieht – nicht selten mit erheblichen Unannehmlichkeiten für die Betroffenen. Es gibt keinen Grund, dies zu entkriminalisieren", meint auch die STUTTGARTER ZEITUNG.
Gänzlich anders sieht es die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG: "Weg mit dem Fahrerflucht-Paragraphen! Dieser Straftatbestand ist kleinkariert, kleingeistig, kleinlich. Hier geht es lediglich darum, dass jemand im Falle eines Blechschadens nicht seine persönlichen Daten hinterlässt, damit die Versicherung weiß, an wen sie sich wenden darf. Das ist alles. Das ist zweifellos unehrenhaft. Aber das Rechtsgut, das mit diesem Paragrafen geschützt wird, war schon immer ein wenig dubios. Die finanzielle Auseinandersetzung zwischen Versicherungen: Ob man dafür wirklich die Ultima Ratio des Rechtsstaats auffahren muss, eine Strafe mit moralischer Verurteilungswucht, mag man bezweifeln", kommentiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
"Natürlich ist es fragwürdig, warum eine Unfallflucht ohne Personenschaden als Straftat eingestuft wird", schreibt der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER: "Doch bei der Reform des Straftatbestands 'Unfallflucht' geht es auch darum, welche Wirkung man damit erzielt. Wenn der Arbeitsaufwand nur von der Strafjustiz zur Bußgeldbehörde verschoben wird, stellt das keinen Abbau der Bürokratie dar."
Zum nächsten Thema. US-Präsident Biden hat angekündigt, bei der nächsten Wahl erneut zu kandidieren. Die VOLKSSTIMME aus Magdeburg übt daran Kritik: "Joe Biden will seinen Job zu Ende bringen: In einer zweiten Amtszeit als US-Präsident hofft er, die demokratische Zukunft seines Landes und die internationale Herrschaft des Rechts sichern zu können. Das klingt ehrenwert, ist jedoch abenteuerlich. Biden hat es bisher nicht geschafft, aus den zerrissenen Vereinigten Staaten auch nur ansatzweise wieder eine geeinte Nation zu machen. Warum das in einem zweiten Anlauf gelingen sollte, ist nicht erkennbar", beanstandet die VOLKSSTIMME aus Magdeburg.
"Niemand sollte das ultimative Stehaufmännchen der US-Politik unterschätzen", mahnt dagegen die RHEIN-ZEITUNG aus Koblenz: "Biden will die Seele der Nation retten. Er möchte nicht bloß ein Übergangspräsident sein, sondern die Transformation und den Fortbestand der Demokratie unter veränderten Bedingungen aktiv gestalten. Daheim und in der Welt."
Die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG hebt die bisherigen Erfolge des US-Präsidenten hervor: "Biden hat gewaltige Gesetzespakete zu Infrastruktur, Klima und Sozialem durch den Kongress gebracht. Er kann auf wachsende Beschäftigtenzahlen und steigende Löhne verweisen. Und er hat bei den üblicherweise als Denkzettel genutzten Midterms die knappe Mehrheit im Senat ausbauen können. Was aber, wenn Biden eine zweite Amtszeit nicht zu Ende brächte? Diese Frage stellen sich viele Amerikaner und denken besorgt an die Vizepräsidentin, die dann nachrücken würde. Kamala Harris füllt schon ihr derzeitiges Amt nicht aus." kritisiert die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG bewertet die Kandidatur Joe Bidens so: "Die Demokraten haben ziemlich geräuschlos die Reihen hinter ihrem Präsidenten geschlossen. Die Partei wettet mit ihm darauf, dass die Kraft auch 2024 in der Ruhe liegt und nicht im Sturm. Die Europäer haben besonders viel Grund, den Demokraten die Daumen zu drücken. Mit einem Trump oder einem Trump-geschulten Populisten im Weißen Haus würde die Herausforderung Putin noch viel schwerer zu bewältigen sein", glaubt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.
So sehen es auch die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN: "Aus europäischer Sicht wäre die Wiederwahl Joe Bidens das Beste, das passieren könnte. Er hat das transatlantische Bündnis zu neuem Leben erweckt, das mehr denn je Garant für Frieden und Freiheit auf dem Kontinent ist. Dennoch ist eine zweite Amtszeit Bidens keine ausgemachte Sache. Denn noch haben die Republikaner Trump bei ihren Vorwahlen nicht auf den Schild gehoben. Aus Umfragen neun Monaten vor den ersten Primaries Rückschlüsse ziehen zu wollen, wäre grob fahrlässig", mahnen die BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe.
Auch der TAGESSPIEGEL ist vorsichtig: "Biden hat Trump geschlagen. Dafür werden ihm viele Amerikaner für immer dankbar sein. Aber: Er hat es nicht geschafft, den Trumpismus zu besiegen: Die national-populistischen Kräfte sind in der Republikanischen Partei derzeit tonangebend. Sie werden nicht verschwinden, auch wenn Trump unterliegt. Bidens wichtigstes Argument von 2020 ist immer noch dasselbe: Er ist nicht Trump. Ob das reicht?", fragt der TAGESSPIEGEL.
"Die größte Gefahr für Joe Biden ist weder Donald Trump noch Ron DeSantis", merkt die TAZ an: "Die größte Gefahr für Biden ist er selbst. Ein paar Blödheiten bei offenem Mikrofon, und er wird vom starken Amtsinhaber zum greisen Clown. Seine Wiederwahlkandidatur ist wohl richtig – aber sie birgt hohe Risiken."
Zum Abschluss der Presseschau noch zwei Stimmen zur Ständigen Impfkommission. Die Stiko spricht sich dafür aus, dass ältere Menschen weiter Auffrischungsimpfungen gegen Corona erhalten sollen. Die Empfehlung für Minderjährige soll dagegen wegfallen. Die Zeitung ND. DER TAG lobt den Vorschlag: "Zur rechten Zeit zieht man den Schlussstrich unter die Krisenzeit und legt ein Impfschema vor, das wohl von Dauer ist. Der Vorschlag ist pragmatisch – mit Blick auf den deutlich besseren Immunstatus der Bevölkerung, auf die anhaltende Dominanz immer neuer Omikron-Subtypen des Coronavirus und auf die nach wie vor suboptimalen Impfstoffe - denn die Pharmakonzerne haben kein Interesse an der Entwicklung wirksamerer Produkte. Und so legt die Stiko einen übersichtlichen Impfplan vor, bremst die Übereifrigen, die sich alle paar Monate einen neuen Schuss setzen lassen wollen, und denkt an die Kinder", heißt es in der Zeitung ND. DER TAG aus Berlin.
Ganz anders sieht es der Kommentator der WELT: "Die Stiko selbst ist es nun, die am Dienstag klargemacht hat: Kinder brauchen keine Corona-Impfung, und Jugendliche auch nicht. Die simple Begründung: Für Minderjährige ist das Virus nicht sehr gefährlich. Gibt es etwa neue, bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse? Nein – so langsam zieht bloß wieder die Vernunft ein. Kinder wurden vom Fußballtraining ausgeschlossen, wenn sie nicht geimpft waren, oder durften auf dem Weihnachtsmarkt keine Bratwurst essen. Nichts davon hatte seine Rechtfertigung. Was bleibt, ist ein riesiger Vertrauensverlust. In die Gesundheitspolitik und in Institutionen wie die Stiko. Das Beispiel Kinder-Impfung zeigt, wie schlecht Deutschland durch die Pandemie gekommen ist." Und mit dieser Stimme aus der Zeitung DIE WELT endet die Presseschau.